Sonntag, 14. November 2010

Nachtrag zum brotlosen Künstlertum


Nein, das kleine Theater war nicht brechend voll. Nein, es gab keine Riesenschlange, die unseren Mann am Einlass ins Schwitzen brachte, weil er mit dem Ticketverkauf nicht nachkam. Nein, die Premiere war nicht ausverkauft. All das war nicht.

Sicher, wir haben es uns gewünscht. Die Regisseure, das Schauspielerteam, die Nebendarsteller - wir alle hatten Hoffnung auf ein ausverkauftes Haus. Wir haben gute Pressearbeit gemacht, es gab Vorberichte in den Zeitungen, wir haben per Mail und per Post Einladungen verschickt und fünftausend Flyer verteilt. Wir haben getan, was richtig, wichtig und sinnvoll war. Und trotzdem: ein volles Haus gab es nicht. Aber es war auch nicht niemand da, der das Stück sehen wollte. Die Zuschauer, die da waren, denen hat es gefallen. Sie haben uns drei Stunden lang ihre Aufmerksamkeit geschenkt, sie haben mit uns interagiert und kommuniziert. Am Ende haben sie uns applaudiert. Das war der Lohn für drei Wochen intensive Probenarbeit, der Lohn für die Anstrengung beim Proben im kalten Theaterraum, der Lohn für die Konzentration auf ein fantastisches Stück Theater und die Entwicklung aller Figuren. Wir haben uns gefreut. Wir haben diesen Moment des Applaudierens genossen.

Und genau darauf kommt es an. Auf den Moment, wo da dieses Gefühl ist, etwas Gutes und Sinnvolles gemacht zu haben, nicht nur für sich selbst, sondern auch für andere. Ein schöner Moment. Es kommt auf all die Momente an, in denen die brotlosen Künstler am Werk sind. Momente, in denen sie ihr ganzes Sein in die Arbeit geben und sich in ihr verwirklichen. In diesen Momenten geht es nicht um das Verfolgen egozentrischer persönlicher Ziele, da wird nicht wegen eines Endergebnisses gemacht und getan, da wird Kunst gemacht und zwar mit der ganzen Aufmerksamkeit im Moment. Da zählt der Akt an sich, das Tun selbst. All das sind Momente der Erfüllung, der Hingabe an etwas, das erschaffen werden will, das in Kostüm und Maske leben will. Das sind erfüllende Momente eines kreativen Prozesses.

Nein - es geht nicht um den sturen Blick auf den Erfolg. Wäre das so, hätten viele brotlose Künstler ihre Arbeit längst hingeschmissen. Ihre Spezies wäre ausgestorben.

Der Lohn den so manche übersehen, den auch der brotlose Künstler bisweilen übersieht, wenn die Resonanz auf das Geschaffene nicht überwältigend ist, ist mehr wert als Geld. Der Lohn ist dieses tiefe innere Wissen, dass Zufriedenheit nicht von Erfolg und Mißerfolg abhängt. Und genau darin liegt Freiheit.


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