Mittwoch, 16. November 2016

Die Faszination des Narziss und warum manche von uns so magisch von ihm angezogen sind

Narziss von Caravagio


Woran erkennen wir einen Narziss?
Er ist anstrengend.
Was Narzissten so anstrengend macht ist vor allem:
Ihr übersteigertes Bedürfnis nach Aufmerksamkeit, Anerkennung und Bewunderung: Ihr gestörtes Selbstwertgefühl braucht dauerhaft Streicheleinheiten und Applaus. Sie profilieren sich gerne und stellen sich bei jeder Gelegenheit in den Vordergrund.
Ihre mangelnde Kritikfähigkeit: Kritik verstehen sie als Bedrohung und können nur sehr schlecht damit umgehen. Bei der leisesten Kritik reagieren sie zutiefst beleidigt und greifen den Anderen an, um ihn abzuwerten. Oft werden sie dann aggressiv und verbal vernichtend.
Ihre mangelnde Empathiefähigkeit: Narzissten sind unfähig die Gefühle und Bedürfnisse ihrer Mitmenschen zu spüren und auf diese einzugehen. Da sie aber gute Beobachter und perfekte Schauspieler sind, können sie Empathie und Verständnis simulieren. Das tun sie aber nur dann, wenn sie vom Anderen etwas wollen, was ihnen selbst nützt. Ansonsten können sie nur schwer zuhören und lenken das Gespräch immer wieder auf sich selbst und überfrachten ihr Gegenüber mit dem Eigenen.

Der Narziss ist faszinierend.
Was Narzissten so faszinierend macht:

Eigenmarketing
Narzissten betonen immer ihre eigenen Qualitäten und Besonderheiten. Andere interessieren sie nicht, höchstens als niedriger Vergleichsmaßstab. Sie sind Spezialisten für ein übertriebenes neurotisches Eigenmarketing. Sie reden oft schnell und laut, sie „überreden“ den Anderen, weil er sie ja in Wahrheit nicht interessiert und sie nur sich selbst wahrnehmen können. Der Zuhörer fungiert als Spiegel, in dem sich die eigene narzisstische Grandiosität wiederspiegelt.

Eloquenz
Sie sind äußerst redegewandt, gehen offen und strahlend auf andere Menschen zu, zeigen sich interessiert und aufgeschlossen. Sie wirken gut informiert und haben ein breites Wissen. Sie machen großartige Komplimente wenn sie etwas für sich selbst erreichen wollen.

Unterhaltungswert
Sie sind Meister der Selbstdarstellung und können ebenso witzig wie faszinierend und unterhaltsam sein.

Selbstbewusstsein
Sie stellen sich stets sich in den Mittelpunkt, treten extrem selbstsicher auf, engagieren sich über die Maßen, wenn sie etwas wollen und können sich anderen gegenüber gut durchsetzen.

Der Narziss ist unsympathisch.
Was Narzissten so unsympathisch macht ist vor allem:
Ihre übersteigerte Gier nach Anerkennung und Bewunderung: Ihr gestörtes Selbstwertgefühl, das durch ein übersteigertes Selbstwertgefühlsgehabe, (man könnte es auch Grotzkotzigkeit nennen) kompensiert wird, braucht ständig Streicheleinheiten.

Ihre mangelnde Kritikfähigkeit: Kritik verstehen sie als Bedrohung und können nur sehr schlecht damit umgehen. Ein falsches Wort und es gibt Streit. Im Streit gilt es den Anderen klein zu hacken, was für den Narzissten fast schon überlebensnotwendig ist, denn der Verlust des fragilen Grandiositätsgefühls lässt ihn in depressive Zustände gleiten.

Der Narziss ist gefährlich.
Was Narzissten so gefährlich macht:

Manipulation
Narzissten können sich durchaus verständnisvoll und hilfsbereit geben, wenn Sie sich davon einen eigenen Vorteil versprechen. Das Umfeld wird manipuliert , um sich selbst in ein gutes Licht zu rücken und für sich selbst das Beste herauszuholen.

Abwertung
Narzissten haben eine Gabe andere grob verletzend und empfindlich abzuwerten. Ihnen fehlt sowohl Humor als auch die Fähigkeit zur Selbsterkenntnis. Sie sind unfähig Verantwortung für Fehler zu übernehmen und weisen andererseits jegliche Kritik als Abwertung von sich. Narzissten empfinden jegliche Kritik als existentielle Bedrohung, bestimmt von der Urangst möglichst nicht abgewertet zu werden und dem Wunsch, immer zu glänzen um die unterschwelligen Defizite damit zu verdecken.
In den Neunzigerjahren stellten der Psychologe Jonathan Cheek und sein Team fest, dass der Narzissmus zwei extreme Gesichter haben kann. Diese nannten sie so:
Großartigkeits-Exhibtionismus (Grandiosity-Exhibitonism)
Verletzlichkeits-Sensibilität (Vulnerability-Sensitivity)
Beide Varianten äußern sich in Formen von Arroganz und Egomanie. Vor allem der zweite Typ tritt nicht aggressiv auf, sondern erscheint auf den ersten Blick hochsensibel, beobachtend, taxierend, übervorsichtig und zurückhalten, was ihn wie einen introvertierten Charakter erscheinen lässt. Das ist jedoch eine Maske, schließlich ist es sympathischer für besonders sensibel und empathisch gehalten zu werden, statt für selbstverliebt, berechnend, kalt und aufmerksamkeitsheischend.

Warum sind Narzissten so?
Sie wurden zu dem gemacht, was sie sind.
Frühkindlichen Kränkungen gelten als biografische Wurzeln einer neurotischen narzisstischen Persönlichkeitsstörung. Narzissmus ist die Folge eines dauerhaften Entwicklungsdefizites und einer malignen Bindung zwischen Kind und Eltern, in der Lieblosigkeit, Gewalt, Übergriffigkeit oder im anderen Falle - zu viel Bewunderung für das Kind als narzisstische Ausweitung eines oder beider Elternteile herrschten.

Warum ziehen manche Menschen immer wieder Narzissten in ihr Leben?
Narzissten ziehen regressiv-narzisstische Menschen magisch an. Diese Menschen, auch Komplementärnarziss genannt, fühlen sich tief im Inneren wertlos. Sie machen sich klein, weil sie sich klein, unwichtig und unbedeutend fühlen und vor allem: Sie sind davon überzeugt nicht liebenswert zu sein Das selbstsicher erscheinende narzisstische Gegenüber, steht quasi im Schlagschatten der eigenen Minderwertigkeitsgefühle und wertet so das als unbedeutend und minderwertig empfundene Selbstbild auf. Zudem neigt der regressiv-narzisstische Mensch dazu sich unterzuordnen und zu "dienen", was jedoch in Folge eine emotionale Abhängigkeit produziert.

Kollusion
Zur Kollusion (Konflikt) in solchen Beziehungen kommt es dann, wenn sich die unbewussten Muster und Erwartungen nicht mehr automatisch gegenseitig einlösen und es nicht mehr ertragbar ist, dass der Eine zu selbstherrlich und verletzend ist und der andere ihm trotz aller Demütigungen dennoch weiter nachläuft und um Liebe bettelt, oder sich nur noch kritisierend und anklagend äußert. In diesem Moment verliert die Beziehung ihren beiderseitigen Benefit.


Was für den Selbstsüchtigen gilt, gilt auch für den narzisstischen Menschen. Dessen allgegenwärtiges Interesse ist es weniger, sich Dinge anzueignen, als vielmehr sich selbst zu bewundern. Oberflächlich betrachtet scheinen diese Menschen in sich selbst verliebt zu sein; in Wirklichkeit aber können sie sich nicht leiden, und mit ihrem Narzissmus wie mit der Selbstsucht kompensieren sie einen grundlegenden Mangel an Selbstliebe. Freud hat betont, dass der Narzisst seine Liebe vom anderen zurückzieht und auf die eigene Person richtet. Der erste Teil dieser Behauptung ist richtig, der zweite ist ein Trugschluss. Er liebt weder die anderen noch sich selbst. 

Erich Fromm, Die Antwort der Liebe

3 Kommentare:

  1. Sag mal, wenn ein Narzisst oder eine Narzisstin zu dir käme und dich um eine ehrliche Einschätzung bitten würde, ihm oder ihr zu sagen, ob er oder sie ein Narzisst sei, würdest du dann ehrlich sein?
    Würdest du ja sagen und könntest du helfen, diese Neigung oder Sucht oder wie auch immer man den Narzissmus einordnet, zu heilen, zu überwinden, zu integrieren....? Ist das möglich?
    Ich erschrecke jedes mal zutiefst, wenn ich bei dir etwas zu dem Thema lese. Es geht so tief, dass ich innerlich zu beben beginne. Ich weiss, dass mein Vater perfekt in dieses Bild passt, meine Geschichte hat den Namen "narzisstischer Missbrauch in der Kindheit". Was aber, wenn ich selber genauso bin und es nicht erkennen kann? Wer sagt es mir? Ist diese ganze Konstellation eine Falle? Ich weiss nur eines aus grösster und tiefster Überzeugung: Ich MÖCHTE nicht so sein. Ist gerade dies der Beweis für das Gegenteil?
    Alles Liebe dir,
    Gabriela

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  2. Liebe Gabriela,
    ss ist manchmal hilfreich einem Menschen eine Diagnose zu geben und manchmal nicht. Man kann sich auch auf einer Diagnose "ausruhen" dann hat man eine Rechtfertigung, weil man eben ist wie man ist und kann damit die Eigenverantwortung abgeben. Und ja ein Narziss kann sich verändern, wenn er es will.

    Es gibt ein gutes Buch über Narzissmus: Narzissmus - Das innere Gefängnis von Heinz Peter Röhr. Oder für dich als Frau: Weiblicher Narzißmus: Der Hunger nach Anerkennung von Bärbel Wardetzk.
    Vielleicht ist es für dich hilfreich das zu lesen.

    Lieben Gruß,
    Angelika

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    1. Vielen Dank!!! Ich werde mir das Buch besorgen. Alles Gute dir für deine Übergänge, Schritte und Entscheidungen.
      Mir lieben Grüssen
      Gabriela

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