Donnerstag, 2. April 2015

Ja, in mir ist etwas kaputt


Mädchen, Acry auf Leinwand


"Ich hasse Geburtstage, ich hasse sie, wie alle Feiertage", sagt die leise kleine Stimme in mir und zischt nach: „Pass auf da gibt’s nur Stress, das wird ganz schlimm." Ich spüre wie es immer größer wird in mir, das Fürchten. Das kein Hass ist sondern in Wahrheit Angst. „Lächerlich!“ sagt die andere Stimme in mir, die schon etwas älter klingt, "kein normaler Mensch hat vor Geburtstagen!" Aber diese Stimme macht es nicht besser. Sie will mich beruhigen und findet nicht die richtigen Worte. Irgendwie scheint es mir, als käme sie nicht aus mir und dann doch, jedenfalls ist sie nicht meine Bauchstimme, da glaube ich der leisen kleinen Stimme schon viel mehr, denn sie ist so alt wie ich. Und weil sie so alt ist wie ich, muss sie mich doch kennen und wissen, das ich Recht habe mit dem Fürchten, sie hat es doch erlebt, wie das war, an all den Geburtstagen vor diesem Geburtstag, der jetzt kommt.   
Sie weiß, es war schlimm. Es war so schlimm, dass sie es nicht vergessen hat und mich warnen will, solche Tage, an denen man feiert, zu ignorieren, dann kann auch keine Katastrophe passieren. Die Art von kleiner Katastrophe, die kein Mensch braucht, ob er klein oder groß ist. Die Art Katastrophe, die wie ein Blitz aus heiterem Himmel über dich kommt, wenn du dich freust und dann plötzlich platzt da Einer hinein in deine Freude und schreit ganz laut und wirft Sachen durchs Zimmer und macht dir Angst und du bist völlig schockiert und fassungslos und weißt überhaupt nicht, was du getan haben sollst, weswegen der so schreit und Sachen kaputt macht und du duckst dich und denkst, hoffentlich macht er dich nicht kaputt, aus Versehen natürlich, denn er will dich nicht kaputt machen, das kann nicht sein, er hat dich doch lieb, aber das hilft dir in diesem Geschreie und Gewerfe überhaupt nichts, du bist nur noch damit beschäftigt dich unsichtbar zu machen und dein kleines Herz hämmert bis zum Hals und du hast Todesangst und findest kein sicheres Loch in dem du versinken kannst, bis es vorbei ist.


„Ruhig, ganz ruhig, das ist alt, das ist so alt wir du und es ist lange schon vorbei, du weißt, dass es vorbei ist“, sagt eine warme erwachsene Stimme in mir. Aber die kleine Stimme spürt das nicht, für sie ist Heute Gestern. Sie sitzt noch immer verängstigst in diesem Gestern, weil du dich fürchtest vor ihrer kindischen Angst. 
Das ist nicht gut, dass du sie alleine lässt mit ihrer Angst, die so groß ist, dass sie dir auch Angst machen will und es auch schafft, immer wenn diese feierlichen Tage kommen, sagt die warme sehr erwachsene Stimme in meinem Kopf. Geh zu ihr, nimm sie in den Arm und sag ihr, dass du sie verstehst, ihre Angst, sag ihr, wie weh dir das tut ihre Angst zu spüren und dass du sie ihr so gerne nehmen würdest, die alte Angst. Sag ihr, du bist nicht deine Angst, sie ist nur ein Teil von dir, ein Teil der weh getan hat und immer weh tun wird und sag ihr, dass du ab jetzt dafür sorgen wirst, dass sie keine Angst mehr zu haben braucht, weil du sie schützen wirst vor Geschrei und Gewerfe und ihr zeigen wirst, dass du das kannst, weil du groß bist und sie beschützt, damit solche Katastrophen nicht mehr vorkommen. Sag ihr, dass es das Geschreie und das Gewerfe nicht mehr gibt und nie mehr geben wird, weil du das aus eurem Leben entfernt hast, schon längst und für immer. Und ich sage es der kleinen Stimme, aber sie vertraut meinen Worten nicht.


Du weißt es doch, sagt die warme erwachsene Stimme, in meinem Kopf, sie hat diese Angst, alle Jahre wieder, schon so viele Jahre hat sie sie. Die geht nicht weg, auch wenn du sie beschützen kannst, weil sie sich eingebrannt hat in jede Zelle und vielleicht wird es Zeit, das einfach mal zu akzeptieren, dass sie nicht weg geht, egal was du sagst. Vielleicht fragst du die kleine Stimme einmal, was sie sich von dir wünscht, schließlich ist es ja dein Geburtstag, der da kommt, vor dem sie sich gerade fürchtet.
Gut, ich frage sie jetzt: „Was wünscht du dir von mir?“


Stille ...


Dann ein kaum hörbares, kleines, schüchternes leises: "Er soll aufhören mir Angst zu machen. Er hat mich doch lieb, oder?" Und ich muss weinen und die kleine Stimme weint auch. Wir weinen beide und ich sage: „Ich weiß es nicht, ob er dich lieb hat und es liegt nicht in meiner Macht, es zu beinflussen, wenn es nicht so ist. Er konnte nichts anders, vielleicht wusste er selbst nicht was Liebe ist und vielleicht war es deshalb so wütend. Es hat nichts mit dir zu tun. Du bist liebenswert, für mich bist du das und für viele andere auch. Es tut mir leid, ich kann das alles nicht ungeschehen machen, wir müssen mit der Angst leben. Da ist etwas kaputt in uns, reparieren lässt sich das nicht mehr. Aber jetzt in diesem Moment ist es still und an unserem Geburtstag wird es auch still sein, kein Geschreie und kein Gewerfe, das verspreche ich dir, dafür werde ich sorgen."


"Ist das wirklich wahr?" fragt mich die kleine Stimme.


"Ja, das ist wirklich wahr, ich werde sehr gut auf uns aufpassen. Es ist vorbei. Du kannst mir vertrauen, weil ich dich über alles liebe."


Und jetzt, ganz langsam, wird es still in mir.


























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