Freitag, 17. Oktober 2014

Der Maler Karol Rousin - Ein Bild von Landschaft





Karol Rousin malt Landschaften.
Mit sezierendem Blick für die Temperatur des Lichts und der Farben tritt er mit dem Sichtbaren in einen eigenwilligen und erfinderischen Kontakt und kultiviert ihn bis in die Abstraktion. Gegen eine hoch technisierte Welt, die der Mensch gestaltet hat, die menschenfeindlich ist und einem unaufhörlichen Vorstoß in die Selbstentfremdung Vorschub leistet, setzt Karol Rousin die Vergegenwärtigung von Natur. Seine intensive Auseinandersetzung mit der Landschaft gleicht einer Suche, einer Reise, die angesichts der kraftvollen Intensität des Naturalen den Blick zu öffnen vermag auf die innere Leere, in die Konsum und mediale Reizüberflutung den Menschen führen. In seinen Arbeiten schafft Rousin nicht nur sein Bild von Landschaft, er hinterfragt auf subtile Weise das Menschenbild des Zeitgeistes, indem er uns mit dem konfrontiert, was alles Leben hervorbringt, was uns hervorgebracht hat, uns leben lässt und in das wir letztlich eingehen:  Natur.

Der Mensch und Maler Rousin erfasst und begreift die Landschaft mit seinen Sinnen, er beobachtet das Licht, nimmt wahr wie sich Form, Farbigkeit und Atmosphäre durch seinen Einfall verändern, er macht Fotografien oder Skizzen, um das Wahrgenommene festzuhalten. Vor der malerischen Umsetzung plant er das Farbgefühl, das er transportieren will, bestimmt das Colorit, indem er die Leinwand untermalt, entscheidet so, ob es ein warmes oder ein kaltes Bild wird, setzt die Farbe gleichsam als Symbol für die Qualität von Licht. Ein Park im orangeroten Licht der Morgenstimmung, die Silhouette eines nächtlichen Häusermeeres auf tiefblauem Grund, ein Felsenmeer in der hereinbrechenden Dämmerung erwachsen auf dem Ton der Grundierung. Mit wenigen kraftvoll-dynamischen Pinselstrichen und dem hartem Duktus der ausführenden Hand wird das Bild gleichsam modelliert. Organisches formiert sich zu geometrischen Elementen, das Antlitz der Natur wandelt sich ohne das Wesenhafte einzubüßen.

Statt eines Fensters zur Natur entsteht ein Bildbewusstsein, das über die bloße Nachahmung von Landschaft weit hinaus geht. Wege und Bäume, Himmel und Erde, Berge und Täler kommen als Formen für Wirklichkeit vor. Mehr noch -  der Maler erfindet Wirklichkeit nach seinem Empfinden. Aus dem Lebendigen werden abstrahierte Formen, die vom Wesen der Landschaft, ihrer elementaren Bedeutung und ihrer Stimmungshaftigkeit erzählen. Dem Maler gelingt es die unterschiedlichen Aspekte einer Landschaft parallel wirken zu lassen. Abbildung und Wiedergabe der Atmosphäre treten gleichberechtigt auf und ermöglichen den Blick über die eigentliche Landschaftsansicht hinaus.




Rousins Blick auf Landschaft durch die Augen des Künstlers gleicht einem Spaziergang durch die Matrix der Natur. Die malerische Umsetzung fließt in Bewegung und Rhythmus der räumlichen Formen, ist empathisches Spiel mit Harmonie. Wie ein Magier jongliert Rousin mit dem Kontrast der Farben, mit Licht und Schatten. Expressiv, voller Energie und intensiver Dynamik ziehen uns diese Leinwände in den Bann und schenken uns ein einzigartiges ästhetisches Erlebnis des naturalen Phänomens.

Alles ist offen. Der Betrachter selbst hat die Wahl, er entscheidet was er sieht: Landschaft oder abstrakte Farbfläche. Geschickt und intelligent spielt Karol Rousin mit der Wahrnehmung des Betrachters. Er zeigt ihm eine Landschaft, eine Stadtsilhouette, die so gar nicht ist. Durch das Mittel der Eindichtung komprimiert er das Markante, zerlegt es und fügt es neu zusammen und kreiert so eine malerische Illusion - gleichzeitig manifestiert er die eindeutige Erkennbarkeit des Vorgegebenen. Hier geht Reales mit Irrealem eine Allianz ein und verändert dennoch nicht den ursprünglichen Charakter, im Gegenteil: Dieser tritt durch die Neumontage sogar stärker hervor als in der Wirklichkeit. Rousin lässt die Illusion einer einzigen Wirklichkeit zusammenbrechen. Er entnimmt der Realität Bilder, um Realität neu entstehen zu lassen, durch den Blick des Künstlers, der nach einem neuen Einblick sucht. Durch die mentalen Abbilder der Pseudowirklichkeit einer urbanen Struktur reißt er die raum-zeitliche Dimension des menschlichen Bewusstseins von Im-Raum-Sein, von In-der Zeit-Sein auf.

Karol Rousins künstlerische Handschrift ist eindringlich. Bewusst nutzt er die schöpferische Gabe Begrifflichkeit und Wesen von Natur zu beherrschen, er ist sich seiner Mittel bewusst, nimmt sich den unendlichen Spielraum, der sich ihm öffnet, weiß um die Möglichkeiten ebenso wie um die Herausforderung für den Maler. Vor allem aber weiß er um eines: Er weiß um die Fähigkeit mittels Kunst der Nachbildung des von der Natur Vorgegebenen zu entwachsen. Diese nutzt er, um schließlich über das bloße Wiedergeben hinauszuwachsen, hinein ins eigene Innere, dessen Selbstbewusstheit, sich in diesen Bildern spiegelt.





Kunsthalle Ingelheim, 16.Oktober 2014
 Fotos: (c) Alexander Szugger

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