Sonntag, 5. Oktober 2014

Heimweh





meinen kaffee trinke ich heute morgen anders als sonst. in mir ist ein gefühl von abschied. ein abschied, den ich ahnte, als ich in diese stadt zog, in die ich nicht ziehen wollte, in der ich mich bis heute nicht heimisch gemacht habe. wieder ein abschied. wieder habe ich verlassen, was ich nicht mehr halten konnte, ohne mich selbst zu verlieren. heute ist es etwa ein jahr her, dass ich in die kleine wohnung zog, in der ich mich bis heute nicht heimisch gemacht habe. das leben in dieser stadt, in dieser wohnung fühlt sich noch immer an wie ein warten, wie eine übergangsstation und ich bin mir bewusst, dass es das bleiben kann, dann nämlich, wenn es mir nicht gelingt, die station zu verlassen. das ist möglich. es ist immer alles möglich.

ich will hier nicht bleiben, ich wollte hier nicht ankommen. aber es gab keine lösung, die anderes möglich gemachte hätte, damals vor einem jahr. jetzt sitze ich hier an diesem kühlen oktobermorgen und frage mich: ist das wirklich wahr? gab es keine andere lösung damals oder hast du sie nur nicht gefunden, hat sie dich nicht gefunden? ich frage mich, ist das wirklich wahr, bin das wirklich ich, die hier gelandet ist, mit leichtem gepäck, weil ich das schwere zurücklassen musste, weil ich es nicht mehr tragen konnte, nicht mehr finanzieren konnte. es wird alles besser, sagte ich mir letzten oktober.  jetzt ist einiges besser geworden, ein jahr danach, aber das zurückgelassene wiegt noch immer schwer, drückt auf die seele und das wort heimweh kriecht nach oben und lässt mich weinen. ich habe heimweh nach der stadt auf der anderen seite des rheines, heimweh nach der wohnung, die ich verlassen musste, heimweh nach dem alten baum, der vor meinem fenster stand und mir trost gab über alle jahre, in denen ich trost brauchte.

ich trinke meinen kaffee und blicke aus dem kleinen fenster, das mir noch immer ein fremdes fenster ist. ich schaue in den kleinen garten, der in seinen spätsommerzügen liegt. er wird sein grün bald verlieren und dann ist da kein alter baum, der seine blätter verliert und mir noch blattlos trost spendet, wenn ich ihn brauche. der winter wird kommen und ich werde weiter heimweh haben, mehr noch als in diesem sommer, weil das grau nichts besser macht. ich werde mich hinträumen an den ort, den ich verlassen musste und mich erinnern in der enge der fremden wohnung an die weite meines alten lebens, an den ort, den ich liebte und ich werde sehr allein sein in dieser fremden stadt. ich werde eine möglichkeit finden zu akzeptieren, was ist oder ich werde eine möglichkeit suchen zu ändern, was nicht mehr sein soll. aber, mitten im schmerz des heimwehs, weiß ich, der ort zu dem ich mich begeben muss, liegt in mir selbst.



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