Freitag, 23. August 2013

Liebe

wir waren früh aufgestanden nach einer kurzen nacht, in der wir wieder endlos lang geredet hatten.  ich ging in die küche und setzte kaffee auf. als er durchgelaufen war, nahm ich zwei tassen, goß ihn hinein und gab eine davon anna. sie öffnete die terrasssentür. müde und erschöpft von der verlassenheit ihres eigenen ichs blickte sie in das zögerliche licht des heranbrechenden tages.



es ist unerträglich nicht lieben zu können, dachte ich. das ist die grausame wahrheit, ihre wahrheit. ich ging an anna vorbei in den garten. die lauwarme erde dampfte in der kühle des morgens. getragen von einer lautlosen verzweiflung lief ich los. bei jedem schritt versanken meine füße im nassen gras. am apfelbaum blieb ich stehen. ich legte meine arme um seine glatte rinde. in mir schrie es: mutter, warum warst du nicht dieser stamm, an dem ich mich festhalten konnte, warum hast du mich abgeworfen wie ein welkes blatt, als ich an dir festwachsen wollte, was habe ich getan, dass du mir deinen schutz nicht geben konntest, was an mir war falsch, dass du mir deine liebe verweigert hast? du hast dir ein anderes leben gewünscht. warum hast du mich dann so unbedacht eingeladen aus dir zu kommen? weil es die pille damals noch nicht gab und das begehren für einen moment größer war als dein wunsch, deine träume zu leben? so will ich nicht sein und doch bin ich es. ich spüre den wunsch in dir und in mir das anhängsel eines anderen zu sein. was ist das für eine tiefe lüge zwischen männern und frauen, von der wir uns abhängig machen?

ich weinte um mich und um anna und um die liebe, die wir so verzweifelt suchten und niemals finden würden, weil wir sie niemals gefühlt hatten. ich verließ den baum und ging zurück ins haus. anna saß am küchentisch. sie hob den kopf und lächelte mich an: paul, ich liebe dich. nein, antwortete ich, du willst mich lieben und das ist nicht das selbe.

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