Mittwoch, 12. Oktober 2022

Hochmut versus Demut

 

                                                  Malerei: Angelika Wende, Hiob

Wenn ich manchmal so lese, was Mensch alles sein muss, haben muss, können muss, denken muss um glücklich zu sein, kann ich mich nur fragen: Leute, was sind das für Glaubenssätze?
Das sind Sätze wie:
Ich kann andere nur lieben, wenn ich mich selbst liebe, ich kann erst glücklich sein, wenn ich mein Ego aufgebe, ich kann nur reich sein, wenn ich das Geld liebe, ich werde immer gewinnen, egal was kommt, ich kann mit der Macht meiner Gedanken alles erreichen und und und.
Alles von Menschen gedachte Behauptungen, die einem erklären wollen, wie ein gutes Leben funktioniert und woran es hapert, wenn es nicht gut ist und als Krönung wird noch oben drauf gesetzt: Wenn es am guten Leben hapert, dann liegt das nur an dir selbst!
So ein Bullshit!
 
Es liegt nicht alles an dir selbst. Das Leben ist so komplex, so unergründlich, ein solches Geheimnis, dass Niemand es jemals begreifen wird. Für dieses komplexe Leben gibt es kein Rezept, schon gar keins, das für alles und jeden funktioniert.
Kein Mensch hat die Macht sein Leben so zu gestalten, dass es nach seinem alleinigen Willen geht. Das ist Verblendung, das ist Superbia, der Hochmut.
Wir können das Leben gestalten, ja, aber eben nicht alles.
Und manchmal oder sogar öfter, legen uns das Leben oder unsere Mitmenschen Steine in den Weg. Oder ein Wahnsinniger wirft mit Bomben. Und dann stimmen solche bescheuerten Glaubenssätze wie: „Du kannst mit der Macht deiner Gedanken alles erreichen! oder: "Dir geschieht nach deinem Denken!", schon gar nicht. Nein, da haben deine Gedanken keinen Einfluss auf das Leben und du brauchst verdammtes Glück um zu überleben.
 
Ich wünsche mir, dass man all diese Glaubensätze endlich mal sein lässt, besonders wenn man Menschen wirklich helfen will.
Jeder Glaubenssatz, der eine Forderung an uns stellt oder die Message sendet: "Weil du nicht okay bist, ist das Leben, das du führst nicht okay", ist unheilsam. Das führt zu nichts Gutem, das führt vielmehr dazu, dass Menschen glauben, sie seien der alleinige Schöpfer ihres Daseins und wenn ihnen ihre eigene Schöpfung nicht gelingt, haben sie etwas falsch gemacht.
Das Leben ist kein Kuchen, den wir backen, kein Bild, das wir malen, kein Schal den wir stricken, kein Roman, den wir schreiben, das Leben ist alles – das, was wir beeinflussen und gestalten können und das, was sich unserem Einfluss und unserer Gestaltungsmacht entzieht. Das ist kein Glaubenssatz, das ist die Lebenserfahrung von Millionen von Menschen.
Das anzuerkennen bedarf allerdings der Demut vor dem Leben selbst.

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