Sonntag, 15. Oktober 2017

Das Leid ist so groß wie die Schultern, die es tragen müssen





In der Psychologie gibt es die sogenannte Salutogenese. Entwickelt wurde sie von dem jüdischen Psychologen Antonovsky während der Behandlung der Opfer des Holocaust. Er stellte fest, dass obwohl alle die gleichen schrecklichen Erfahrungen machen mussten, manche stärker und andere seelisch zerstört waren. Gleiches entdeckte der Arzt und Psychiater Viktor Frankl, der das KZ überlebte und aufgrund seiner Erfahrungen die Logotherapie entwickelte. Heute sprechen wir von Resilienz, wenn Menschen auch angesichts des Schrecklichen, das ihnen widerfährt, nicht zerbrechen.

Das alles sind Konstruktionen die dabei helfen sollen zu verstehen warum manche von uns stärker werden und andere schwächer, ob der Leiderfahrungen, die uns alle im Leben treffen. „Das Leid ist so groß, wie die Schultern die es tragen müssen“. Ein Satz der zu oben Erwähntem passt und es für mich ganz gut runterbricht auf wenige Worte.

Was dem einen den Lebensmut und die Kraft raubt, ist für den anderen Antrieb weiterzumachen, trotzdem. 

Für mich ist es genau dieses „Trotzdem“ was Menschen nicht aufgeben lässt. Dem was ist ins Auge blicken und ihm trotzen, indem man weitergeht, obwohl es ein verdammt schweres Gehen ist. Dieses Trotzdem ist kein Trotz, der sich in Widerstand zeigt, es ist etwas völlig anderes. Wer ein Trotzdem hat, hat eine entscheidende innere Ressource, die ihn nährt, auch wenn er im tiefsten Tal wandelt und die dunkle Nacht der Seele kein Ende zu haben scheint. Diese Ressource ist die innere Sicherheit die Fähigkeit zu besitzen Krisen und Leiderfahrungen bewältigen zu können. Was dieser Mensch weiß  und annimmt ist, dass Leben eben auch Leid bedeutet und alles was ihm widerfährt Anreiz zum seelischen Wachstum sein kann, wenn er es denn dazu nutzt.

Ein solcher Mensch ist das Gegenteil eines verwöhnten Menschen. Er ist nicht wie der verwöhnte Mensch der Auffassung, das Leben muss immer schön lieb und gut zu ihm sein, weil er unbewusst der infantilen Haltung anhaftet, er habe es verdient. Wir haben nichts verdient, weder das ewige Glück, noch das ewige Leid und Schmerz und Verluste schon gar nicht. Es geht nicht ums Verdienen. Es geht darum zu begreifen, dass das Leben voll ist von Möglichkeiten, und alle, aber auch alle, können uns ereilen. Es gibt Zufälle, es gibt ein Schicksal und es gibt Fehler und Fehlentscheidungen, die wir auf unserem Lebensweg machen, und dieses ganze Konglomerat und noch viel mehr, beeinflusst unser Leben. Mit verdienen hat das absolut nichts zu tun. Das Leben, auch wenn Verfechter des positiven Denkens oder Bücher wie „The Secret,“ uns glauben machen wollen, es sei allein das Konstrukt unserer Gedanken, ist nicht,s was wir absolut in der Hand haben. Sie irren auch wenn sie uns glauben machen wollen, wer gut ist, dem widerfährt nur Gutes oder wer liebt, dem widerfährt nur Liebe. So ist es nicht, sagt die Erfahrung von Millionen Menschen auf diesem Globus.

Wer glaubt, er sei der alleinige Schöpfer seines Lebens blendet aus, was er nicht sehen will, weil es seine Allmachtsfantasie aufs Empfindlichste stört: Leben geschieht und wir haben die Wahl wie wir auf das, was geschieht antworten. Und jede Antwort ist für den, der sie gibt, erst einmal richtig, richtig im Sinne seines Selbstverständnisses, seiner Erfahrungen, seiner Konditionierungen, seiner Überzeugungen und Glaubensmuster, seiner Resilienz und seiner Fähigkeit „trotzdem ja zum Leben zum sagen“, wie es Frankl in seinem gleichnamigen Buch nennt. Dieses Ja zu dem was ist, ist entscheidend um aus dem, was ist, das für uns zu gestalten, was uns hilft weiter zu gehen auf unserem Lebensweg.

Was aber wenn das Leid zu groß ist für die Schultern, die es tragen müssen?
Wenn Menschen ihr Leben von Kindheit an als brüchig und unsicher erfahren, fühlen sie sich mitunter ein Leben lang als würden sie auf unsicherem Boden gehen. Sie haben kein Vertrauen in sich und kein Vertrauen in Welt. Sie haben es schwer ihr Leben zu gestalten und fühlen sich als Opfer der Umstände. Sie kennen Gefühle von Unsicherheit und Hilflosigkeit, aber haben wenig Zugang zu Gefühlen wie Freude, Zuversicht und Leichtigkeit. Meine Erfahrung ist: Hilft man diesen Menschen ihre Biografie im Rückblick zu verstehen, finden sie oft doch noch einen Weg ihr Leben in die Hand zu nehmen und zu gestalten, trotzdem es nicht so ist, wie sie es gern hätten. Vorausgesetzt da ist ein Wille es zu tun. Und kann ich es alleine nicht, dann kann ich mir Hilfe holen.

Namaste Ihr Lieben

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