Sonntag, 27. November 2016
Übergangskrisen
Alles hat seine Zeit, auch Übergangskrisen.
Wenn wir uns in einer Übergangskrise befinden spüren wir, dass nichts mehr von dem was war sich anfühlt wie es einmal war.
Wir spüren, etwas muss sich ändern.
Wir müssen etwas ändern.
Tun wir das nicht, ändert es sich für uns.
Ein anstehender Übergang zeigt sich durch Symptome wie ...
innere Unruhe
ein Gefühl von Getriebensein
Desorientierung
Verwirrung
Angst
viele Dinge, die uns interessiert haben, interessieren uns nicht mehr
Beziehungen lösen sich auf
Freundschaften gehen auseinander
Vertrautes bricht weg
wir erleben Verluste auf vielen Ebenen
wir spüren einen inneren Druck, der nicht nachlässt
wir haben das Gefühl aus bestehenden Strukturen ausbrechen zu müssen
der normale Alltag ist immer schwerer zu bewältigen
wir haben das Gefühl in einem Niemandsland zu stehen
wir haben das Gefühl von Sinnverlust
wir haben das Gefühl ein Suchender zu sein, ohne ein Ziel vor Augen zu haben
Übergangskrisen sind Zeiten der Transformation ( lat. transformare für umformen).
Übergangskrisen bedeuten Chaos, innen und außen.
Sie bedeuten: Wir müssen Abschied nehmen vom Alten. Wir müssen uns wandeln, weil das Alte in unserem Leben nicht mehr funktioniert. Es gibt keine Möglichkeit so weiter zu machen wie bisher, wir müssen die Lebensrichtung wechseln, ob wir das wollen oder nicht. Da wir das Alte, das Vertraute aufgeben müssen wird ein gewisses Maß an Leid nicht zu vermeiden sein.
Das größte Problem in all den Krisen, die wir im Laufe unseres Lebens bewältigen müssen ist, dass wir nicht loslassen können. Dass wir krampfhaft festhalten wollen, was vermeintlich uns oder zu uns gehört. Wer aber das Alte mit Macht festhalten will, ist nicht frei für das Neue, das sich im Leben zeigen will. Die Krise zeigt uns ziemlich deutlich, dass das mit dem Festhalten auch nicht geht. Sie zeigt uns, dass die Strategien und Muster der Vergangenheit nicht mehr funktionieren.
Was jetzt?
Wir haben die Wahl. Die Krise überlässt es uns, ob wir Widerstand leisten oder ob wir sie bewusst annehmen und unser Leben ändern, weil es an der Zeit ist.
Nehmen wir die Veränderung nicht an, wird die Energie des Widerstandes sich gegen uns selbst richten - wir werden krank. Wir werden auf körperlicher Ebene oder/und auf psychischer Ebene krank wenn wir etwas aus unserem Bewusstsein verdrängen und es nicht annehmen wollen. Der Körper muss dann mit dem fertig werden, was das Bewusstsein sich weigert zu tun. Der Körper lügt nicht, der Verstand belügt sich gern und ihn straft der Körper dann der Lüge und zeigt uns was wirklich ist, damit wir endlich wach werden und uns bewusst dem stellen, was das Leben von uns will - Wachstum nämlich, auch wenn sich das in der Übergangskrise gar nicht so anfühlt, sondern vielmehr wie Vernichtung. Und es wird auch etwas vernichtet, nämlich das, was nicht mehr zu uns gehört.
Das chinesische Schriftzeichen für Krise hat zweierlei Bedeutung: Gefahr und Chance.
Genau hierin liegt der Schlüssel zum Umgang mit der Krise: Wir sehen sie als Gefahr oder wir verstehen sie als Chance.
Wir haben die Wahl.
Wir können vertrauen wenn wir ja sagen zu dem was ist.
Denn am Ende der Krise, wenn wir sie annehmen können, ist immer ein Licht.
Freitag, 25. November 2016
Zuhören ist eine Sache des Herzens
Wir kommunizieren ständig, aber wir
führen nicht immer einen wirklichen Dialog. Vieles von dem, was so manche Menschen für einen Dialog halten,
ist etwas völlig anderes, nämlich ein Monologisieren. Und das ist eben kein
echter Dialog. Es ist das Mitteilen dessen, was wir dem anderen sagen wollen.
Die Betonung liegt auf: was wir sagen wollen. Entscheidend aber, damit
ein wirklicher Dialog stattfindet, ist das nicht. Während wir nämlich
glauben, wir hätten etwas eindeutig klar gemacht, spricht der andere so, als
hätte er die Botschaft nicht empfangen. Hat er auch nicht!
Ein wirklicher Dialog beruht auf der
Übertragung von Information beider Seiten und dem Wunsch, dass diese
Informationen vom Gegenüber auch gehört und verstanden werden.
Ein echter Dialog bedeutet zuhören,
achtsam zuhören, sich einlassen auf den anderen, auf das, was er denkt und
fühlt und sagen will. Dialogisieren bedeutet den Focus auf den anderen zu
richten. Es bedeutet, dass wir versuchen das Gesagte unseres Gegenübers nicht
in unser eigenes Bild von zu Welt setzen und das seine achten und respektieren.
Es bedeutet, uns zu vergewissern, dass seine und unsere Worte genau so
ankommen, wie sie von beiden Seiten gemeint sind. Ein echter Dialog entsteht, indem wir
zulassen und uns öffnen. Er findet dann statt, wenn wir "empfangen",
indem wir hören, sehen und fühlen, was der andere zu sagen hat, indem wir
achtsam verfolgen was uns gegenüber geschieht und es aufnehmen, indem wir den
anderen zu uns lassen. Ja, eigentlich entsteht er dann, wenn wir die gleiche
Sprache sprechen. Zugegeben ein eher seltenes Erlebnis. Viele Menschen sagen Ich und ich und das
in Endlosschleife. Zum Gähnen ist das und höchst anstrengend. Um es platt
auszudrücken: Es nervt.
Ich kann gut zuhören. Ich muss es auch
können, sonst wäre ich im falschen Job. Achtsam zuhören ist ein wesentlicher Teil
in meiner Arbeit mit Menschen. Im Privatleben wünsche ich mir wie alle
Menschen, dass mir mein Gegenüber zuhört. Sobald ich merke, dass mir jemand
nicht zuhört, werde ich immer stiller. Ich meide Menschen, die nicht zuhören
können, denn sie erschöpfen mich. Sie drehen sich um sich selbst und ich fühle
mich nicht wahrgenommen und nicht wertgeschätzt. Je öfter mir das mit einer
Person passiert, desto seltener suche ich den Kontakt und eine Beziehung kommt
nicht zustande.
Wie auch, denn jede Beziehung braucht
eine Ich-, eine Du- und eine Wir- Zone. Ich erzähle von mir, du hörst mir zu,
du erzählst von dir, ich höre dir zu, wir befinden uns in einem gemeinsamen
Raum des Austauschs, getragen von Achtsamkeit, Respekt, gegenseitigem Interesse
und Wertschätzung. Wenn diese dann noch liebevoll ist, umso schöner und
erfüllender ist eine Begegnung.
Zum Zuhören gehört nicht nur die Ohren zu
spitzen. Auf der unbewussten Ebene nehmen wir den Klang der Stimme, die Sprechmelodie,
Signale des Körpers, die Mimik und Gestik unseres
Gesprächspartners wahr. Dieses Gesamtbild erzählt uns mehr von unserem
Gegenüber als das gesprochene Wort. Auf diese Weise nehmen wir, wenn wir achtsam
beobachten und empathisch sind, sehr viel von einer Persönlichkeit wahr.
Empathie ist der Zauberstab des achtsamen Zuhörers - die Fähigkeit sich durchlässig zu machen, sich in den Anderen
einzufühlen, ihn spüren zu wollen in seinem Sein. Das verbindet Menschen mit Menschen. Je höher die Fähigkeit zur
Empathie auf beiden Seiten, desto intensiver und erfüllender sind das Gespräch und die
Beziehung, gleich welcher Art eine Beziehung ist.
Zuhören heißt auch, nicht in Gedanken schon
die Antwort zu formulieren auf das, was der Andere gesagt hat. Wir können nicht
gleichzeitig an etwas denken und aufmerksam zuhören. Dann sind wir nämlich bei uns und nicht beim
Anderen. Erst wenn unsere Gegenüber ausgeredet hat, sind wir dran.
Es
gibt Leute, die eine solche
Ungeduld und ein solches Mitteilungsbedürfnis haben, meist gepaart mit
einem fetten Ego, dass sie den Anderen ständig unterbrechen, damit sie
schnell wieder
dran sind mit reden, und es gibt chronische Unterbrecher, die die Sätze
des Gegenübers vervollständigen
und zwar mit ihren eigenen Gedanken.
Diese Menschen drehen sich
narzisstisch um sich selbst, sie trudeln im eigenen Universum und haben weder
das Interesse noch die Fähigkeit an das
fremde Universum des Anderen anzudocken. Sie sind nicht beim Anderen und
der Andere
spürt das. Kein schönes Gefühl, wie ich finde. Richtig schlechte Zuhörer
lassen ihr Gegenüber erst gar nicht zu Wort kommen. Ihre Worte
sprudeln wie ein Wasserfall und prasseln auf das Gegenüber herab, bis es
sich
so richtig nass gemacht fühlt. Das ist energieraubend, das ist ein
richtig
mieses Gefühl so beprasselt zu werden. Das ist der Moment wo ich dann
meistens
STOPP sage und den Anderen bitte zwischendurch einmal Atem zu holen, und
ihn dann
frage: Ob er mich überhaupt wahrnimmt. Manchmal ist das hilfreich,
manchmal ist
es vergeblich. Es gibt Menschen, die jeden Satz, den du sagst, als
Ausgangspunkt
für das so Wichtige Eigene benutzen.
Wer achtsam zuhört stellt
weiterführende Fragen und wirft nicht nur seins in den Gesprächsraum. Er fragt
nach, er will wissen, er will verstehen, was der Andere denkt und empfindet. Er
will den Anderen in seinem Sosein verstehen.
Er will ihn verstehen, weil er sich für
ihn interessiert.
Zuhören ist keine Kunst, auch wenn das
manche glauben, zuhören ist eine Herzenssache - es ist der Wunsch einander zu hören, zu fühlen und innerlich zu berühren und berührt zu werden.
Man kann es lernen, sagt meine
Erfahrung, wenn man es will.
Donnerstag, 24. November 2016
Genügsamkeit
Foto: Aw |
Menschen, die mit ihrem Leben chronisch unzufrieden sind, sind in Wahrheit unzufrieden mit sich selbst. Sie finden in sich selbst nichts was sie wertschätzen können, nichts wofür sie dankbar sein können, sie sind mit nichts, was ihnen das Leben schenkt, je zufrieden.
Was wir von uns selbst halten, wie wir von uns selbst und über das Leben denken wird zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung. So wird der Unzufriedene, ganz gleich was er vom Leben erhält, immer unzufriedener. Was für die Einstellung uns selbst gegenüber gilt, gilt auch für unsere Einstellung dem Leben gegenüber: Es antwortet auf unsere Haltungen und Meinungen wie ein Echo.
...
Je weniger du haben willst, desto eher hast du alles, was du willst.
Das ist das Geheimnis der Genügsamkeit.
Montag, 21. November 2016
Es gibt keine größere Macht, die Menschen bindet, als die Angst.
Angst, die nicht benannt wird, beherrscht das Leben.
Es gibt keine größere Macht, die Menschen bindet, als die Angst.
Wenn du Angst verspürst könntest du die Angst fragen: „Warum bist du gekommen? Was willst du mir sagen?“ Dann könntest du dir die deine Angst aus der Nähe ansehen und ihr ein Gesicht und einen Namen geben. Und dann warte geduldig, ob du aus irgendeinem Winkel deiner Seele eine Antwort bekommt.
Es ist in Ordnung Angst zu haben, sie ist ein gesundes Warngefühl, sie zeigt uns was in unserem Leben nicht stimmt. Im Grunde ist sie nicht unsere Feindin, sie ist sogar eine Freundin. Sie ist ein Freundin, die ein Anliegen hat. Sie will, dass wir etwas verändern, damit wir sie nicht mehr brauchen, sie will uns zwingen, innezuhalten und genau dort hinzuschauen, von wo wir den Blick schon lange abwenden.
Tun wir das nicht kann die Angst immer mächtiger werden. Sie kann so mächtig werden, dass sie sich in Panikattacken äußert. Sie muss ja so groß, so laut, so pochend, so überwältigend werden, damit wir endlich auf sie hören, damit wir uns endlich aufmachen und herausfinden was in unserem Leben oder in unserem Seelenhaus nicht stimmt.
Sich der Angst stellen, heißt ihr entgegen zu treten, sie zu verstehen versuchen und von ihr lernen wollen. Dazu braucht es Mut und der steht immer hinter der Angst. Wir könnten ihn uns zur Seite stellen und gehen, in die Angst hinein gehen, mutig wie der Held, der sich dem Drachen nähert. Je öfter unser Mut über unsere Angst siegt, desto mehr kommen wir in unsere Kraft, desto mehr trauen wir uns zu. Desto mehr trauen wir uns zu tun was wir wirklich wollen und was gut für uns ist.
Wir nehmen uns selbst und unsere Bedürfnisse ernst und setzen uns dafür ein, dank der Angst.
Und dann darf sie gehen.
Ja, das ist nicht einfach. Aber das hat uns auch keiner versprochen.
Freitag, 18. November 2016
Bodenlos
Foto: AW |
Wir alle haben Gerüste, Säulen auf denen wir unsere Leben aufgebaut haben, Menschen, denen wir vertraut haben, Gewohnheiten und Rituale auf die wir uns verlassen haben. Und dann plötzlich bricht etwas davon weg oder alles bricht weg. Und dann stehen wir da und sind erschüttert. Wir erfahren die Bodenlosigkeit unserer Existenz. Das macht Angst, das macht sogar große Angst, denn woran uns halten, wenn alles Vertraute uns verlassen hat?
Da helfen uns keine Worte wie: Du schaffst das, du bist stark, du wirst daran wachsen. Das sind Kopfworte, die der erschütterten Seele nicht helfen, denn sie fühlt das jetzt nicht, egal wie oft ihr das gesagt wird. Sie trudelt im leeren Raum, findet keinen Halt und fürchtet sich. Was machen wir mit dieser furchtsamen Seele?
Was machen wir wenn es keinen Halt und keine Hilfe da draußen für uns gibt? Wie uns selbst helfen wenn wir nach Hilfe rufen und keine Barmehrzigkeit erfahren? Wenn da nichts mehr ist, nur wir selbst und die Bodenlosigkeit? Ich habe darauf nur eine Antwort: Wir könnten Vertrauen üben in die Barmherzigkeit Gottes, vertrauen in die allumfassende Liebe, die uns bis hierhin getragen hat, vertrauen üben in uns selbst, denn wir sind göttliche Wesen. Wir sind zu viel mehr fähig als wir glauben, wir sind keine Opfer - wir sind Schöpfer, auch wenn wir das im Moment der Bodenlosigkeit nicht mehr glauben können. Wir sind fähig uns selbst zu halten. Und vielleicht ist es genau das, was die Erfahrung der Bodenlosigkeit uns lehren will: Uns selbst vertrauen.
"Fear is a natural reaction to moving closer to the truth”
Pema Chödrön
Mittwoch, 16. November 2016
Die Faszination des Narziss und warum manche von uns so magisch von ihm angezogen sind
Narziss von Caravagio |
Woran erkennen wir einen Narziss?
Er ist anstrengend.
Was Narzissten so anstrengend macht ist vor allem:
Ihr übersteigertes Bedürfnis nach Aufmerksamkeit, Anerkennung und Bewunderung: Ihr gestörtes Selbstwertgefühl braucht dauerhaft Streicheleinheiten und Applaus. Sie profilieren sich gerne und stellen sich bei jeder Gelegenheit in den Vordergrund.
Ihre mangelnde Kritikfähigkeit: Kritik verstehen sie als Bedrohung und können nur sehr schlecht damit umgehen. Bei der leisesten Kritik reagieren sie zutiefst beleidigt und greifen den Anderen an, um ihn abzuwerten. Oft werden sie dann aggressiv und verbal vernichtend.
Ihre mangelnde Empathiefähigkeit: Narzissten sind unfähig die Gefühle und Bedürfnisse ihrer Mitmenschen zu spüren und auf diese einzugehen. Da sie aber gute Beobachter und perfekte Schauspieler sind, können sie Empathie und Verständnis simulieren. Das tun sie aber nur dann, wenn sie vom Anderen etwas wollen, was ihnen selbst nützt. Ansonsten können sie nur schwer zuhören und lenken das Gespräch immer wieder auf sich selbst und überfrachten ihr Gegenüber mit dem Eigenen.
Der Narziss ist faszinierend.
Was Narzissten so faszinierend macht:
Eigenmarketing
Narzissten betonen immer ihre eigenen Qualitäten und Besonderheiten. Andere interessieren sie nicht, höchstens als niedriger Vergleichsmaßstab. Sie sind Spezialisten für ein übertriebenes neurotisches Eigenmarketing. Sie reden oft schnell und laut, sie „überreden“ den Anderen, weil er sie ja in Wahrheit nicht interessiert und sie nur sich selbst wahrnehmen können. Der Zuhörer fungiert als Spiegel, in dem sich die eigene narzisstische Grandiosität wiederspiegelt.
Eloquenz
Sie sind äußerst redegewandt, gehen offen und strahlend auf andere Menschen zu, zeigen sich interessiert und aufgeschlossen. Sie wirken gut informiert und haben ein breites Wissen. Sie machen großartige Komplimente wenn sie etwas für sich selbst erreichen wollen.
Unterhaltungswert
Sie sind Meister der Selbstdarstellung und können ebenso witzig wie faszinierend und unterhaltsam sein.
Selbstbewusstsein
Sie stellen sich stets sich in den Mittelpunkt, treten extrem selbstsicher auf, engagieren sich über die Maßen, wenn sie etwas wollen und können sich anderen gegenüber gut durchsetzen.
Der Narziss ist unsympathisch.
Was Narzissten so unsympathisch macht ist vor allem:
Ihre übersteigerte Gier nach Anerkennung und Bewunderung: Ihr gestörtes Selbstwertgefühl, das durch ein übersteigertes Selbstwertgefühlsgehabe, (man könnte es auch Grotzkotzigkeit nennen) kompensiert wird, braucht ständig Streicheleinheiten.
Ihre mangelnde Kritikfähigkeit: Kritik verstehen sie als Bedrohung und können nur sehr schlecht damit umgehen. Ein falsches Wort und es gibt Streit. Im Streit gilt es den Anderen klein zu hacken, was für den Narzissten fast schon überlebensnotwendig ist, denn der Verlust des fragilen Grandiositätsgefühls lässt ihn in depressive Zustände gleiten.
Der Narziss ist gefährlich.
Was Narzissten so gefährlich macht:
Manipulation
Narzissten können sich durchaus verständnisvoll und hilfsbereit geben, wenn Sie sich davon einen eigenen Vorteil versprechen. Das Umfeld wird manipuliert , um sich selbst in ein gutes Licht zu rücken und für sich selbst das Beste herauszuholen.
Abwertung
Narzissten haben eine Gabe andere grob verletzend und empfindlich abzuwerten. Ihnen fehlt sowohl Humor als auch die Fähigkeit zur Selbsterkenntnis. Sie sind unfähig Verantwortung für Fehler zu übernehmen und weisen andererseits jegliche Kritik als Abwertung von sich. Narzissten empfinden jegliche Kritik als existentielle Bedrohung, bestimmt von der Urangst möglichst nicht abgewertet zu werden und dem Wunsch, immer zu glänzen um die unterschwelligen Defizite damit zu verdecken.
In den Neunzigerjahren stellten der Psychologe Jonathan Cheek und sein Team fest, dass der Narzissmus zwei extreme Gesichter haben kann. Diese nannten sie so:
Großartigkeits-Exhibtionismus (Grandiosity-Exhibitonism)
Verletzlichkeits-Sensibilität (Vulnerability-Sensitivity)
Beide Varianten äußern sich in Formen von Arroganz und Egomanie. Vor allem der zweite Typ tritt nicht aggressiv auf, sondern erscheint auf den ersten Blick hochsensibel, beobachtend, taxierend, übervorsichtig und zurückhalten, was ihn wie einen introvertierten Charakter erscheinen lässt. Das ist jedoch eine Maske, schließlich ist es sympathischer für besonders sensibel und empathisch gehalten zu werden, statt für selbstverliebt, berechnend, kalt und aufmerksamkeitsheischend.
Warum sind Narzissten so?
Sie wurden zu dem gemacht, was sie sind.
Frühkindlichen Kränkungen gelten als biografische Wurzeln einer neurotischen narzisstischen Persönlichkeitsstörung. Narzissmus ist die Folge eines dauerhaften Entwicklungsdefizites und einer malignen Bindung zwischen Kind und Eltern, in der Lieblosigkeit, Gewalt, Übergriffigkeit oder im anderen Falle - zu viel Bewunderung für das Kind als narzisstische Ausweitung eines oder beider Elternteile herrschten.
Warum ziehen manche Menschen immer wieder Narzissten in ihr Leben?
Narzissten ziehen regressiv-narzisstische Menschen magisch an. Diese Menschen, auch Komplementärnarziss genannt, fühlen sich tief im Inneren wertlos. Sie machen sich klein, weil sie sich klein, unwichtig und unbedeutend fühlen und vor allem: Sie sind davon überzeugt nicht liebenswert zu sein Das selbstsicher erscheinende narzisstische Gegenüber, steht quasi im Schlagschatten der eigenen Minderwertigkeitsgefühle und wertet so das als unbedeutend und minderwertig empfundene Selbstbild auf. Zudem neigt der regressiv-narzisstische Mensch dazu sich unterzuordnen und zu "dienen", was jedoch in Folge eine emotionale Abhängigkeit produziert.
Kollusion
Zur Kollusion (Konflikt) in solchen Beziehungen kommt es dann, wenn sich die unbewussten Muster und Erwartungen nicht mehr automatisch gegenseitig einlösen und es nicht mehr ertragbar ist, dass der Eine zu selbstherrlich und verletzend ist und der andere ihm trotz aller Demütigungen dennoch weiter nachläuft und um Liebe bettelt, oder sich nur noch kritisierend und anklagend äußert. In diesem Moment verliert die Beziehung ihren beiderseitigen Benefit.
Was für den Selbstsüchtigen gilt, gilt auch für den narzisstischen Menschen. Dessen allgegenwärtiges Interesse ist es weniger, sich Dinge anzueignen, als vielmehr sich selbst zu bewundern. Oberflächlich betrachtet scheinen diese Menschen in sich selbst verliebt zu sein; in Wirklichkeit aber können sie sich nicht leiden, und mit ihrem Narzissmus wie mit der Selbstsucht kompensieren sie einen grundlegenden Mangel an Selbstliebe. Freud hat betont, dass der Narzisst seine Liebe vom anderen zurückzieht und auf die eigene Person richtet. Der erste Teil dieser Behauptung ist richtig, der zweite ist ein Trugschluss. Er liebt weder die anderen noch sich selbst.
Erich Fromm, Die Antwort der Liebe
Freitag, 11. November 2016
Dienstag, 8. November 2016
Herzrasen III
Sonntag, 6. November 2016
Die Angst vor der Einsamkeit
Foto: A. Wende |
Seltsam, im Nebel zu wandern!
Einsam ist jeder Busch und Stein,
Kein Baum sieht den andern,
Jeder ist allein.
Voll von Freunden war mir die Welt,
Als noch mein Leben licht war;
Nun, da der Nebel fällt,
Ist keiner mehr sichtbar.
Wahrlich, keiner ist weise,
Der nicht das Dunkel kennt,
Das unentrinnbar und leise
Von allen ihn trennt.
Seltsam, Im Nebel zu wandern!
Leben ist Einsamsein.
Kein Mensch kennt den andern,
Jeder ist allein.
Hermann Hesse im November 1905 in seinem Gedicht „Im Nebel“
Jeder von uns kennt das Gefühl der Einsamkeit. Jeder von uns fühlt sich hin und wieder einsam. Und mache von uns fühlen sich dauerhaft einsam, auch wenn sie mit Menschen zusammen sind. Das ist die innere Einsamkeit, geboren aus der Erfahrung, dass das, was uns tief berührt unteilbar ist, gekoppelt mit dem Wunsch es teilen zu können, der unerfüllbar bleibt.
Einsamkeit hat viele Gesichter. Die meisten sind unschön, aber das schrecklichste Gesicht ist das der Angst, die die Einsamkeit manchen Menschen macht.
Ob uns die Erfahrung einer Zeit der Einsamkeit in den inneren Frieden führt und zu unserem eigenen besten Freund macht oder zum ängstlichen Kind werden lässt, das im Alleinsein Todesängste aussteht, liegt darin wie wir Einsamkeit bewerten. Und wie wir sie bewerten ist bedingt durch die Erfahrungen unserer Biografie. Wer als Kind allein gelassen wurde, sei es emotional oder indem die Eltern tatsächlich nicht fassbar waren wenn das Kind sie brauchte, für den ist Einsamkeit eine existentielle Bedrohung. Das ist sie natürlich nicht, aber gefühlt ist sie ist. Was wir fühlen ist für uns wahr, da kann der Verstand noch so sehr das Gegenteil behaupten.
Ein alleingelassenes Kind ist traumatisiert. Es keine verlässliche Bindungserfahrung gemacht, es hat keinen Halt gefunden in seinen Bezugspersonen, es hat keine Sicherheit gefunden, es war sich selbst und dem angstbesetzten Erleben überlassen, sich selbst nicht halten zu können. Wie auch? Ein Kind kann und muss sich nicht selbst halten.
Diese kindliche Erfahrung brennt sich in das emotionale Gedächtnis ein. Sie ist in jeder Zelle gespeichert, denn Angst ist ein Gefühl das mit körperlichen Reaktionen einhergeht. Diese merkt sich der Körper und verinnerlicht sie. Das Gehirn ruft genau diese Gefühle ab, sobald der Erwachsene sich allein und verlassen fühlt. Einerseits ist das schmerzhaft und bitter, andererseits liegt darin eine große Chance. Nämlich die Chance aufzuarbeiten, was uns als Kind widerfahren ist und was wir damals fühlten um zu lernen, dass wir heute nicht mehr dieses mutterseelenallein gelassene heimatlose zerbrechliche kleine Wesen sind, das wir einst waren, um zu lernen, dass wir heute nicht mehr das Opfer sind und uns selbst helfen können, weil wir groß sind und erwachsen und weil wir heute wählen können. Wir können wählen uns anders mit der Angst auseinanderzusetzen als damals, wir können lernen, uns ihr zu stellen und mit ihr zu leben. Und wir können lernen sie auszuhalten, ohne dass sie uns klein und immer kleiner macht.
Wenn wir in eine Phase tiefer Einsamkeit geraten, weil uns der Partner verlassen hat, weil wir einen lieben Menschen verloren haben oder weil wir in einer fremdem Stadt landen, in der wir keinen Menschen kennen, dann konfrontiert uns das Leben mit dieser Erfahrung damit wir die Veränderung angehen. Es ist ein Ruf an uns genau dieses Thema anzuschauen und es zu lösen, damit wir nicht ein Leben lang mit einer traumatischen Wunde herumlaufen, die uns zu Opfern unserer Angst macht. Denn genau das macht sie, die Angst, sie macht uns zu Opfern, zu Abhängigen von der Aufmerksamkeit und Zuwendung anderer.
Jede Form der Abhängigkeit ist Sucht und Sucht bedeutet, je länger sie andauert, Siechtum. Wir siechen dahin in einem Leben, das sich auf eine Substanz oder etwas ausrichtet, was wir ständig brauchen um etwas nicht aushalten zu müssen. Die Droge beherrscht unser Denken, unser Fühlen und bestimmt unsere Handlungen. „Wir geben zu, dass wir dem Alkohol gegenüber machtlos sind, und unser Leben nicht mehr meistern können.“ So lautet der erste Schritt im 12-Schritte-Programm der Gemeinschaft der Anonymen Alkoholiker, das in den dreißiger Jahren ausgearbeitet wurde. Die 12 Schritte enthalten ein lebensveränderndes Programm, das sich in den vergangenen Jahrzehnten bewährt hat und von vielen Fachkliniken als Grundlage für Therapiemaßnahmen übernommen wurde. Im Falle der Angst vor der Einsamkeit könnte es heißen: "Ich gebe zu, dass ich der Einsamkeit gegenüber machtlos bin und mein Leben ohne die Aufmerksamkeit und Zuwendung anderer nicht mehr meistern kann."
Wer sich vor der Einsamkeit fürchtet für den sind Menschen das Suchtmittel.
Das klingt hart. Es ist beängstigend zu erkennen, dass ich es alleine mit mir nicht aushalte. Aber es ist die schmerzhafte Wahrheit. Aber wie alle Wahrheiten trägt sie das Potenzial in sich uns frei zu machen. Frei von der Abhängigkeit, die uns dazu bringt Dinge zu tun, die wir nur deshalb tun, weil wir keine anderen Strategien und Möglichkeiten haben. Wer Angst vor der Einsamkeit hat tut unendlich viel um nicht alleine sein zu müssen, er arrangiert sich mit destruktiven Beziehungen, die seinen Bedürfnissen nicht entsprechen nur um das Bedürfnis nicht allein sein zu müssen zu erfüllen. Er lässt Dinge sein, die er gerne tut, wenn der Andere sie nicht mit ihm teilen will, er tut alles für den Anderen nur um nicht allein gelassen zu werden. Er ist ein Spielball seiner Angst und macht sich so zum Spielball für andere und letztlich damit auch ziemlich unattraktiv. Er hat sein Leben nicht im Griff und legt es in fremde Hände um den Halt zu spüren, den er sich selbst nicht zu geben vermag. Mit anderen Worten: Dieser Mensch lebt fremdbestimmt von seiner Sucht.
Angst vor dem Alleinsein in ihrer extremen Ausprägung kann Menschen dazu bringen, andere dazu zu bringen ihnen die emotionale Sicherheit und die Garantie für den eigenen Wert zu liefern.
Das führt dazu sich ständig mit Anerkennung von Außen zu füttern um zu bekommen, was man in sich selbst nicht spürt. Man kann sich nur annehmen, wenn andere einen annehmen, man kann sich nur mögen, wenn andere einen mögen, man ist stets bestrebt alles dafür zu tun eine heile Welt zu kreieren - die heile Welt einer illusionistischen Kindheit, die so nicht war, die heile Welt der Sicherheit, die nur dann gefühlt wird, wenn man mit anderen zusammen sein kann.
Das fehlendes Urvertrauen, das fehlende Vertrauen in sich selbst und in die eigene Kraft, in den eigenen Wert und den Wert, den man für andere Menschen hat – all das sind Themen, die die Angst vor der Einsamkeit ins ich trägt.
Fehlende Selbstständigkeit, fehlendes Selbstbewusstsein, ein Mangel an Selbstwertgefühl und ein Mangel an Erfahrung gelebter Selbstwirksamkeit, führen dann zu einer chronisch übertriebenen Rücksichtnahme auf andere. Sozialer Kontakt fungiert als Betäubung der inneren Leere und der Traurigkeit des von aller Welt verlassen seins. Immer muss sich die Angst vor dem Alleinsein die Aufmerksamkeit der oder des Anderen sicher wissen, sich bemuttern lassen oder selbst bemuttern um Liebe zu spüren und um Gehaltensein zu erfahren. Wer sich mit sich allein fürchtet erträgt es nicht unbeschäftigt zu sein. Er hat keine Mittel um seine innere Leere und seine ohnmächtige Langeweile selbst zu füllen, er ist ständig bestrebt von anderen beschäftigt und gefüllt zu werden, um der Angst, sich mit sich selbst beschäftigen müssen, zu entkommen. Aber nichts davon hilft dauerhaft, nichts trägt, das sich Füllen lassen ist ein Fass ohne Boden.
Es gibt auch Menschen, die in die selbstgewählte Isolation gehen. Sie wählen den Schmerz der Einsamkeit selbst.
Sie verlassen alles, weil sie sich verraten, enttäuscht und von der Welt und den Menschen verlassen fühlen, weil sie sich unverstanden und ungeliebt fühlen. Sie schließen die Tür zum Außen und ziehen sich in ihre eigene Welt zurück, in der Illusion, da drinnen sicher und unverletzbar zu sein. Diese Menschen haben in der Kindheit lernen müssen, dass Alleinsein der einzige Platz ist an dem man ihnen nichts Böses tut. Die selbstgewählte Einsamkeit ist für sie etwas zutiefst Vertrautes, ein Ort der Spendid Isolation, wo sie nichts und niemand mehr sie berühren oder verletzen kann, nur noch der eigene innere Schmerz, der dann zu einem Leiden am Leben selbst wird.
Aber jetzt sind all diese Menschen erwachsen. Sie sind keine Opfer mehr von denen, die sie dazu gemacht haben. Sie sind fähig selbst wieder gut zu machen, was man ihnen angetan hat. Das bedeutet Arbeit und die geht langsam, aber es geht. Schritt für Schritt geht das.
Es gibt eine Menge hilfreiche Mittel und Wege um in sich selbst inneren Halt zu finden. Anstatt sich mit der Nähe und der Aufmerksamkeit durch andere zu nähren, kann man lernen, sich mit Aktivitäten, die Freude bereiten und in denen man sich selbst spüren kann, zu bereichern und selbst zu füllen. Malen und Lesen z.B., das bestätigen viele Studien werden als angstlindernd und stimmungsaufhellend empfunden. Das Ziel dieser Tätigkeiten für uns selbst ist es das aufzubauen, was dem, der Angst vor der Einsamkeit hat, fehlt: Liebevolle Nähe zu sich selbst, Selbstliebe und Selbstmitgefühl.
Erfahrungsgemäß sind weitere hilfreiche Techniken, um Nähe zu sich selbst aufzubauen und sich innerlich zu stärken:
Die
Schreibtherapie
Indem wir unsere
seine Gedanken und Ängste aufschreiben kommen wir in tiefen Kontakt mit uns
selbst.
Die Übung des
Selbstmitgefühls
Dazu gibt es hilfreiche Bücher und CDs von Kristin Neff. Dazu gehört u. a. auch die Hand
auf’s Herz-Methode: Man legt die Hände ruhig auf sein Herz während man die
Augen schließt und ruhig atmet.
Der Dialog mit dem
Inneren Kind
Es braucht Übung
um einen emotionalen Zugang zu diesem verletzten Anteil unserer Persönlichkeit
zu finden, um zu lernen ihm gut zuzusprechen und ihn zu beruhigen. Hat man
diesen emotionalen Kontakt im Zuge der Inneren-Kind-Arbeit herstellen können, führt man den Dialog so als
würde man zu einem verängstigten Kind sprechen. Man fragt es, was es gerade
fühlt oder was es befürchtet, man nimmt seine Ängste und Gefühle ernst und
erklärt ihm wie eine gute Mutter, dass man bei ihm ist, es lieb hat und für es
sorgt. Aus all dem bekommen wir wertvolle Einblicke in die Ursachen und in die
Dynamik der Angst vor dem Alleinsein, aus denen man wiederum Ansätze für
hilfreiche und heilsame Verhaltensänderungen finden und erlernen kann. Wenn all das nicht
wirkt – es ist kein Zeichen von Schwäche sich professionelle Hilfe zu holen.
Niemand ist für immer einsam. Aber die Angst es könnte immer so sein, führt dazu, dass es so sein könnte.
Mittwoch, 2. November 2016
Wenn das Herz aus dem Takt springt
Dauerhafte berufliche Höchstbelastungen, wie auch andere psychische, vor allem konfliktbedingte Überlastungen gelten als Prädiktor von Herzerkrankungen. Belastung ist hier nicht nur als objektiver Faktor zu verstehen, sondern subjektiv empfundene chronische Überanstrengung. Wenn zusätzlich geringe psychosoziale oder ökonomische Gratifikationen erfolgen oder gar schwerwiegend empfundene Misserfolge, Niederlagen oder Krisen eintreten, steigt die Gefährdung.
So zu lesen in "Psychokardiologie heute" von Jochen Jordan, Benjamin Bardé, Andreas Michael Zeiher.
Viele Menschen kennen es: Herzstolpern, Herzjagen, Tachykardien, Extraschläge, Herzflattern. Manche haben sogar einen Infarkt des Herzens erleben müssen. Eine Herzproblematik ist, wie es die Psychokardiologin Despina Muth-Seidel und ihre drei Co-Autoren, in ihrem Buch "Leben mit Herzrhythmusstörungen" beschreiben, ist "Eine Welle, die dich im Inneren überrollt und deren Bedrohung du nie einschätzen kannst."
Herzprobleme machen Angst.
"Viele Menschen mit Herzproblemen haben die wahre Bedeutung des Begriffs Todesangst kennen lernen müssen und die innere Kälte der Einsamkeit in ihrer Herzerkrankung erfahren", schreibt die Autorin. Aus eigener Erfahrung weiß ich: Ja, so ist es. Wenn das Herz aus dem Takt gerät, wenn es immer wieder kurz aussetzt oder wenn es aus heiterem Himmel ohne Grund wie wild losrast, erleben wir den totalen Kontrollverlust. Das Erleben von Kontrollverlust ist eine traumatische Erfahrung, die das Leben auf einen Schlag verändert. Kontrollverlust: Dieses Gefühl ist das Hauptelement der Angst.
Ein Mensch mit einem Herzproblem ist plötzlich ein anderer Mensch als er es davor war. Das Leben ist anders als zuvor.
Vieles was vorher möglich war, was selbstverständlich war, ist es nicht mehr. Nicht selten werden Herzpatienten zu Angstpatienten. So wie auch Angstpatienten zu Herzpatienten werden können.
Der Kardiologe kümmert sich um das körperliche Problem aber ansonsten sind Betroffene weitgehendst allein gelassen. Allein mit deiner Angst, die Gesunde nicht im Geringsten nachvollziehen können. Heute weiß man längst, Herzrhythmusstörungen sind kein monokausales Problem, sondern ein ganzheitliches.
Herz und Seele sind untrennbar miteinander verbunden. Herzkranke brauchen nicht nur medizinische Hilfe, was sie vor allen brauchen ist seelischer Beistand.
Was nicht leicht zu bekommen ist, denn nicht jeder Therapeut versteht die Dramatik, die eine Herzerkrankung in sich trägt und nur in wenigen Städten gibt es Psychokardiologen, Spezialisten, die Betroffenen helfen mit der Angst um das unberechenbar gewordenes Herz umgehen zu lernen. Mit dieser Angst nicht allein gelassen zu sein ist viel wert.
Der angemessene und hilfreiche Umgang mit der Angst ist ein wesentlicher Faktor, denn nicht selten entwickelt sich gerade bei Herzrhythmusstörungen ein gefährlicher Kreislauf von Angst und Ryhthmusstörung. Sie kann zum Auslöser werden und Tachykardien triggern.
Das Buch, das ich Betroffenen an dieser Stelle empfehlen möchte, ist sehr hilfreich. Es hilft zwar nicht die Angst zu vertreiben, dazu braucht es oft professionelle Hilfe, aber es hilft zu verstehen. Ein Mensch, dessen Herz immer wieder aus dem Takt rast, braucht Verständnis und das Gefühl ernst und angenommen zu werden. Im besten Falle bekommt er Fürsorge. Gerade wenn das Herz sich meldet sind menschliche Wärme und Zuwendung immens wichtig. Aus eigener Erfahrung weiß ich wie wenig es hilft, einem Menschen, der ein krankes Herz hat zu sagen: Lenk dich ab, mach dich nicht verrückt, komm mal wieder in die Spur, so dramatisch ist das doch nicht. Du packst das schon, denk halt nicht immer dran!
Im Gegenteil, solche Worte sind nicht hilfreich, sie versetzen den Betroffenen in ein Gefühl von Wut und Ohnmacht. Und das ist gar nicht gut für ein angeschlagenes Herz.
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