Mittwoch, 28. November 2012

welt unter gang




ich schreibe
schrei (b) e mir die seele raus 
schwarz auf weiße unterlagen

ich muss mich beeilen
die welt geht unter

ich schreibe 
obwohl sie untergeht

wenn sie untergeht
wird das keiner mehr lesen

also macht es keinen sinn, das schreiben
könnte man sagen

ich könnte das sagen
ich schreibe 
ob die welt untergeht
oder nicht

ich schreibe
weil ich sonst vorher untergehe.

Dienstag, 27. November 2012

WUT






 wut 
auf das
was ich sehe
was ich höre
was ich spüre
 wenn ich raus gehe
offenen auges

wut
auf die grauen gestalten 
an bunten plastiktüten klebend
mit verlorenem lächeln 
wann
wo
warum

wut
weil die einen nichts haben
und die anderen zu viel 

wut
weil ich weiß
dass alle wissen
dass es so wie es ist ungut ist
und nichts tun

wut
wenn ich sehe
wie ungerecht das leben sein kann
und wahllos in seiner zerstörung

wut 
wenn ich die dankbarkeit vergesse
dafür, dass ich lebe
 ein dach über dem kopf habe
und vergesse
dass es keine selbstverständlichkeit ist

wut 
wenn ich meine ohnmacht begreife
die sich an worten festhält und nichts verändert

wut 
zu sehen
wie sie sich die liebe wünschen
und nicht einmal wissen
was die liebe für sich für sie wünscht




Freitag, 23. November 2012

FREIHEIT III





freiheit ist 
tun, was man tun muss, was drängt, von innen ins aussen
ohne darüber nachzudenken, was andere denken

freiheit verträgt
keine ziele, keine pläne und keine erwartungen

freiheit ist 
absichtsloses tun
niemals orientiert an einem etwas, was aus dem tun werden könnte, 
werden sollte oder werden muss

freiheit ist
unabhängig sein von der anerkennung durch andere

freiheit ist
flow
es fließen lassen

freiheit ist 
fraglos
dem inneren fluß folgen


Donnerstag, 22. November 2012

so einfach ...


anna saß am frühstückstisch und rührte in ihrem milchkaffee. ich versuchte sie anzusehen ohne, dass sie es bemerkte. früher, ganz am anfang, hatte ich sie angesehen und meinen blick nicht verborgen. bis sie mir sagte, es mache sie unsicher angesehen zu werden und dass sie sie sich dann beobachtet fühlte. ich musste sie ansehen, ich konnte nicht anders, tat es weiter, unbemerkt, wie ich glaubte. sie bemerkte es doch. auch an diesem morgen bemerkte sie es.

hör auf mich anzustarren, paul, du weißt wie ich das hasse, schnauzte sie mich an, mit ihrer üblen morgenlaune, aus der sie der kaffee nicht retten konnte. ich brauche menschenleeren raum, setzte sie nach, sonst ersticke ich. ich sollte gehen, hieß das. paul musste gehen, weil anna menschenleeren raum zum atmen brauchte. was ich dabei fühlte schien ihr egal zu sein.

ich nahm meine tasse, ging ins andere zimmer und öffnete das fenster um eine zigarette zu rauchen. gut, ich würde gehen, sie allein lassen mit ihrer schlechten laune. ihre laune würde sich bessern, ich kannte auch das. wenn anna eine zeit lang alleine war ging es ihr besser. es war als würde sie dabei auftanken, kraft sammeln. ich fragte mich, wieso sie ihre kraft nicht spüren konnte, wenn ich bei ihr war? ich atmete den rauch der zigartte aus und blies graue wölckchen gegen das grau des novembermorgens.

sie war eben anders als ich, der die nähe liebte, dem es gefiel am morgen in ein gesicht zu blicken, zu lächeln, dankbar dafür, dass da dieses andere gesicht war,  ich nicht allein war. ich war nicht gern allein, etwas anderes zu behaupten wäre gelogen. ich konnte zwar gut alleine sein, aber immer war da die sehnsucht, die dinge und die gedanken teilen zu wollen. für anna war alleinsein ein grundbedürfnis wie essen, trinken, schlafen oder atmen, eben. ich dachte, man hätte sie eher in eine einzelzelle stecken können, als in einen vergnügungspark einschließen, das wäre für sie die härteste strafe. wir stritten immer dann, wenn wir viel zeit miteinander verbracht hatten. sie hielt meine nähe höchstens drei tage hintereinander aus, dann kam der moment, in dem sie unruhig wurde. es war eine aggressive unruhe, die sich im raum ausbreitete wie ein giftiger nebel. darin verschwand sie langsam, bis sie unsichtbar zu werden schien.

ich ärgerte mich, dass ich den moment wieder einmal verpasst hatte. ich hätte weg sein müssen an diesem morgen und war geblieben. sie machte es mir nicht leicht, weil sie schwer war und ich wurde schwer, weil ich es ihr nicht leichter machen konnte. dabei wäre es so einfach, dachte ich, wenn ich mit leichtigkeit früher gegangen wäre, an diesem morgen.


Mittwoch, 21. November 2012

Die Liebe bewahrt nicht




es war einer dieser tage, an denen ich sie nicht mehr fassen konnte. anna bewegte sich von mir weg. in wahrheit bewegte sie sich von allem weg. in dieser wegbewegung, die schleichend vor sich ging, lag etwas unheimliches. etwas, das mir angst machte. ich spürte, dass sie auch angst hatte. es war eine angst ohne namen.

ich erinnerte mich, wie sie ein mal zu mir sagte: gib der angst ein gesicht, schau sie dir an und dann sprich mit ihr, frag sie, wer sie ist, woher sie kommt, wie alt sie ist oder welches bild von einem unbekannten morgen sie dir malen will. das macht sie kleiner, weniger bedeutungsvoll. du beobachtest sie und das heißt, du hast die macht und nicht sie.

es hatte lange zeit funktioniert. es funktionierte nicht mehr, nicht bei anna und nicht mehr bei mir und das machte mir noch mehr angst. ich hatte angst sie zu verlieren. nicht an einen anderen mann, das hatte ich oft befürchtet, ja, sogar erwartet, ich verlor sie an sich selbst und das jeden tag mehr. ich wusste nicht, was dieses selbst war an das ich sie verlor. wie konnte ich es auch wissen, ich wusste nicht ein mal wer ich war. ein konstrukt meiner konstruktion eines selbst mit dem ganzen ballast meiner geschichte, die ich in mir trug? wer ich wirklich war? ich hatte keine ahnung. ob sie es wusste, ob sie wusste, wer sie war, wohin sie ging, wenn sie sich in sich selbst einschloss?

die fragen in meinem kopf brannten wie ein feuer. warum war da so viel schmerz zwischen ihr und mir, wo doch liebe sein sollte? war es möglich, dass schmerz die liebe ausschloss?

der gedanke machte mir noch mehr angst. angst um mich selbst und um anna, die in ihrem schmerz zu versinken schien. ich würde sie verlieren, weil sie sich an sich selbst und diesen schmerz verlor, in einer weise, die das aussen verdrängte, bis es sich gänzlich verflüchtigen würde. wo wäre sie dann? in einer eigenen welt, die  sie unerreichbar machen würde, für sich selbst und für mich?

ich war ratlos in meiner angst. das machte sie noch bedrohlicher. anna war die bedrohung, schoss es mir in den kopf, für sich selbst, für mich und alle, die sie liebten. die liebe hilft nichts, dachte ich, sie bewahrt nicht vor leid, uns selbst nicht und die, die wir lieben nicht.





Montag, 19. November 2012

In diesem Moment


wie geht sterben, paul? sie fixierte meinen blick mit ihren braunen eichhörnchenaugen, die ich so liebte und die ich manchmal nicht ertragen konnte, weil mir die traurigkeit, die darin lag, das herz zerriss.

anna, ich weiß es nicht. woher bitte soll ich wissen, wie sterben geht? ich bin ebensowenig darin geübt wie du. sie gab mir ein bitteres lächeln. mit deinem sarkasmus machst du es nicht besser. wir müssen alle sterben, es ist ganz normal mir gedanken darüber zu machen, wie es geht. du nimmst mich nicht ernst. ich hasse es, wenn du mich nicht ernst nimmst.

ich beschloss sie ernst zu nehmen. sie hatte recht, manchmal nahm ich sie nicht ernst. es war reiner selbstschutz, um nicht verrückt zu werden. also? sie sah mich provozierend an. nimmst du mich jetzt ernst? ich nickte, spürte wie die wut in mir hoch kroch, diese hilflose wut, die sie in mir auslöste mit ihren dunklen gedanken. wie ich diese gedanken hasste. sie verschwanden manchmal für stunden. dann war sie ausgelasssen und lebendig wie ein kind. sie brachte mich zum lachen, sie brachte andere zum lachen, alles war gut und ich wünschte mir diese lebendige, lachende anna für mich und für sie. aber mein wünschen verlor sich in der realtität, die alles andere war als lachend, die mich allenfalls fies angrinste, als wolle sie mich verhöhnen.

pass auf, freu dich nicht. ihre mutter hatte ihr beigebracht, dass freude etwas war, dem man nicht trauen konnte, weil es niemals blieb. annas mutter hatte dem flüchtigen ein misstrauen zugrunde gelegt, das kind verunsichert, ihm angst gemacht sich zu freuen. freude war für anna ein vorbote des schlechten, das kommen würde, wie eine strafe für das schöne, das gewesen war. ich verachtete annas mutter dafür und an manchen tagen verachtete ich anna dafür, dass sie es nicht aus sich heraus bekam, dieses misstrauen. das misstrauen und anna schienen miteinander verwachsen. ich fragte mich, was passieren würde, wenn man es aus ihr herausrisse, aber ein herausreißen war sowieso nicht möglich. anna lebte mit dem misstrauen gegen das leben und ich lebte mit annas misstrauen unser gemeinsames leben.

ich spürte, wie sich das misstrauen gerade in eine große lebensangst verwandelte, einem dämon gleich, der die macht übernommen hatte. er sah mich fordernd aus annas eichhörnchenaugen heraus an. los paul, sag, was denkst du, wie geht sterben?

ich schnaufte tief durch, nahm mir eine kippe aus der schachtel, die auf dem tisch lag und zündete sie an. ich tat zwei tiefe züge. ich habe keine ahnung, anna. darüber denke ich nicht nach. ich lebe und du lebst, wir leben, jetzt, in diesem moment leben wir. also, was macht es für einen sinn über das sterben nachzudenken?

pah! sie fauchte mich an. dieser moment, mein lieber, ist schon vorbei.

anna, sei nicht kindisch. kein mensch weiß, wie sterben geht. du weißt, wie blödsinnig deine frage ist. man kann sterben nicht lernen. das lernst du dann, wenn es ans sterben geht. du sitzt hier mit mir am tisch. wir haben gut gegessen, wir trinken wunderbaren rotwein, wir hatten einen schönen tag und du sagst mir, du willst wissen, wie sterben geht.

ja, ich sage das, weil ich es wissen will.

ich kochte innerlich. am liebsten wäre ich aufgestanden und hätte sie verlassen, in diesem moment, für immer. sie verdarb mir den abend. sie verdarb mir so viele abende. ich ließ mir die abende verderben und die tage und das leben, mein leben, das endlich war. ja, es war verdammt noch mal endlich. ich musste sterben und ich hatte keinen blasser schimmer, wann das sein würde.

ich kam runter von meiner wut. anna was ist los? ich machte den versuch, sie in den arm zu nehmen. sie schüttelte mich ab. was los ist? ich habe dich etwas gefragt und du tust nichts anderes, als mir klarmachen zu wollen, dass meine frage sinnlos ist.

das ist sie auch, anna. du kannst doch keine frage stellen, von der du genau weißt, dass es keine antwort gibt.

doch paul, das kann ich.

aha. ich war fassungslos. du stellst eine frage, auf die es keine antwort gibt und sagst, das kannst du. das wird ja immer sinnloser. anna, hallo! komm zurück. komm hierher in diesen moment. alles ist gut, jetzt in diesem moment ist alles gut!

sie nickte, o.k., jetzt bin ich in diesem moment, paul.

und, alles gut, anna?

in diesem moment frage ich mich, wie sterben geht.


Dienstag, 13. November 2012

Sicherheit





ich bin müde, sage ich zu ihm, müde von der anstrengung. ich hab es satt, wofür soll ich mich anstrengen? sie strengt mich an, die anstrengung. und weiß du, was die die größte anstrengung ist? sich der zukunft entgegen zu denken. wir planen und organisieren die zukunft, im glauben sie dadurch berechenbar zu machen. das ist anstrengend.

er klappt den laptop zu, sieht mich an, ich muss planen, das geht nicht anders. ich muss für meine zukunft sorgen, wir alle müssen das.

wenn ich an die zukunft denke, schiebt mich das von mir weg. das zukunftsdenken ist ungesund. es ist ungesund den tag in aufeinander folgende sequenzen einzuteilen, die sich mit zukünftigem beschäftigen. du hast einen termin und während du ihn hast, denkst du schon daran was er dir bringt und du denkst an den nächsten und was der dir bringt. ist das nicht anstrengend? du hast einen job zu machen und während du ihn machst, kümmerst du dich schon um den nächsten.

ja, aber wir funktionieren so, die wirtschaft, das ganze system funktioniert so.

ja, deine welt, die glaubt so zu funktionieren. und, wie geht dir damit?

er schüttelt den kopf, darüber denke ich nicht nach, ich muss funktionieren. wir alle müssen das.

und wir geht es allen damit?

keine ahnung, das interessiert mich auch nicht.

sie spüren sich nicht mehr. sich spüren sich selbst nicht und sie spüren die zeit nicht. wie wollen sie auch zeit spüren, die noch gar nicht stattgefunden hat? wer immer im zukünftigen denkt, dem geht das gefühl verloren für das, was jetzt ist, für das, was jetzt zu spüren ist, für das, was jetzt, in diesem moment ist und möglich ist. wer sich selbst nicht spürt ist unsicher.

es gibt keine sicherheit, meinst du, das weiß ich nicht. aber ich kann zumindest vorsorgen.

macht dich das sicherer, hast du das gefühl so sicherer zu sein?

nein, wenn ich ehrlich bin, nein.

da draußen herrscht eine große unsicherheit. und sie können deshalb keine sicherheit spüren, weil sie gedanklich in der zukunft hängen, ohne netz und doppelten boden. pläne sind kein netz, pläne sind möglichkeiten mit einem unbestimmten ausgang.

hör auf so zu reden, das macht mir angst.

ich weiß. wer sich immerzu in die zukunft denkt, wer sie planen will, wer sich absichern will, der hat angst. er hat angst vor dem unvorhersehbaren. wer sich an den moment hält, hat zumindest für diesen moment boden unter den füßen, und das lässt ihn einen kurzen augenblick erleben, dass es eine sicherheit gibt.




Montag, 12. November 2012

nacht

nacht
endloses labyrinth 
schweigend
sich verirren
im zweifel

schlaflos in der unterwelt




die nacht war kurz. in letzter zeit schlafe ich schlecht. ich träume viel, wache immer wieder auf und schlafe nicht wieder ein und um fünf uhr früh bin ich hellwach und todmüde zugleich. vielleicht liegt es daran, dass ich zu unregelmäßigen zeiten ins bett gehe. das ist ungesund, der mensch braucht einen schlaf-wach-rhythmus. wer keinen rhythmus hat, braucht sich nicht zu wundern, weder über schlechten schlaf noch über schlechte gesundheit. körper, geist und seele verlangen nach regelmäßigkeit. ich sollte mir das zu herzen nehmen, in meinem alter. langsam machen und gut für mich sorgen und das regelmäßig. regeln müssen her, regelnde regelmäßigkeiten, befindet mein erwachsenenich.

regeln? höhnt meine rebellische seite. du hast doch noch nie regeln befolgt. darum ist ja auch so einiges aus dem ruder gelaufen, meine liebe, meldet sich mein erwachsenenich. da ist was dran, muss meine rebellische seite zugeben, wenn auch ungern. also, du wirst ab heute regelmäßigkeit einführen, damit du noch ein paar jährchen hinter dich bringst, wäre doch schade um dich, meint mein erwachsenenich. die rebellion schweigt und denkt nach. das bedeutet disziplin, kommt es ihr nach einer weile, und die findet sie langweilig. mein erwachsenenich ist da anderer meinung. du brauchst deinen schlaf, wer zu lange schlafprobleme hat, wird sie nicht mehr los. das schleift sich ein, das manifestiert sich,
das macht krank. das führt zu tagesmüdigkeit, reizbarkeit, konzentrationsstörungen, deine leistungsfähigkeit nimmt ab, du bekommst magenprobleme, im zweifel herz- und kreislauferkrankungen, dein immunsystem wird geschwächt, ganz zu schweigen von den vorzeitigen alterserscheinungen und einer verringerten lebenserwartung, die so eine  dauerhafte insomnia mit sich bringt. oha, das hört sich gar nicht gut an, schluckt mein erwachsenenich, die unfrohe botschaft. und dann, mit erhobenem zeigefinger: also schaff ab sofort regelmäßigkeit und das heißt, dass du immer zur selben zeit ins bett gehst und aufstehst. na, dann wird das mit der alten noch langweiliger als es eh schon ist, denkt die rebellion und zieht sich schmollend zurück.

ich denke nach, denke, dass das sinn macht mit der disziplin und der regelmäßigkeit und dann wieder doch nicht, weil mein nichtschlafenkönnen damit nicht auschließlich zu tun hat. ich habe sorgen und das gedankenkarussell lässt sich nicht um des schlafes willen abstellen. außerdem, werde ich alt. das ist eine nicht zu leugnende tatsache, das altern ändert so manches in körper, geist und seele. da greifen die alten mechanismen nicht mehr, meine liebe rebellion, sage ich und dass ich deshalb auch vieles an sorgen nicht mehr so leicht wegstecke wie früher. im altern tritt etwas neues in unser leben und wir werden dünnhäutiger. ich vermute, dieses neue tritt seite an seite mit den sorgen auch nachts in mein leben, und das gesamtpaket lässt sich nicht wegschlafen.

es ist die unterwelt, die sich meldet im dunkel der nacht.
hm, wer sagt das jetzt eigentlich? ich vermute die erwachsene in mir. die rebellion will so etwas gar nicht denken. unterwelt, so ein blödsinn, hier oben spielen die musik und das leben. sie schmollt weiter.

ja, aber da unten landet das leben, und zwar das, was du am tag zu verdrängen suchst, weil es dich am funktionieren hindert. und da unten da klingt sie aus, die musik. das weiß mein unterbewusstsein und weil es klüger ist als ich, bereitet es mich langsam, ganz langsam, nacht für nacht auf den ausklang vor. die nacht ist nicht nur dazu da, schlaf zu finden, sie ist auch dazu da, uns selbst zu finden und das, was dieses selbst nicht ist. es ist die nacht, die uns in das reich der schatten führt, zu den schatten des ungelebten lebens in uns, zu dem was wir tun, weil wir es zu tun glauben müssen und es uns eigentlich überhaupt nicht entspricht. und zugleich hausen da unten die schatten des todes, die mich irgendwann einhüllen werden und dann ist es dunkel, sehr dunkel, so dunkel wie in morpheus armen und es wird nicht mehr hell. nie mehr. nicht umsonst heißt der tod schlafes bruder.

daran erinnern mich meine träume, die mich nachts besuchen, besonders die albträume, von denen ich aufwache, an meine schatten und ans abschied nehmen, dann, irgendwann und an das was nicht verwirklicht ist, wenn es dann soweit ist. ich muss zugeben, schwere themen lassen sich in der nacht besser anschauen als am hellichten tag. die schatten der nacht sorgen für ein umfassenderes begreifen gelebten lebens, sie erzählen mir über die, die ich bin, über die, die ich nicht bin, über die, die ich noch nicht bin und die, die irgendwann nicht mehr sein wird und vor allem erzählen sie mir von der, die noch immer in einem selbst steckt, das nicht ihr wahres ist.

da sind gedanken an das, was mich verfolgt, weil es nicht gelöst ist. da erscheinen bilder von menschen, die mich verletzt haben und bilder von menschen, die ich verletzt habe, da wird sie ganz groß die erinnerung. da melden sich schicksalsschläge, die ich nicht verdaut sind und schuldgefühle, die mich traurig und wütend zugleich machen. da erscheinen bilder von der, die in mir angelgt ist, von dem wunderbaren begabten, liebenswerten, kreativen, starken, mutigen kind, das in mir steckt und endlich spielen will und sich entfalten, anstatt das zu tun, was das angebliche leben von mir fordert oder irgendeines dieser glaubensmuster, denen ich noch immer nicht entkommen bin, mir einredet. jede zerreißprobe meines nächtlichen aufwachens verschafft mir zugang zu den schatten meiner unterwelt damit ich sie besser verstehen lerne, endlich mein wahres selbst erkenne, bevor es endgültig dunkle um mich wird, damit ich den den sinn begreife dessen was ist und war und frieden mache, damit ich, wenn mich die unterwelt endgültig holt, in frieden mitgehen kann.

das schaffst du nie, du und friedlich werden! springt die rebellion aus ihrem schmollwinkel hervor. ja, es ist möglich, dass mir meine schlaflosigkeit auch das zeigen will. mit regelmäßigkeit werde ich dagegen aber ganz sicher nichts ausrichten.

Mittwoch, 7. November 2012

hochmut kommt vor dem fall ... oder von der macht der gedanken






positives denken ist zeitgeist. es füllt praxen, bücherregale und die köpfe verzweifelter menschen, die einen ausweg aus ihrem persönlichen leid suchen.

das positive denken basiert auf dem glauben, die macht der gedanken schaffe unsere realität. die verfechter der positiven gedanken industrie benutzen, um den letzten skeptiker zu überzeugen, sogar argumente aus dem bereich der physik, wie zum beispiel die quantentheorie oder den magnetismus, woraus sich die "theorie der anziehung" konstruieren lässt. man beachte - sie lässt sich konstruieren, jedoch nicht beweisen.

nach dem motto – "du ziehst exakt das an, was du denkst, an was du glaubst und was du über dich selbst glaubst", ist allein der mensch selbst die ursache seines glücks und seines unglücks. er ist verursacher und herrscher über gut und böse, über aufgang und untergang, er ist schöpfer seines persönlichen schicksals - vor allem das.

ob krankheit, arbeitslosigkeit, einsamkeit oder liebesleid, erfolg und scheitern sind, folgt man der theorie der gedankenmacht, hausgemacht. verluste, kummer und leid werden ausschließlich am negativen denken festgemacht, was wiederum an mangelnder selbstdisziplin oder dem pessimismus des einzelnen liegt.

die zeitgeistideologie der macht der gedanken zelebriert und füttert die menschliche allmachtsfantasie. sie negiert alles, was größer ist als der mensch.

wo ist der sinn und der zweck des ganzen? und wem nutzt das? 

behauptet wird: dem wohl des menschen, denn er hat, bekennt er sich dieser theorie gläubig, sein leben selbst in der hand. er hat die alleinige verantwortung. damit kann er für alles auch nur sich selbst verantwortlich machen. 

und da liegt der hase im pfeffer:

die theorie von der macht der gedanken ist ein perfektes instrument zur unterdrückung des individuums. sie dient dem gleichen zweck wie die werkzeuge von diktaturen – nämlich der zensur und der unterdrückung. denn, wer glaubt, für alles selbst durch sein denken verantwortlich zu sein, wird nicht mehr rebellieren, er wird die ursache und die schuld für alle misstände bei sich selbst suchen und sonst nirgendwo, folgerichtig - natürlich auch nicht im system.

weiter gedacht, führt diese haltung dazu, dass menschen sich nicht mehr darum kümmern, den schwächsten ihrer gemeinschaft zu helfen, denn die sind ja selbst an ihrem elend schuld und haben es also verdient. 

es entfaltet sich ein gnadenloser wettstreit freier, selbstbestimmter individuen, den wir längst beobachten, wenn wir genau hinsehen. die sieger stecken ihre gedankenkräfte ausschließlich in ihre selbstverwirklichung anstatt in die verantwortung und die sorge für das gemeinwohl und denken gar nicht daran, auch in die schwächeren zu investieren. 

wenn wir an die macht der gedanken glauben, gibt es das gute und das böse nur noch als menschliche konstruktionen und nicht als objektive, gottgegebene phänomene. und das bedeutet: es lebe der gottlose mensch!

"gott ist tot! gott bleibt tot! und wir haben ihn getötet!“ warnte schon friedrich nietzsche in seinem werk „die fröhliche wissenschaft“ (aph. 125 - der tolle mensch).

er hatte recht: wir menschen haben das göttliche getötet. dafür haben wir die macht der gedanken zum götzen erhoben und damit betreiben wir einen um sich greifenden nihilismus, der über leichen geht. 

mit dem "tod" gottes und der zelebrierten allmacht des menschlichen denkens stirbt nicht nur der glaube, es sterben humanismus, empathie und demut – es stirbt gottes wille. was bleibt ist superbia, der hochmut. und der kommt bekanntlich vor dem fall.



Montag, 5. November 2012

EINE RIESIGE SIMULATION



                                    ... menschen die sie erdenken


DIALOG

... was machst du denn hier, du sollst doch arbeiten!

ja, ich weiß, ich habe nur einen gedanken von mir gesucht, den ich hier gepostet hatte und mich dann verloren, ablenken lassen.

das geht hier ganz leicht. vielleicht ist das absicht?

ja.

absicht dieser fb sache, dass menschen sich verlieren.

mir kommt das manchmal so vor. wie eine riesige simulation in die wir schrittweise hineingehen.

aber warum? wo ist der sinn?

kanalisieren von aktivität, von affekten. alles ableiten in eine scheinrealität.

wem nutzt das?

den mächtigen. facebook ist opium fürs volk, könnte man sagen. tv war nur eine vorstufe. ich fürchte da kommt noch was ganz anderes.

ja, ich sehe es ähnlich. mist, ich muss hier raus!

ja, ich auch!


p.s. ich danke meinem chatpartner für das gespräch! 

Samstag, 3. November 2012

DER AUSWEG



was, wenn alles suchen in eine sackgasse gerät, aus der es keinen ausweg gibt? was dann?
die kleine frau sah josh an, aus augen wie blassblaue murmeln.

sie brauchte eine antwort, er konnte sie nicht gehen lassen, ohne eine antwort, es war lebensnotwendig für sie, eine antwort zu bekommen. er spürte es. er bat die kleine frau um einen moment geduld, er müsse nachdenken und bot ihr einen kaffee an. sie nickte, ja gern. josh ging in die kleine küche neben dem praxisraum und atmete tief durch. während er den kaffee aus dem automaten in die tasse laufen ließ, kam ihm ein gedanke. dankbar für den gedanken ging er zurück und drückte der frau die tasse mit dem kaffee in die hand. ihre hand zitterte. sie lächelte schwach, ich danke ihnen. 

josh nahm seinen stuhl, zog ihn ganz nah zu dem stuhl der frau und sah mit festem blick in die blassblauen murmelaugen.

es ist so, in die sackgasse gerät der suchende, wenn er erkennen muss, daß der verstand beim versuch den sinn zu verstehen versagt. dann kommt der zweifel, dann kommt die verzweiflung. der verzweiflung folgt die endgültige kapitulation des verstandes. 

um ihre frage zu beantworten: was bleibt als ausweg?
es ist der glaube. 

Donnerstag, 1. November 2012

Die Konzentration der Nachfrage auf wenige Künstler und warum das so ist






Wir haben die Wahl, auch als Kunstschaffende. Wir haben die Wahl zwischen Erfolg und Misserfolg, behaupten zumindest jene, die meinen, jeder sei seines Glückes Schmied.

Das würde bedeuten, wer sein Glück klug zu schmieden weiß, wird ein zweiter Picasso, im Sinne seines immensen künstlerischen und millionenschweren Erfolges. Wer sein Glück nicht zu schmieden weiß, bleibt ein Hungerleider wie der hochbegabte, depressive und am Ende völlig verzweifelte van Gogh. So einfach ist es nicht! Weder das Künstlerdasein, noch die Sache mit dem Glückschmieden. Aber sicher ist trotzdem:  Erfolg oder Misserfolg - genau das ist die Wahl, vor die das Schicksal noch heute den Künstler stellt. 

Wer in der tiefsten Seele Künstler ist, muss Kunst machen. Der kann gar nicht anders. Sie nicht zu machen geht nicht. In der Tat, hier ist das Schicksal am Werk und das meint es, wie wir aus Erfahrung alle wissen, nicht mit jedem von uns gleich gut. Manche Begabung kann auch zugleich ein Fluch sein. Ich erinnere an Das Drama des begabten Kindes, dem Alice Miller ein sehr kluges Buch gewidmet hat.

Kunst machen und von der Kunst leben können, zwei völlig verschiedene und in den meisten Fällen unvereinbare Dinge. Wenn das Schicksal nicht mitspielt, ist Letzteres unmöglich, egal wie begabt der Künstler ist, egal wie schön und beeindruckend seine Werke sein mögen. Wenn das Schicksal nicht mitspielt, bleibt er arm und - im Sinne dieser Gesellschaft, die Erfolg in erster Linie monitär definiert -  ein Hungerleider unter vielen.

Kennzeichen des Arbeitsmarkts für Künstler ist ein extremes Gefälle zwischen den hohen Einnahmen einer kleinen Gruppe und dem niedrigen Einkommen der übrigen Gruppe von Künstlern. So leben in Deutschland ca 60.000 Künstler. Die Mehrheit von ihnen ist als selbstständig gemeldet und lebt am Rande der Armutsgrenze mit einem Bruttoeinkommen von ca 1.000 Euro. Das heißt im Klartext: Von der Kunst lebt nur eine winzig kleine Gruppe von Spitzenverdienern in einem Meer von Geringverdienern.

Stellt sich die Frage: Warum ist das so? Sind die Spitzenverdiener die besseren Künstler und Glückschmieder und spiegeln Künstlerspitzenverdienst und Künstlerarmut gar den Unterschied was die Qualität der Kunst angeht? Das kann irgendwie nicht sein, denn, um auf Picasso zurückzukommen, der war mit Sicherheit nicht besser als der Hungerleider van Gogh oder Modigliani beipielsweise. Aber er hatte beiden Entscheidendes voraus: Er war ein Marketinggenie. Glück gehabt! Diese Begabung hatten und haben die wenigsten Künstler, waren und sind sie ihrem Wesen nach doch eher sensible, zurückgezogene Persönlichkeiten und absolut keine Verkaufsgenies ihrer eigenen Produkte.

Aber da sind noch andere Faktoren, die mitspielen, was die die Erfolgs- und damit die Einkommensschere, angeht. In der Kunst geht es nicht um eine absolute Leistung wie auf dem normalen Markt, sondern immer um eine relative Leistung. Was relativ ist, lässt sich nicht messen. Alle Versuche, Qualität und Begabung in der zeitgenössischen Kunst zu messen und zu quantifizieren, sind gescheitert. Es gibt keine eindeutigen und verbindlichen Parameter um Kunst zu beurteilen. Darüber ist sich die Kunstwelt einig.

Also, was ist wirklich entscheidend dafür, welcher Künstler sich einen teuren Namen macht und welcher ein armer no name bleibt? Wenn es nicht die Qualität ist, was ist es dann? Ich behaupte, es kann nur das Marketing sein. 

Ich habe mich schlau gemacht und das hier gefunden: "Die Konzentration der Nachfrage auf wenige Künstler, so der Ökonom Holger Bonus und der Kunsthistoriker Dieter Ronte, ist das Ergebnis eines sozialen Prozesses. An diesem sind vier einander verstärkende Mechanismen beteiligt: Hohe Startkosten, der Koordinationseffekt, der Lerneffekt und die Erwartungsanpassung.

  1. Startkosten:
Ein Galerist, der in einen Künstlers investiert hat und beginnt, Geld mit ihm zu verdienen, gibt ihm den Vorzug vor neuen unbekannten Künstlern. Diese würden ein erneutes Finanzrisiko bedeuten.

  1. Koordinationseffekt:
Um seine Startkosten zu reduzieren, wird er mit anderen Galerien kooperieren, die denselben Künstler präsentieren.

  1. Lerneffekt:
Kritiker, Kuratoren und Sammler, die seine visuelle Sprache erlernt haben, werden sich ihm weiterhin zuwenden, statt den Zeichencode eines anderen Künstlers zu erlernen, dessen künftige Bedeutung ungewiss ist.

    4.  Erwartungsanpassung: schließlich bestärkt der Erfolg eines Künstlers den Glauben der       Sammler an seinen weiteren Aufstieg, der für sie mit der Aussicht auf weiteren Wertzuwachs und Statusgewinn verbunden ist.
 
Da es zudem keine Gewissheit über die Qualität von zeitgenössischen Künstlern gibt und die Transaktionskosten hoch sind, tendieren die Marktteilnehmer dazu, bei einer einmal getroffenen Wahl zu bleiben. Der Starkünstler erspart dem Konsumenten Suchkosten, reduziert Qualitätsunsicherheit und schafft Zugehörigkeit zur Mehrheit. Seine Produkte sind die Markenartikel des Kunstmarkts."
Quelle: Artnet

Ich sags doch – alles eine Frage des Marketings. 
Nein, nicht ganz, denn – wenn das Schicksal mit Hilfe des Zufalls und des Glücks nicht mitspielt, nutzt das beste Marketinggeschmiede gar nichts.