„Ich erlebe es immer wieder und immer öfter. Ich treffe mich mit Menschen und sie reden die ganze Zeit nur über sich selbst. Es rufen mich Freunde und Bekannte an oder schreiben mir und erzählen nur von sich selbst, ohne auf die Idee zu kommen mich zu fragen wie es mir geht. Manchmal kommt die Frage in einem kleinen Halbsatz, der sofort wieder zu ihnen selbst und dem eigenen Kram überleitet. Irgendwie tut das weh“, sagt eine Klientin zu mir. „Was kann ich denn tun? Ich möchte doch auch gehört werden.“
Noch vor einiger Zeit hätte ich sie gefragt, ob sie denn klar sagt, dass sie auch gehört werden möchte, aber ich weiß aus eigener Erfahrung, dass auch wenn sie das täte, es bei den meisten nichts nützen würde. Viele Menschen können nicht zuhören. Die Mehrzahl hat die Tendenz ihre eigenen Erfahrungen, Gedanken und Gefühle in den Mittelpunkt von Gesprächen zu stellen. Diese Selbstbezogenheit ist kollektiv auffallend gewachsen.
Woher kommt die Neigung des Menschen, von sich selbst zu reden?
Ein Grund für dieses Verhalten ist die Selbstzentrierung. Jeder von uns erlebt und interpretiert die Welt durch seine Brille, was dazu führt, dass das Eigene als am relevantesten empfunden werden. Unsere eigenen Erlebnisse sind das, was wir am besten kennen, und daher fällt es uns leicht, darüber zu sprechen. Und vielen erscheint das eigene Leben als die spannendste Geschichte, die sie erzählen können. Darüber hinaus spielt die Suche nach Identität und Selbstwert eine Rolle. Wenn Menschen von sich erzählen, teilen sie nicht nur Erinnerungen, sondern auch Emotionen und Lektionen, die sie aus ihren Erfahrungen gezogen haben. Das Teilen ihrer persönlichen Geschichte verschafft ihnen das Gefühl der Bestätigung und trägt dazu bei ihr Selbstbild zu festigen. Dahinter steht das Bedürfnis nach Gesehen werden und Anerkennung, als auch das Streben nach dem Gefühl der Zugehörigkeit. Wir alle suchen nach Verständnis und Empathie, wir suchen nach Verbundenheit und die entsteht, wenn Menschen über ihre innersten Gedanken und Gefühle sprechen, und diese mit anderen teilen. Das ist essenziell um Vertraulichkeit in unseren Beziehungen zu vertiefen.
So weit so gut.
Leider haben immer mehr Menschen Schwierigkeiten, aktiv zuzuhören. Dies führt dazu, dass Gespräche in einseitige Monologe abgleiten. Wer selbst viel spricht, lässt wenig Raum für andere ihre Geschichten zu teilen, was dazu führt, dass es keinen echten den Austausch gibt.
In dieser Gesellschaft, die den Individualismus fördert, wird der Wert des Selbst samt unserer persönlichen Geschichte überbetont. Was wiederum dazu führt, dass das Teilen von persönlichen Erfahrungen als besonders wichtig erachtet wird, wodurch die Neigung, über sich selbst zu sprechen, weiter verstärkt wird. Jeder lebt in seiner eigenen Blase. Und es werden immer mehr.
Wer ein guter Zuhörer ist wird erleben, dass er ständig die Geschichten anderer erzählt bekommt, ohne selbst gefragt zu werden, wie es ihm geht und dem geht es irgendwann nicht mehr gut.
Was macht das mit einem Menschen?
Ein Mensch fühlt sich ignoriert, wenn seine Gedanken und Gefühle nicht gesehen und gehört werden, geschweige denn von Interesse sind, denn dann weiß er, dass den anderen nicht wirklich an ihm gelegen ist. Es ist ungemein frustrierend, wenn Gespräche einseitig sind. Wenn niemand nach unserem Leben oder unseren Gedanken fragt, kann dies ein Gefühl der Einsamkeit hervorrufen. Wir alle sehnen uns danach, gehört und verstanden zu werden und das Fehlen dieser Interaktion kann isolierend wirken.
Ständiges Zuhören der Geschichten anderer kann dazu führen, dass wir uns zurückziehen und menschenmüde werden, müde davon als seelischer Mülleimer benutzt zu werden, müde davon dem nicht enden wollendenden Wortstrom anderer zu folgen, müde davon, nicht gehört und nicht gesehen zu werden.
Je öfter wir nur Zuhörer sind, desto mehr erlöscht das Verlangen nach tieferer Verbindung. Je öfter wir uns in Situationen wiederfinden, in denen kein echter Dialog stattfindet und nur eine Seite sich Gehör verschafft, desto weniger Lust haben wir auf Kommunikation.
Wenn wir versuchen unsere Gedanken oder unsere Geschichten einzubringen, jedoch immer wieder unterbrochen, über den Mund gefahren und übergangen werden, fühlen wir uns irgendwann hilflos, was die zwischenmenschliche Kommunikation betrifft.
Wenn wir eine genuine Neugier für die Geschichten der anderen haben, aber gleichzeitig den Eindruck haben, dass wir selbst gar nicht gehört werden wollen, geben wir es irgendwann auf zu kommunizieren. Wir schließen Türen und ziehen uns ins Eigene zurück, schlicht und einfach weil es ermüdend, traurig und belastend ist, in einem sozialen Kontext zu sein, der einseitig ist.
Eine ausgewogene Kommunikation, die Raum für beide Seiten schafft, ist entscheidend für unser emotionales Wohlbefinden und das Gefühl der Wertschätzung.
Nur ein offenes, gegenseitiges und empathisches Miteinander trägt dazu bei, dass sich alle Beteiligten gehört, gesehen und respektiert fühlen. Für die Qualität zwischenmenschlicher Beziehungen ist es essenziell, ein Gleichgewicht im Gespräch zu finden. Offenes Zuhören und echtes Interesse an den Erfahrungen anderer fördern Verbundenheit und ein besseres Verständnis zwischen uns Menschen. Es ist die Balance zwischen dem Teilen der eigenen Geschichte und dem Zuhören der Geschichten anderer, die zu bereichernden und bedeutsamen Beziehungen führt.
Die Selbstzentrierten würden das jetzt vielleicht bejahen und dann genauso weiter über sich selbst plappern wir eh und je.
Für die hätte ich einen Impuls:
"Gönne dir einen Augenblick der Ruhe und du begreifst, wie närrisch du herumgehastet bist. Lerne zu schweigen und du merkst, dass du viel zu viel geredet hast."
Laotse
Und meine Klientin, ja, was soll ich ihr sagen?
Dass ich das sehr gut kenne, ihre Gefühle fühlen kann und dass es eine Gabe ist zuhören zu können, dennoch – es ist wichtig, immer wieder klar udn deutlich zu sagen, dass man selbst auch gehört werden möchte.
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- Zwischen innen und außen - ist ein wunderbarer Titel, dazu deine Gedanken über Monologe, Gespräche zuhören - Selbstreflexion - selbst gehört zu werden und sich allein gelassen fühlen.
AntwortenLöschenLeider erfährt man - auch ich - immer wieder gerade in Telefonaten dass der einseitige Monolog stattfindet, nie aufhört und man nach jeden Gespräch -(das keines ist) sich allein gelassen und nicht wahrgenommen fühlt.
Selbst ein freundlicher Hinweis darauf, dass man es so empfindet - nutzt nicht viel, außer wieder unterbrochen und auf sich selbst hinzuweisen -zu hören.
Traurig wenn es so ist und damit in die eigene Isolation zurückführt...was bleibt ist Schweigen und Rückzug auch alter Freundschaften...
es war sehr interessant diese Gedanken der Abhandlung darüber zu lesen. zu lesen, vielen Dank....
lieben Gruß Angelface