Dienstag, 26. August 2025

Nachreifung ist Selbstwachstum

 



 
Die Mehrzahl unserer psychischen Probleme entsteht wenn wir als Kind problematische oder unheilsame Beziehungen zu wichtigen frühen Bindungspersonen hatten und nicht in der Lage waren, diese lösen. Eine Vielzahl psychischer Störungen sind Ausdruck dessen, was an kindlichen Beziehungserfahrungen in veränderter Form bis in unser Erwachsenenleben fortbesteht und unsere Seele, unser Leben und aktuelle Beziehungen belastet. Mit anderen Worten: Die frühe Wunde ist nicht geheilt. Sie schwelt weiter und erzeugt weiter Schmerzen. 
 
Den meisten Menschen ist die Ursache für ihre Störungen, sowie ihre und inneren und äußeren Konflikte nicht wirklich bewusst. Viele wissen nicht, dass viele ihrer Probleme im Jetzt Ausdruck früherer Bindungserfahrungen sind. Wenn die Wunde sich schließen soll, ist das Bewusstmachen, das Verstehen und das Durcharbeiten der eigenen Lebensgeschichte von großer Bedeutung. Nur so können Probleme im Jetzt bewältigt und gelöst werden.
Durcharbeiten bedeutet Arbeit und diese Arbeit bedeutet, dass wir gefühlsmäßig durcharbeiten, was bewusst geworden und verstanden worden ist. Hierbei geht es letztlich darum als Mensch nachzureifen. Nachreifung bedeutet, dass kindliche, unreife und neurotischen Denk- und Verhaltensmuster in erwachsene, reife Formen transformiert werden müssen, um mit uns selbst und in unsere zwischenmenschlichen Beziehungen besser klar zu kommen. 
 
Für die Reifung der verschiedenen Bereiche des kindlichen Ichs, ist es laut Winnicott entscheidend, ob eine "genügend gute Mutter" da war, was heißt: Die Bezugsperson hat auf die Bedürfnisse des Kindes adäquat reagiert und zwar nicht nur mit liebevoller Zuwendung, sondern auch was die Regulation altersgemäßer Frustrationsreize angeht. Ist das nicht der Fall kommt es zu Störungen in der Ich-Entwicklung. Das Selbst reift nicht auf gesunde Weise. 
 
Bei der Nachreifung geht es um die Entwicklung neuer psychischer Strukturen, die ein wichtiger Bestandteil in der psychologischen Arbeit ist. Zunächst geht es darum das gegenwärtige Leid zu mildern und an seelischer Stabilität zu gewinnen. Nach und nach lernen wir dann, dass wir kein abhängiges, hilflos ausgeliefertes Kind mehr sind und in der Gegenwart selbstverantwortlich handeln können. Es geht, kurz gesagt, um die Nachreifung autonomer Ich-Funktionen.
Dazu gehört die Fähigkeit zur Bewältigung von Emotionen, die Fähigkeit die Befriedigung unserer Bedürfnisse zu verbessern und um die Fähigkeit unsere Denk- und Handlungsweisen selbst und angemessen wählen zu können um als gereifter Mensch adäquat auf die Herausforderungen des Lebens antworten zu können. Es geht zudem darum Frustrationstoleranz zu entwickeln, die in der Kindheit nicht ausreichend ausgebildet wurde und in disem Kontext um die Fähigkeit zur Selbstregulierung - mit dem Ziel ein selbstabhängiges, erfüllteres Leben zu führen. 
 
Nachreifung ist ein Prozess des Selbstwachstums, in dem wir durch therapeutische Interventionen und die aktive Arbeit an uns selbst lernen, unsere Persönlichkeit weiterzuentwickeln, um zu wachsen.
Mit anderen Worten: Wenn das verletzte Innere Kind endlich bekommt, was es braucht um die Wunde zu schließen, kann es erwachsen werden.
 
"Sei geduldig mit dir selbst. Selbstwachstum ist empfindlich, es ist heiliger Boden. Es gibt keine größere Investition."
Bernhard Zitzer
 
 
Angelika Wende
Kontakt: aw@wendepraxis.de

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