Donnerstag, 16. Oktober 2025

Es sind immer die Falschen

 



Meine Klientin sitzt vor mir, mit einer Mischung aus Wut und Verzweiflung. Es ist schon wieder passiert. Ich falle immer wieder auf den gleichen Typ Mann herein.
Ich bitte sie mir diesen Typus zu beschreiben und was diese Männer gemeinsam haben.
Sie überlegt eine Weile. Sie sind alle jungenhaft, unreif, verantwortungslos, sich selbst und anderen gegenüber, instabil, inkonsistent, unverbindlich, emotional instabil, emotional nicht erreichbar, selbstbezogen, innerlich zerrissen, haben keinen Job, sind faul, lassen sich durchfüttern oder sie sind verkappte Künstler und kriegen ihr Leben nicht auf die Reihe. Aber sie sind intensiv und charismatisch. Irgendwie haben die so einen James Dean Flair. Das zieht mich magisch an. Und am Ende bin ich es dann, die ausgenutzt und verletzt wird. Wie kann das sein? Wer will so einen Mann an seiner Seite? Ich jedenfalls will so einen nicht, das ist nicht das, was ich mir eigentlich wünsche, aber etwas in mir zieht es immer dort hin. Manchmal denke ich sogar, lieber den Spatz in der Hand, als die Taube auf dem Dach.
Was ist das nur?, fragt sie mich. 
Nun, sage ich, Sie erkennen es sehr genau, ihr Verstand erkennt klar, mit wem sie es zu tun haben.
Ja, aber trotzdem lasse ich mich dann auf so jemanden ein. Ich sehe die Red Flags, aber es hilft mir nichts. Ich rede ihn mir dann irgendwie schön, obwohl ich genau weiß, ich mache mir etwas vor. Mit mir stimmt doch etwas nicht!
Kann es sein, frage ich sie, dass sie diese Männer verändern und aufpäppeln wollen und dass Sie glauben, sie auf den richtigen Weg bringen zu können?
Sie schweigt eine Weile. Ja, irgendwie schon.
Okay, und wenn sie das schaffen, was wäre dann?
Sie schweigt eine Weile. Wenn ich ganz ehrlich zu mir bin, dann könnte ich sagen, dass ich es geschafft habe: "ICH habe ihn besser gemacht. Er war ein Looser, aber durch mich ist er ein guter Kerl geworden.
Aber warum will ich das überhaupt? Ich bin doch nicht Mutter Theresa. Und ich will auch nicht deren Mutter sein, aber letztlich benehme ich mich genauso. Ich will nicht die sein, die andere hält, ich will selbst gehalten werden und handle genau entgegengesetzt.
Sie wollen die „gute Mutter“ für diese Männer sein, die Beschützerin, die Retterin, die Heilerin, könnte man das so sagen?
Ja, irgendwie schon. Was in mir ist das?
Okay. Sie wissen, dass das nicht funktioniert. Sie haben es einige Male versucht, antworte ich. Sie arbeiten sich an diesen Männern ab und am Ende haben Sie, außer, dass Sie enttäuscht und verletzt zurückbleiben, nichts erreicht. Was glauben Sie, warum können sie ihre untauglichen Versuche nicht sein lassen?
Ich weiß es nicht, darum bin ich ja hier.
Es sind immer die Falschen, sagen sie.
Und das wissen sie schon am Anfang.
Ja, ich spüre das sofort, sagt sie.
Und sie ignorieren ihr Gefühl.
Stimmt.
Sie sind also nicht ehrlich zu sich selbst?
Sie wissen, was Sie wollen und was sie nicht wollen, aber sie sind nicht fähig zu sich selbst zu stehen?
Puh, das ist wahr.
Und kann es sein, dass, wenn man nicht ehrlich zu sich selbst ist und nicht zu sich selbst und seinen Bedürfnissen steht, man nicht bekommt, was man sich eigentlich wünscht?
Ja, das ist wohl so.
Das bedeutet dann was?, frage ich sie.
Man macht sich etwas vor.
Ja, und warum macht man sich etwas vor?
Weil man glaubt, dass man nichts Besseres kriegen kann?
Ja, das ist möglich.
Glauben Sie das?
Na ja, ich denke immer ich bin nicht wertvoll genug. Ich ticke ja auch nicht ganz richtig. Irgendwie bin ich ja auch kaputt.
Und wenn Sie das von sich glauben, wie handeln sie dann?
Dann muss ich etwas dafür tun, um besser zu sein, um mich besser zu fühlen.
Und dann wollen Sie sich das selbst beweisen, indem Sie „besser“ sind als diese Männer, indem Sie sie bessern? Haben sie dann das Gefühl, sich aufzuwerten?
Irgendwie schon, wenn ich ehrlich bin.
Und was wäre der richtige Weg? Ich muss mich selbst aufwerten?
Nun, Sie könnten zunächst damit aufhören sich immer wieder abzuwerten.
Und wie mache ich das?
Indem sie ehrlich zu sich selbst sind und ihre wahren Gefühle und ihre wahren Bedürfnisse ernst nehmen.
 
 
Angelika Wende
Kontakt: aw@wende-praxis.de

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