Samstag, 18. Oktober 2025

"Das Selbst ist das größte Rätsel“

 



 

"Das Selbst ist das größte Rätsel“, schrieb einst der Maler Max Beckmann.

Beckmann war zeitlebens auf der Suche nach dem „Selbst“. Seine über 200 Selbstbildnisse sind malerische Dokumente der Auseinandersetzung mit seiner inneren Verfassung, seiner menschlichen und künstlerischen Identität. Immer wieder stellt er sich in verschiedenen Rollen dar um die Komplexität seines Inneren zu erfassen und um sie auszudrücken. Ein Suchender, der mit einer unglaublichen Intensität sein eigenes Ich erforschte um sein wahres Selbst zu erfassen, und der erkennen musste, dass dieses Geheimnis in seiner Tiefe nicht zu ergründen ist.

 

Viele Menschen sind auf der Suche nach sich selbst wie Max Beckmann, ohne zu wissen, was dieses Selbst eigentlich ist. "Ich will ich selbst sein", wie oft ich das höre, als sei dann alles schöner, besser, heiler, gut. Ob es dann so wäre? Wer weiß das schon.

Manche glauben, wenn sie erst sie selbst sind, wären sie ein ganzer Mensch oder erwacht oder erleuchtet und sie machen viele Anstrengungen um den ersehnten Zustand zu erreichen. Aber was, wenn es gar nichts zu erreichen gibt. Was, wenn das Selbst nur ein Konzept ist, wie so vieles im Leben? 

 

Die Frage, ob es ein „Selbst“ gibt, ist eine der grundlegendsten und komplexesten in der Kunst, in der Philosophie, der Psychologie und Neurowissenschaft.  

Sie berührt zentrale Konzepte wie Identität, Bewusstsein und die menschliche Existenz. Während einige Denker, insbesondere im Rahmen des Dualismus, die Auffassung vertreten, dass das Selbst als immaterielle Substanz existiert, die vom Körper getrennt ist, argumentieren andere, dass das Selbst eine Illusion oder ein Konstrukt ist, das aus der Interaktion biologischer und sozialer Prozesse entsteht.

 

Der Dualismus, wie ihn der Philosoph René Descartes formulierte, sieht das Selbst als unsterblich und unabhängig vom physischen Körper. Im Gegensatz dazu vertreten materialistische Ansätze die Ansicht, dass das Selbst aus physischen Prozessen im Gehirn hervorgeht. Hierbei wird das Selbst als eine Ansammlung von Erfahrungen, Erinnerungen und Wahrnehmungen betrachtet, die sich ständig verändern. Was bedeutet, dass das Selbst existiert nicht unabhängig von den biologischen und psychologischen Prozessen des Körpers.

 

Die buddhistische Philosophie beschreibt das Konzept des Selbst als Anatta oder Nicht-Selbst. Die Lehre besagt, dass das Gefühl eines stabilen, dauerhaften Selbst eine Illusion ist. Stattdessen wird der Mensch als ein kontinuierlicher Fluss von Erfahrungen und Wechselwirkungen mit der Umwelt betrachtet, ohne eine feste Essenz. Auch neurowissenschaftliche Forschungen zeigen, dass das Selbst dynamisch und veränderlich ist, was die Vorstellung eines stabilen, unveränderlichen Selbst infrage stellt.

 

In der Psychologie wird das Selbst ebenfalls unterschiedlich interpretiert. Einige Theorien, wie die der sozialen Identität, betonen, dass das Selbst stark von unseren sozialen Interaktionen und kulturellen Kontexten geprägt ist. In diesem Sinne ist das Selbst auch hier dynamisch und veränderlich, abhängig von den sozialen Rollen und Beziehungen. 

Für den C.G. Jung ist das
Selbst die höchste Instanz der Persönlichkeit und das Ziel der Individuation, des lebenslangen Prozesses, zu unserer Ganzheit zu gelangen. Was bedeutet,  der Mensch begreift seine ganze Persönlichkeit, sowohl das Bewusste als auch das Unbewusste, mitsamt seiner hellen und dunklen Seiten, den Schatten. Der Prozess der Individuation bedeutet für ihn, sich diesen Gegensätzen zu stellen, sie zu integrieren und so zu dem zu werden, der man ist.

Neurowissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass viele Aspekte des Selbst, darunter das Gefühl von Identität und Kontinuität, auf spezifische Hirnregionen zurückzuführen sind. Diese Erkenntnisse unterstützen die materialistische Sichtweise, dass das Selbst das Produkt neuronaler Prozesse ist. Dennoch bleiben viele Fragen offen, insbesondere darüber, wie genau das Gehirn ein kohärentes Selbst erzeugt und welche Rolle subjektive Erfahrungen dabei spielen. 

 

Die Frage, was das Selbst ist, ist komplex und facettenreich und hat bisher keine eindeutige Antwort gefunden. ist. Letztlich bleibt das Selbst, wie der Tod, ein Geheimnis unserer Existenz.

Was Max Beckmann angeht, auch wenn er sein wahres Selbst nicht gefunden hat, seine Werke sind beindruckend bis heute und sie geben Menschen etwas, bis heute. Er hat etwas über sich selbst hinaus erschaffen. Und vielleicht geht es genau darum – um die Suche selbst und was sie aus uns selbst heraus hervorbringt.

 

Angelika Wende 

www.wende-praxis.de

 

 

 

 

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