Montag, 9. Juni 2025

Inneres Wachstum und Trauer

 

Wenn wir mit der Arbeit an uns selbst beginnen und uns mehr und mehr über uns selbst bewusst werden, kann es sein, dass wir von einer tiefen Trauer erfasst werden.
Diese Trauer gehört dazu.
Wenn wir genesen setzen wir uns mit der Art und Weise auseinander, wie wir uns gefühlt und verhalten haben. Wir werden uns darüber bewusst, wie wir uns selbst und andere belogen haben, wie wir uns selbst verleugnet haben, wie lieblos und schlecht wir uns selbst behandelt haben, wie gefühllos und hart wir gegenüber uns selbst waren, wie verstrickt wir in alte Überlebensmuster waren und wie süchtig wir nach Dingen waren, die uns geschadet haben. Wir entwachsen toxischen Beziehungen, die nur aufgrund der früheren Version von uns selbst funktioniert haben. Wir trennen uns von vertrauten Menschen und Gewohnheiten, die unheilsam sind.
Das sind Verluste und jeder Verlust tut weh und macht traurig.
Das ist vollkommen normal.

Wir machen die Arbeit, wir wollen heilen und das bedeutet auch, dass wir uns von den selbstschädigenden und begrenzten Ausdrucksformen unserer selbst verabschieden müssen. 

Wir trauern darüber wie viele Jahre unseres Lebens wir an unserer Selbstverleugnung und unserer Angst wir selbst zu sein gelitten haben. Wir lassen Teile unseres früheren Ich los, wir lassen alte Identifikationen los, wir lassen das Bild los, das wir von uns hatten und anderen gezeigt haben, wir lassen Erwartungen, Überzeugungen und Glaubensmuster los, wir lassen all den Kram los, der uns klein und schwer gemacht hat.

Wir verlassen eine alte Identität.  

Das Loslassen von Aspekten unseres früheren Selbst bedeutet nicht nur destruktive Denk- und Verhaltensweisen aufzugeben, sondern auch Vertrautes loszulassen, mitsamt den Teilen unserer Identität, die uns einst Sicherheit, Halt und Trost schenkten, die wir aber hinter uns lassen müssen, um zu genesen und um zu wachsen, denn alles, was scheinbare Sicherheit und scheinbaren Halt bedeutete, war geboren aus den Überlebensstrategien unseres verletzten Inneren Kindes.
Es wusste es nicht besser, es konnte nicht anders.
Es wollte uns nicht schaden. Es war hilflos und verzweifelt.
Auch das kann das Gefühl tiefer Trauer in uns erwecken.
Und das ist gut so.

Inneres Wachstum ist immer mit Trauer verbunden. Trauer ist ein wichtiger Aspekt der Heilung.

Diese Trauer gilt es zuzulassen. In der Trauer fließen die Tränen, die wir vielleicht nie um uns selbst geweint haben, in ihr liegt Mitgefühl für uns selbst, das wir nie gefühlt und uns nie erlaubt haben und das wir jetzt zum ersten Mal spüren. Inneres Wachstum bringt immer eine Art Tod mit sich, Altes muss sterben um Platz für die Geburt des Neuen zu machen. Dazu gehört die Trauer.

"Es geht nicht darum, sich besser zu fühlen, sondern darum, besser zu fühlen."
Dr. Gabor Maté
 
 
Angelika Wende
Kontakt: aw@wende-praxis.de








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