Samstag, 24. Mai 2025

Weil ich endlich geliebt sein will

 


S C H M E R Z

In der Mitte
Schmerz
In der Mitte
öffnet der Schmerz
die empfindsamste Stelle 

Durch den Riss in der Mitte 

aus der Mitte 

dringt Innerstes nach Außen 

 

Ich gehe zu meinem Analytiker. Dr. Breuer sitzt in seinem Sessel, ich sitze ihm gegenüber. Er schweigt die meiste Zeit. Ich kotze meine Wut aus. Die mörderische Wut, die ich auf dich habe, weil du kaputt machst, was gut war. Niemand kann sich an der Seite eines Alkoholikers gut fühlen. Die Wut auf das Trinken wächst mit jedem Rausch. Angestaute Wut, die durch das Schlucken von Angst, Ohnmacht und Verzweiflung einen Punkt erreicht, an dem sie explodiert. Sie ist stark, vehement, sie muss sich entladen, sonst platzt man. Dann kommt das Begreifen, wie sinnlos der Ausbruch ist, weil er nichts ändert. Man schämt sich. Aber es hört nicht auf. Die Wut speist sich aus dem, was war und dem Wissen, dass es nicht besser wird. Weil dieSucht nicht aufhört. Nicht durch Wut, nicht durch Verstehen, nicht durch Liebe. Wieder wird getrunken, wieder gibt es Ausfälle, Angriffe, Beleidigungen, Demütigungen, Gestank und schreckliche Stunden während und nach dem Saufen. Wieder sammelt sich Wut.

Man beginnt sich selbst zu verachten. Man fragt sich, was man da überhaupt macht. Man fragt sich, ob das ein Leben ist, das man sich wünscht. Man fragt sich, warum man das aushält. Man fragt sich, ob das überhaupt Liebe ist. Liebe, die so weh tut, ist keine Liebe. Man weiß das. Man weiß, es geht nicht mehr um Liebe. Man weiß, man ist abhängig von der Sehnsucht zu lieben und geliebt zu werden. Man findet sich damit ab, nicht geliebt zu werden, stattdessen findet man sich damit ab, gebraucht zu werden. Man weiß, man ist abhängig vom Gebrauchtwerden. Man schämt sich vor sich selbst, macht sich Vorwürfe, dass man bleibt. Man fühlt sich klein und schwach und mies und schuldig wegen der Wut, die nicht weggeht. Man fragt sich, wie man so weit hat kommen lassen konnte. Ob man das ist, dieses wütende, verzweifelte Etwas. Man erkennt sich selbst nicht mehr. Man schluckt. Immer wieder schluckt man den Schmerz. Das schwächt, macht müde und das Leben schwer. Man weiß, man muss loslassen. Und weiß nicht wie. Die Vorstellung, denjenigen an den Alkohol zu verlieren, den man liebt, ist so grausam wie ein Verbrechen. Sich selbst zu verlieren, ist ein noch größeres Verbrechen.

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