Samstag, 17. Mai 2025

Hurt people hurt people. Until they heal.


 
Es macht es etwas mit uns, wenn andere uns nicht so wertschätzend und liebevoll behandeln, wie wir es uns wünschen. Es macht etwas mit uns, wenn wir verletzt werden, egal ob die Verletzung bewusst so gemeint ist, oder ob wir das nur so empfinden. Es macht viel mit uns, wenn uns die Menschen verletzen, die wir lieben. Aber oft sind es genau diese Menschen die das tun.
 
Wir alle wollen geliebt und geachtet werden. Wir wollen uns gut fühlen und hoffen, dass andere das auch für uns wollen.
Die Realität ist: Wir werden verletzt. Immer wieder.
Wir werden nicht unverletzt durch dieses Leben gehen.
Verletzungen gehören zum Menschsein dazu.
Menschen verletzen Menschen. Wir alle sind in irgendeiner Weise verletzte Wesen.
 
Hurt people hurt people. Until they heal.
Verletzen ist leicht, heilen schwer.
Leider machen sich nur wenige auf den Weg, um zu heilen.
Das können wir nicht ändern, aber wir können uns selbst auf den Weg machen, uns selbst können wir ändern, wir selbst können uns um Heilung bemühen. Und manchmal braucht es eine richtig krasse Verletzung, damit wir das tun.
Verletzungen wühlen uns auf.
Da legen sich neue auf alte Wunden und die Wenigsten von uns sind sich ihrer selbst so bewusst, dass sie wissen, wann eine neue Verletzung eine alte Verletzung triggert. Das Kind in uns ist hochsensibel und empfindlich. Seine Wunden sind nicht alle verheilt, auch wenn wir jahrelang an uns selbst arbeiten.
Es gibt Verletzungen, die niemals heilen. Sie sind wie alte Wunden – vernarbt. Dennoch spüren wir sie, wenn sie berührt werden, schmerzhaft. Wir leiden. 
 
Schmerz und Leid folgen auf Verletzungen. Sie sind ist ein Teil jedes Lebens. Jedes Lebewesen empfindet Schmerz. Das zu akzeptieren ist weise.
Sich dagegen zu wehren schafft dauerhaftes Leiden.
Schmerz und Leid gehört zum Lebendigsein.
Ein zentraler Satz im Buddhismus lautet: „Leiden gehört zum Leben.“ Im Buddhismus wird Leiden als ein grundlegendes Merkmal des Lebens angesehen. Die erste von Buddhas Vier Edlen Wahrheiten besagt, dass Leid ein Teil des Lebens ist, dass Geburt, Alter, Krankheit und Tod Leiden sind, aber auch das Leiden, das durch unangenehme Gesellschaft entsteht – eben auch durch Verletzungen.
Zugleich ist Leiden nicht etwas, das wir nicht einfach passiv hinnehmen und alternativlos akzeptieren müssen. Es ist vielmehr eine Herausforderung den Kreislauf des Leidens zu durchbrechen, indem wir die Möglichkeit nutzen aus dem Leid zu lernen und zu wachsen. 
 
Die Frage: Wie können wir uns vor Verletzungen schützen?, erübrigt sich also.
Wir können es nicht. Ebensowenig wie wir uns vor dem Schicksal schützen können, das bisweilen zuschlägt, ohne Vorwarnung, wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Das ist Leben. Sich das bewusst zu machen ist ein Zeichen von Reife.
Eine reife Frage ist: Wie gehe ich mit einer Verletzung um?
Verletzt zu sein, es zuzugeben, zu weinen, zu trauern, enttäuscht zu sein, traurig zu sein, dafür müssen wir uns nicht rechtfertigen oder gar entschuldigen. Und doch versuchen die meisten Menschen ihre Verletzungen und ihren Schmerz zu verstecken. Sie tun glücklich und sind rotzunglücklich. Sie gaukeln sich selbst und anderen etwas vor. Sie betäuben sich mit allem möglichen, sie lenken sich ab, sie tun als ob und posten glückstrahlende Selfies auf Facebook und Instagram während sie zuhause sitzen und sich wie ein Häufchen Elend fühlen.
Schöne neue Welt.
Nein, nicht schön. Verlogene Welt.
Eine Welt, die uns den Eindruck vermittelt, dass nur wir Schmerz erleben und dass Schmerz und Leid unnormal sind und etwas für die Schwachen, die Opfer. Schmerz ist Etwas, das nicht okay ist. Was für ein Blödsinn! Das führt genau dazu, was ganz und gar nicht hilfreich ist. Wir versuchen krampfhaft den Schmerz zu ignorieren. Wir verdrängen und überspielen ihn. Wir wollen ihn ganz schnell wieder weghaben.
Und genau das funktioniert nicht.
 
Es gibt Verletzungen, die wir eben nicht so einfach wegstecken, die uns lange begleiten. Manche ein Leben lang. So ist es und es ist wie es ist.
Nein, wir können uns vor Verletzungen nicht schützen, aber wir können lernen angemessen damit umzugehen.
Wir können nicht entscheiden, ob uns jemand verletzt, aber wir entscheiden, wie wir damit umgehen. Wir selbst tragen die Verantwortung dafür, ob wir Verletzungen die Macht über uns geben oder ob wir sie bewusst anschauen und uns fragen:
Was mache ich damit?
Was kann ich daraus lernen?
Wie entscheide ich damit umzugehen, so dass ich den Schmerz nicht unnötig verstärke?
Was sagt mir diese Verletzung über die Beziehung zu dem Menschen, der mich verletzt hat?
Ist diese Beziehung gut für mein Wohlergehen oder ist es an der Zeit in Distanz zu gehen um zu genesen?
 
Der Buddhismus lehrt uns den Weg nach Innen.
Der Weg aus dem Leiden ist der Weg inneren Wachstums.
Schmerz, der weggedrückt wird schafft Leiden. Schmerz ist normal, Leiden ist optional.
Wenn wir wieder einmal verletzt werden, könnten wir uns sagen: Ja, das ist schmerzhaft. Das tut weh. Und das Gefühl da sein lassen. Wir nehmen das Gefühl an. Wir akzeptieren, dass wir fühlen, was wir fühlen. Wir akzeptieren, dass da ist, was da ist im Wissen - es wird sich wandeln. Wir umarmen das Gefühl. Wir spenden uns Trost, wir halten das Gefühl im Arm wie ein verletztes kleines Kind. Wir wiegen es. Wir beruhigen es, so wie wir ein Kind beruhigen würden. Wir üben Selbstberuhigungskompetenz. Wir sorgen liebevoll für uns selbst, egal wie verletzt wir sind, gerade weil wir verletzt sind. 
 
"Wenn ich mir anschaue, mit welcher Kraft und Besessenheit die Verlassenen demjenigen hinterher trauern, der sie verletzt hat, denke ich mir, dass sie gar nichts anderes wollen."
 
Damaris Wiese
 
 
Angelika Wende

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