Mittwoch, 30. Januar 2013

Aus der Praxis - Gedanken über das Innere Kind




"Du hast deine Kindheit vergessen, aus den Tiefen deiner Seele wirbt sie um dich. Sie wird dich so lange leiden machen, bis du sie erhörst."
Hermann Hesse


Das Innere Kind. Wir alle haben diesen Begriff schon einmal gehört oder gelesen. Aber nicht alle von uns haben eine genaue Vorstellung davon, was der Begriff bedeutet, obwohl wir alle ein inneres Kind in uns tragen, egal wie alt wir sind.Jedes innere Kind in jedem von uns ist anders und vor allem, es macht sich bei jedem von uns anders bemerkbar. So verschieden wir Menschen sind, so verschieden sind unsere inneren Kinder.

Der Begriff Inneres Kind kommt aus dem Reich der Psychologie und ist noch gar nicht so alt.

Andererseits gibt es eine lange Tradition in der Psychologie und in der Psychoanalyse, sich mit den inneren Zuständen der Kindheit zu befassen. Es ist das zentrale Charakteristikum aller psychodynamischen Ansätze, die Bedeutung unserer Kindheit und vor allem die inneren Bilder unseres Kindseins zusammen mit den inneren Bildern unserer Eltern zu beleuchten.

Schon der Schweizer Psychoanalytiker Carl Gustav Jung schloss den Erfahrungsraum des Kindes in seine Arbeit mit ein. Er sprach vom „göttlichen Kind“ in uns. Jung betonte, dass die frühen inneren seelischen Wirklichkeiten einen entscheidenden Einfluss auf das Erwachsenendasein haben. Der Dialog mit den inneren Kindanteilen war für ihn ein wichtiger Zugang zum Unbewussten.

Vor ca. fünfzehn Jahren schrieben Erika J. Chopich und Margaret Paul das Buch "Aussöhnung mit dem inneren Kind" und machten den Begriff populär. Auch das Buch "Versöhnung mit dem inneren Kind" von Thich Nhat Hanh ist ein bekanntes Werk über die heilende Kraft der Achtsamkeit für unser inneres Kind.

Ursprünglich jedoch basiert das Modell des Inneren Kindes auf dem psychologischen Konzept der Psychosynthese, zu deren Entwicklung der Italiener Roberto Assagioli beigetragen hat. Assagioli war ein Schüler von Freud, bis er sich von ihm abwandte und zum Pionier der transpersonalen Psychologie und Psychotherapie wurde. Der Psychiater und Psychotherapeut entwickelte mit der Idee der Psychosynthese ein Modell des Menschen, das Körper, Geist und Seele umfasst.

Bereits im Jahre 1910 wies Assagioli auf die Mängel des Freudschen Triebmodells hin. Er war der Überzeugung, dass, solange man den Menschen nur als ein von seinen Trieben gesteuertes Wesen betrachte, er in seiner komplexen Ganzheit nicht erfasst werden könne. Assagioli erkannte die Realität der Seele an und zwar als wesentlichen Teil der menschlichen Struktur. Er war überzeugt davon, dass der Mensch in seiner Essenz eine Seele ist und darüber hinaus eine Persönlichkeit besitzt, mit vielen Teilen, die er Teilpersönlichkeiten nannte.

Ein bekanntes Zitat Assagiolis lautet:
„Ich habe einen Körper, aber ich bin nicht mein Körper.
Ich habe Gefühle, aber ich bin nicht meine Gefühle.
Ich habe Wünsche, aber ich bin nicht meine Wünsche.
Ich habe einen Geist, aber ich bin nicht mein Geist.
Ich bin ein Zentrum aus reinem Bewusstsein.“

Assagioli ging es in seiner Arbeit darum, zu vermitteln wie der Mensch in Distanz zu dieser Persönlichkeit und ihren Teilen gehen kann, mit dem Ziel, sich davon zu disidentifizieren.

Er war davon überzeugt, dass der Mensch vom Zentrum des Bewusstseins aus, fähig sei, die einzelnen Teile seiner Person, also Körper, Geist, Seele, Gefühle und Gedanken, aber auch die vielen verschieden Rollen, die er im Laufe des Leben spielt und seine Verhaltensmuster zu erkennen um zu verändern. Ihm ging es um die Bewusstwerdung von schädigenden unbewussten Inhalten, um schließlich zu einer größeren Klarheit über das eigene Wesen zu gelangen. So ordnete er die Persönlichkeit dem Personalen Selbst oder dem Ich zu, in dem auch der Wille und damit die Fähigkeit zur Wahl angesiedelt sind. Und damit einhergehend - die Wahl bewusst und selbstbestimmt zu leben und zu handeln.

Unser Inneres Kind ist nur eine unserer vielen Teilpersönlichkeiten.
Es haust, wie viele dieser Teile unseres Selbst, im Unterbewusstsein. Von da aus agiert es und beeinflusst, je nach unserer individuellen Erfahrung, unser Leben als Erwachsene.

Das innere Kind ist machtvoll, besonders wenn es ein verletztes und/oder ein ungeliebtes inneres Kind ist.

Typisch für dieses Kind sind ein impulsives Verhalten und eine geringe Frustrationstoleranz. Schon die kleinste Kritik, die kleinste Zurückweisung können enorme, für andere unangemessene Reaktionen auslösen. Hat ein Mensch als Kind wenig Liebe und Beachtung, Schmerz oder sogar Missbrauch erlebt, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass der Erwachsene sein inneres Kind unbewusst ablehnt, weil er diese vernichtenden Erfahrungen nicht wieder fühlen will. Das als schmerzhaft Erlebte wird verdrängt.

Aber alles Verdrängte kommt auf den seltsamsten Wegen nach oben, wenn es abgeschnitten bleibt und nicht bewusst wird. Es ist nur verbannt in das Reich der inneren Schatten und führt dort ein mitunter zerstörerisches Eigenleben.

Im Prinzip ist das innere Kind ein Schattenaspekt unserer Persönlichkeit.

Es ist das Ungelebte, das Unverarbeitete und Verdrängte, es ist der Mangel und der Schmerz dessen, was wir als Kind erfahren haben, was uns angetan oder vorenthalten wurde und das, was uns über uns selbst zu denken und zu fühlen beigebracht wurde. Meistens durch die eigenen Eltern oder nahe stehende Bezugspersonen.

Durch das Abschneiden der schmerzhaften Gefühle, die wir als Kind erlebt haben, wird jedoch auch das Empfinden positiver Gefühle verhindert und Gefühle des Ungeliebtseins, der Leere, der Wut, der Trauer und der inneren Einsamkeit manifestieren sich. Es kommt zu keinem tiefen Kontakt mit uns selbst. Aber ein tiefer Kontakt zu Anderen ist ohne Verbindung zu uns selbst nicht möglich. Andererseits werden eigene Wünsche und Gefühle unterdrückt, in der unbewussten Hoffnung geliebt zu werden, wenn man sich den Erwartungen anderer anpasst.

Das ist ein Teil des Dramas des inneren Kindes, basierend auf der Wunde des Ungeliebten. Es ist das Kindheitstrauma derer, die Liebe ohne Bedingungen, niemals erfahren haben.

Unser inneres Kind ist zum einen das Symbol für unsere Verwundbarkeit und zum anderen der Ursprung für unsere Angst als Erwachsene wieder verletzt und zurückgewiesen zu werden. Es steht für unsere Sehnsucht nach Liebe, nach Anerkennung und der Akzeptanz, wir in Ordnung sind, genauso wie wir sind. Aber zugleich ist es auch der Teil in uns, der positiven Anteile unserer Person wie Spontaneität, Neugierde, Lebendigkeit, das Spielerische, Schöpfertum und die Fähigkeit, ganz im Moment sein zu können.

Das verletzte innere Kind aber kann all diese positiven Anteile nur begrenzt ausleben. Es ist wütend, es ist traurig und es fühlt sich schuldig, aufgrund der bis ins Erwachsenenalter unbewusst wirkenden Introjektion derer, die ihm Schmerzen oder Böses zugefügt haben.

Introjektion bedeutet, dass eine äußere Realität, also Objekte und/oder Objektqualitäten in das eigene seelische Innere einverleibt werden. Dies führt zu einer Identifizierung mit exakt den Eigenschaften dieses Objekts oder seiner Qualitäten. Die Folge ist eine lebenslange innere Zerrissenheit, ein innerer Kampf indem das Kind sich hilflos und ohnmächtig fühlt und seine ganze Kraft darauf verwendet sich zu befreien.

Die Psychoanalytikerin Luise Reddemann schrieb einmal: „Was in der Vergangenheit versäumt wurde, können später weder der Partner noch Freunde oder Kollegen und die eigenen Eltern wiedergutmachen. Man kann sein inneres Kind sozusagen nicht anderen Menschen auf den Schoß setzen.“

Wie aber wirkt das verletzte innere Kind in unserem Leben?

Wer ein ungeliebtes, verletztes inneres Kind in sich trägt, schreit ein Leben lang unbewusst oder bewusst nach Wiedergutmachung. Er fordert ein, was ihm als Kind verwehrt oder was in ihm zerstört wurde. Im Grunde aber schreit dieses Kind nach bedingungsloser Liebe, eine Liebe, die es in sich selbst nicht spürt, weil es sie nicht erfahren hat.

Menschen die ein verletztes inneres Kind in sich tragen sind der festen unbewussten Überzeugung, dass sie sich selbst nicht glücklich machen können und dass sie Schmerz und Ablehnung nicht aushalten können. Das führt auch dazu, dass sie dazu neigen andere für ihr  Leid verantwortlich zu machen, sie zu kontrollieren und zu manipulieren. Sich selbst entzieht das innere Kind hingegen jeglicher Kontrolle, es schreit nach Abgrenzung, obwohl es sich gleichzeitig nach nichts mehr sehnt, als nach Nähe und dem Gefühl geliebt zu werden.

Kinder, die wenig Liebe und Anerkennung erfahren haben, die seelisch oder körperlich missbraucht wurden, haben als Erwachsene ein geringes Selbstwertgefühl und sie spüren sich selbst nur begrenzt.

Sie haben Nachholbedarf. Ihr Verlangen ist es, mangelnde Anerkennung und Liebe als Erwachsener von anderen zu bekommen und zwar in Beziehungen und Partnerschaften. Aber weil man als Kind ihre Grenzen immer überschritten, oder sie nicht geachtet hat, können sich nur schwer abgrenzen, sie suchen Nähe und können sie nur schwer aushalten. Sie sind immer auf der Hut, denn das Zulassen von emotionaler oder körperlicher Nähe bedeutet im Zweifel wieder eine neue Verletzung.

Zerrissen zwischen der Sehnsucht nach Liebe und der Angst vor neuen Verletzungen leben sie in einem Niemandsland. Sie fühlen sich niemals angekommen und nie angenommen, wobei eins das andere bedingt – wer sich nicht angenommen fühlt ist ein Heimatloser in sich selbst und heimatlos in der Welt. Da sind immer die Wunden der alten Verletzungen und die kleinste Zurückweisung genügt, um wieder den alten Schmerz des Kindes zu spüren. Das Grundgefühl dieser Menschen ist: Ich bin nicht liebenswert. Ich kann niemandem vertrauen und er vertraut und glaubt nicht einmal sich selbst.

Aus der Angst heraus nicht liebenswert zu sein sind sie schnell bereit die Erwartungen der Anderen zu erfüllen, um erneute Zurückweisung, oder Liebesentzug zu vermeiden. Nicht selten führt das zu Abhängigkeit, vor allem vom Partner und manchmal sogar von den eigenen Kindern. Das Klammern an andere Menschen ist ein Ausdruck von Angst. Die Angst vor Verlust und die Angst vor der Einsamkeit. Beziehungen dieser Art sind nicht gesund und was Partnerschaften angeht, selten dauertüchtig. Kommt es zur Trennung wird das Glaubensmuster - ich bin nicht liebenswert, nicht gut genug - bestätigt. Ein Teufelskreis! Ein Leid ohne Ende.

Wo ist der Weg aus diesem Teufelskreis?

Zurück zu Assagioli: Zum Beobachter unserer inneren Welt von Gefühlen und Gedanken werden.

Viele von sind als Kind verletzt worden, durch Missachtung, negative Bewertungen, Beschimpfungen, Liebesentzug und Demütigungen bis hin zu emotionalem oder körperlichen Missbrauch. Aber nicht jeder von uns identifiziert sich ein Leben lang mit seinem verletzten inneren Kind. Wer sich mit diesem inneren Kind überwiegend identifiziert, hat es schwer „erwachsen zu werden“ - und damit meine ich, diesem verzweifelt nach Liebe schreienden Kind zu „entwachsen“ und sich wie ein erwachsener Mensch zu verhalten.

Aber was ist erwachsen?

Im Gegensatz zum Kind, dessen Existenz abhängig ist von der Fürsorge und Liebe seiner Eltern und anderen Bezugspersonen, ist der Erwachsene unabhängig. Er kann für sich selbst sorgen. Er ist in der Lage, Verantwortung für sein Leben zu übernehmen, er hat einen Willen und – was ihm als Kind nicht möglich war – er kann und er darf wollen und er kann das Gewollte auch in Handeln umsetzen. Er darf selbstständig handeln und er darf für sein Wohlergehen selbst sorgen. Ein Erwachsener ist fähig ohne die permanente Anerkennung und die Zuneigung von anderen zu überleben, ohne sich seiner gesamten Existenz gefährdet zu fühlen -  er ist emotional unabhängig.

Aber ist emotionale Unabhängigkeit überhaupt möglich?

Zweifellos ist lieben und geliebt werden entscheidend und wichtig um ein erfülltes Leben zu leben. Aber es gibt eben auch Zeiten im Leben, wo wir das nicht haben. Zeiten, in denen die Liebe zu einem Anderen abwesend ist. Zeiten, in denen wir allein sind mit uns selbst. Emotional allein. Und dann sind wir nicht anhängig an andere und in der Konsequenz unabhängig von deren emotionaler Zuwendung.

Allein mit sich selbst, das ist für keinen Menschen leicht aber für das verletzte innere Kind ist es ein Gefühl, das ihm den Boden unter den Füßen wegreißt. Denn das Glaubensmuster des Kindes ist: Ich muss geliebt werden, sonst kann ich nicht überleben. Wenn dieses Glaubensmuster vorherrscht sind wir unfrei – nicht nur in uns selbst, sondern in jeder zwischenmenschlichen Beziehung. Wir sind, wie als Kind, abhängig von Anderen und damit manipulierbar. Wir projizieren auf den Partner eine Art Ersatzelternteil und fordern unbewusst diese eine Liebe, die wir niemals bekommen haben. Das überfordert jeden Menschen, denn diese Forderung kann niemals erfüllt werden, weil sie alt ist und mit dem Partner nichts zu tun hat - es ist die kindliche Sucht nach Liebe und Anerkennung durch die Eltern. Wird sie nicht erfüllt, bleibt sie ein Leben lang ein Fass ohne Boden.

Wer will so leben?

Die Arbeit mit dem inneren Kind bedeutet den Willen zu haben den "inneren Erwachsenen" zu entwickeln. Sie bedeutet: Unser inneres Kind zu suchen um zu erkennen, welches innere Kind in uns wirkt, wie es sich fühlt, wie es agiert, um es zu identifizieren um uns schließlich zu disidentifizieren.

Ein mitunter lebenslanger, schmerzhafter Prozess. Dazu gehört auch unserem verletzten inneren Kind selbst die Wertschätzung und Anerkennung zu geben, die es vermisst hat.

Dazu gehört: Immer wieder aufs Neue Distanz einzunehmen – was bedeutet: Die Gefühle und die Ängste des inneren Kindes wahrzunehmen und sie als das zu erkennen, was sie sind – alte Gefühle der Verwundung, der Sehnsucht und des Schmerzes. Es bedeutet, diese Gefühle auszuhalten, sie nicht zu verdrängen sondern zuzulassen, ohne sich überfluten zu lassen. Das ist schwer.

Es ist auch schwer, das innere Kind zu umarmen anstatt es zu beschuldigen, es zu kritisieren und es zu vernichten, wenn es sich meldet, oder es nicht endlos zu bejammern und zu bemitleiden.

Dazu gehört Mitgefühl - was bedeutet, mit diesem Kind zu fühlen - und zwar als Erwachsener und nicht in der Rolle des Kindes. Denn Mitleid und vor allem Selbstmitleid ist eine Spirale nach unten, es ist immer potenziertes Leid.

Warum nicht mit dem Kind in uns sprechen und ihm immer wieder sagen: Du bist liebenswert, du hast Gutes verdient, dem inneren Kind Gutes tun und mit ihm zu spielen.

Es hilft, sich unserer Introjekte bewusst werden und sie so schwer es fällt, zu integrieren und nicht abzuspalten, oder auf andere zu übertragen. Und vor allem – es hilft - anzunehmen was ist.

Annehmen was ist, bedeutet: Verantwortung zu übernehmen für uns selbst und unser Schicksal. Und das gelingt nur dann wenn wir dem, was uns widerfahren ist, einen Sinn verleihen können. Wenn wir fest daran glauben, dass jede Erfahrung uns zu dem Menschen macht, der wir sind.

Jede Erfahrung, gerade die schmerzhaften lassen uns innerlich wachsen, sie lassen uns, wenn wir es zulassen, er - wachsen. Sie lassen uns reifer, empathischer und verständnisvoller werden - für die eigenen Mängel; Nöte und Sehnsüchte und die anderer.

Es macht also Sinn unserem "inneren Kind" einen "inneren Erwachsenen"  zu Seite zu stellen. Das ist ein langer Prozess und er erfordert Mut und Selbstbeobachtung. Er bedeutet auch unterscheiden zu lernen, wann unser inneres Kind die Kontrolle übernimmt und unser Leben mit seinen negativen Glaubensmustern boykottiert.

Die Arbeit mit dem inneren Kind, mit dem Ziel Verantwortung für unser Leben zu übernehmen, ist mit viel Angst verbunden.

Am Anfang dieses Prozesses steht die Entscheidung uns selbst lieben zu lernen und der feste Wille, dem Alten, der Vergangenheit zu entwachsen, wie gesagt - erwachsen zu werden, trotz der Angst und der tiefen Trauer über das nie Erhaltene, die Liebe, die uns verweigert wurde. Und schließlich auf diese Liebe zu verzichten.
Und anzuerkennen – ja in mir ist etwas „kaputt“. Das zugeben zu können, vor sich selbst und anderen, bedeutet sich selbst die Erlaubnis geben, das was weh tut fühlen fühlen zu dürfen. Bei vielen Menschen schafft das enorme Entlastung.

Es gibt Menschen, die das nicht können oder nicht wollen, Menschen, die in ihrer Verletzung, ihrer Trauer und in ihrer Wut stecken bleiben. Sie verletzen damit selbst immer wieder ihr eigenes inneres Kind. Sie lassen zu, dass anerzogene Glaubensmuster sie beherrschen. Sie fordern Rache und Vergeltung für das, was das Leben oder die Eltern ihnen angetan haben oder ihnen schuldig geblieben ist.

Nur werden die (vermeintlich) Schuldigen diesen Ausgleich in den seltensten Fällen herstellen. Weil sie nicht können, nicht wollen oder weil sie sich keiner Schuld bewusst sind.

Diesen Menschen, oder gar dem Leben etwas abzuverlangen zerreisst den, der das will. Er bleibt Opfer über die Zeit der Tat hinaus. Er ist ein ewiger Gefangener der mutmaßlichen oder wirklichen Täter und er ist auf immer gefangen im Introjekt. Er behandelt sich selbst genauso schlecht, wie er als Kind behandelt wurde und wird so letztlich zum Täter an sich selbst.

Der Volksmund sagt: Rache schaufelt immer zwei Gräber.

Mit dem Wunsch nach Rache und Vergeltung gelingt es nicht, das innere Kind zu besänftigen und schon gar nicht es liebevoll anzunehmen. Es wird immer wütender, immer verzweifelter und einsamer. Es findet niemals Ruhe und der Erwachsene findet niemals zu sich selbst und seinen schöpferischen Möglichkeiten.

Wenn uns alte Wahrheiten beherrschen erreichen uns neue heilende Wahrheiten nicht.

Aber was macht es so schwer eine neue, bessere Wahrheit in unser Leben zu lassen?

Es ist unser Unterbewusstsein, es ist der Schatten, den wir verdrängen und ausschließen aus unserem Bewusstsein. Der Schatten, der unser Leben genau darum überschattet, weil wir ihn nicht ins Licht holen. Wir spüren ihn und weil es weh tut, schauen wir ihm nicht ins Gesicht. Aber ihm ins Gesicht schauen, dem inneren Kind Gehör verschaffen, ist der Weg auf dem es uns gelingt den alten Schmerz zu fühle und zu heilen. All das was sich schlecht anfühlt anzuschauen bedeutet damit aufzuhören uns selbst etwas vorzumachen und es ist der Anfang zu dem zu stehen, was auch in uns ist – das Dunkle, die Angst, die Trauer, der Schmerz und die Wut. Es anzuschauen und ernst zu nehmen was wir sehen bedeutet zu weinen und die Wut auszudrücken, die Angst anzuschauen und ja, sie zu fühlen, anstatt sie zu unterdrücken, weil wir glauben all das darf nicht sein. All das darf sein! Und wenn es sein darf, verurteilen wir uns nicht länger für diese Gefühle. Das ist der erste Schritt zur Befreiung unseres inneren Kindes – es darf sein.

Die innere Wahrheit des Erwachsenen, wenn das innere Kind angenommen wird, ist: Ich bin für mich selbst, für mein Wohlergehen, mein Wohlbefinden, meine Zufriedenheit und mein Leben jetzt selbst verantwortlich. Ich habe den Willen, den Mut, die Kraft und die Macht es zu versuchen und danach zu handeln. Ich lasse zu und nehme an, was an Gefühlen in mir ist, die guten und die unguten, denn ich weiß um meine Schatten und ich weiß alle Teile in mir sind mein Ganzes. Spalte ich einen Teil von mir ab, bin ich nicht ganz.

Die Arbeit mit dem inneren Kind ist ein langer schmerzhafter Weg an dessen Ende die Versöhnung steht, mit dem, was das Leben uns aufträgt und es ist die Akzeptanz dessen, was das Leben uns zu lösen aufgibt.

Menschen, die ihr inneres Kind erlöst haben erkennt man auch daran, dass sie vom Wohlwollen und der Zuneigung anderer nicht mehr abhängen. Das bedeutet nicht, dass sie andere nicht mehr brauchen, aber sie sind fähig sich das, was sie brauchen selbst zu geben. Nicht geliebt oder abgelehnt zu werden, bedeutet für sie nicht mehr die Zerstörung ihrer Existenz.

Wenn wir unser inneres Kind erlöst haben, nehmen wir dieses Kind selbst auf den Schoß, wenn es das braucht. Und wir haben gelernt unser Kind zu beachten und es zu fragen - was brauchst DU, mein Kind - jetzt?

 


(c) Angelika Wende

43 Kommentare:

  1. Wirklich umwerfend geschrieben. Eine äußerst interessante Thematik, mit der man sich unbedingt beschäftigen sollte.

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    1. Ja, das stimmt. Das Thema ist mir nicht neu. Dieser Text holt mich komplett ab. Toll.

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  2. Den inneren Erwachsenen entwickeln...das ist genau mein Thema und meine Situation...Ihr Text passt genau dazu!

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  3. dieser Text spricht mich sehr an und meine Augen und mein Herz öffnen sich.....abhängig auch von den eigenen Kindern......welche Verstrickungen und welche Folgen für eben diese Kinder
    aber auch der heutige Blogeintrag (4.11.14) hat es auch für mich in sich.....mein Leben als Großfamilien-und Tagesmutter, als immer auf eine Fortsetzung des Studiums Hoffende, endet Punkt
    jedenfalls herzlichen Dank sehr geehrte, liebe Angelika Wende.
    Sanne

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  4. Sehr zutreffend sehr passend. Genau so beschrieben wie es sich anfühlt. Allerdings auch genauso schmerzhaft wie sie es beschrieben

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  5. Antworten
    1. Sehr guter Text, der eine Traumatherapie sehr gut beschreibt. Sie ist hart, braucht sehr viel Kraft und man geht an und über seine Grenzen. Aber, die Erfolge kommen und mit kleinen Schritten, da muss man lange kämpfen und durchhalten. Ich weiß nicht, ob es vielleicht auch andere Wege gibt. Das ist der einzige, den ich kenne. Alles Liebe😊

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    2. Sehr guter Text, der eine Traumatherapie sehr gut beschreibt. Sie ist hart, braucht sehr viel Kraft und man geht an und über seine Grenzen. Aber, die Erfolge kommen und mit kleinen Schritten, da muss man lange kämpfen und durchhalten. Ich weiß nicht, ob es vielleicht auch andere Wege gibt. Das ist der einzige, den ich kenne. Alles Liebe😊

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  6. Fantastischer Artikel!
    Es schildert dieses Konzept ,,Innerer Erwachsener-Inneres Kind'' ausgezeichnet. Ein ausgesprochen faszinierendes Thema.

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  7. Wundervoll. Spricht mir ganz aus dem Herzen. Welche Energie frei wird, wenn sich eine Große mit der Kleinen verträgt.
    Ich liebe meine Kleine. Sie ist so kühn, verspielt und trotzig.
    Danke für diesen tollen Text.

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  8. Ich durchlebe genau diesen oben beschriebenen Prozess.

    Ich habe viele Jahre ( Jahrzehnte ) das Kind ignoriert und nun durch Hilfe ist der Prozess ausgelöst worden.

    Ja. Es tut verdammt weh und es ist alles zusammen gebrochen. Jegliche Überzeugung, sehr viele Verhaltensweisen usw.

    Nun kommt die Selbsterkenntnis mit 37 Jahren ...

    Toller Text. Vielen Dank

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  9. mit 37 Jahren, das ist früh. Das ist gut. Andere erkennen nie.

    Herzlich,
    Angelika Wende

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  10. Hallo, ich bin durch google hierher gekommen und finde den Text auch gut..
    irgendwie kam es mir beim lesen aber ein bisschen so vor, als gäbe es da dem verletzten inneren Kind auch einen Vorwurf (vielleicht weil es wütend und zerstörerisch ist.) Bei dem Zitat von Frau Redemann ( habe ein Buch von ihr gelesen, das ich wirklich gut fand)bin ich mir unsicher. Wie kann man wissen ob es so ist? Man sollte sich vielleicht nicht darauf verlassen, wenn es einem schlecht geht. Das so zu sehen ,wie im Zitat beschrieben hat aber schon wieder etwas misstrauisches und ich glaube auch, dass noch ein paar andere Dinge dagegen Sprechen. Aber man darf es wahrscheinlich einfach nicht erwarten. Soll jetzt aber keine Kritik sein. Vielleicht hab ich auch etwas nicht so richig verstanden. Habs auf jeden Fall gern gelesen :-) viele Grüße Carsten

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  11. Vielen Dank Frau Wende. Ich bin heute durch einen anderen Blog von Ihnen, der in Facebook geteilt wurde, auf Sie aufmerksam geworden. Ich finde manchmal schwer die richtigen Worte. Ihr Artikel über das "Innere Kind: mich spricht Ihre besondere Art an, diese komplexen Dinge in Ruhe auszuführen. Danke für Ihre Art diesen Weg in so einer Klarheit zu beschreiben. Und es macht mir Hoffnung, dass dieser Prozess wirklich Zeit benötigt. Ich bin 48 Jahre, jetzt seit über 18 Jahren auf einem Genesungsweg, allerdings erst seit ca. zwei Jahren beschäftige ich mich mit meinem inneren Kind (..mal mehr, mal weniger). Und manchmal bin ich so verwundert wieviel Trauer, Schmerz, Wut und Angst sich immer "noch" zeigt. Ein lebenslanger Prozess - von Herzen Dank für diese Erinnerung. Freundliche Grüße Claudia

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  12. Wie schön, dass meine Worte ein wenig helefen können.

    Alles Liebe und Geduld ...

    Namaste

    Angelika

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  13. Ich bin beeindruckt, begeistert und betroffen zugleich von diesem Artikel über das innere Kind, Frau Wende. Oft hab ich davon gelesen und gehört, sie haben es in einfachen Worten ganz schön erklärt. Anfangs habe ich es gehasst, mein trotziges, hilfloses, zorniges Mäderl in mir drin. Durch die Therapie ist mir klar geworden, dass es zu mir gehört - auch mit den eher negativen Gefühlen und dem kindlichen Verhalten. Oft lehne ich es auch heute noch ab, weil Gefühl und Kopf nicht zusammenspielen. Ich glaube auch, dass ich ein Leben lang lernen werde gut mit allen Anteilen in mir umzugehen...

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  14. Liebe Brigitte,

    danke für Ihre Wertschätzung. Ich hoffe Sie können lernen dieses trotzige, hiflose, zorinige Mädchen so zu lieben wie es es verdient. Es hat nur Sie!

    Angelika Wende

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  15. Dank Google auf Ihren Artikel gestossen, weil ich laut Therapeutin mich mit meinem "inneren Kind" zusammen tun und kommunizieren soll. Vor allem aber um es und MICH selbst so zu lieben wie wir es verdienen! Danke von Herzen für diesen wundeebaren Artikel

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  16. Danke das freut mich sehr.

    Herzlich,
    Angelika Wende

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  17. Eine wirklich gute und bildliche Beschreibung auch meines inneren Gefühls. Und was habe ich alles getan um endlich Anerkennung und Liebe von AUSSEN zu bekommen. Das Buch "Das Kind in dir muss Heimat finden" von Stefanie Stahl, gibt sehr hilfreiche Möglichkeiten an die Hand, wieder fühlen zu lernen. Danke liebe Frau Angelika Wende. Menschen wie sie helfen dabei, diese wichtige innere Arbeit anzustoßen. Es wäre sehr interessant einen Kreis von "inneren Kindern" und "Erwachsenen" zu finden, für einen regelmäßigen Austausch um diesen Prozess zu vertiefen. Sozusagen einen Kindergarten für innere Kinder;-) um auf Augenhöhe zu kommunizieren. Das Verhältnis Therapeut Patient steht manchmal dem etwas im Weg. Ein anderes enttäuschtes Inneres Kind kann mein verletztes Kind besser verstehen/begreifen.

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  18. Danke für Ihre Wertschätzung!

    Wir meinen, dass ein anderes verletztes Kind uns besser verstehen kann. Manchmal ist es so, dann haben Menschen das Glück einen Menschen zu finden, der es kann. Meistens aber sieht es anders aus - es kommt zur unseligen Passung zweier verletzter innerer Kinder, die sich wieder gegenseitig verletzen. So ist es oft in disfunktionalen Beziehungen. Das elementar Wichtigste ist, dass wir selbst unser verletztes inneres Kind auf den Schoß nehmen.
    Alles Liebe für Sie.
    Angelika Wende

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  19. Mein inneres Kind hat mir gesagt, was ich mir schon lange wünsche: zu reisen und was zu erleben - doch mein Bürojob lässt es nicht zu.. kannst du mir helfen ? Was richtig und falsch ist? Alle erwarten doch von einem geregeltes Geld zu verdienen und einen sicheren Job zu haben.. Oder gibt es da noch was anderes?

    LG Hannes

    http://selbstbewusstseincoach.com/inneres-kind-heilen-uebungen-selbst-zum-opfer-machen/

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    1. Lieber Hannes,

      ja, es gibt noch etwas anderes, das was wir von uns selbst erwarten. Falls Du meine Hilfe in Anspruch nehmen möchtest:
      Hier der Link zu meiner Praxisseite: www.wende-praxis.de.

      Wenn du magst, ich bin da.

      Herzlich,

      Angelika

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  20. Sehr treffend beschrieben!
    Der Text gibt in weiten Teilen das wieder, was ich bei meiner Arbeit mit dem inneren Kind erfahren habe und erfahre.

    Vielen Dank für` s Teilen!

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  21. ich beschäftige mich schon sehr viele Jahre mit meinem inneren Kind , dieser Artikel bestätigt mir auf dem richtigen Weg zu sein. Vielen Dank

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  22. Mir liefen die Tränen beim lesen....sehr gut geschrieben...ich hab schon ewig eine Blockade sowie das Thema angeschnitten wird...hab ein achtmonatige Therapie hinter mir....mein Therapeut sagte....deine Mauern sind so hoch und breit gebaut.....ich komme nicht durch....glaube ich hab mich schon lang aufgegeben....manchmal fühle ich einfach nichts....

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  23. Gib dich niemals auf, versuch es immer wieder.
    In jeder Art von Entwicklung und Wachstum kann es geschehen, dass wir wie Sisyphos in der scheinbar sinnlosen Wiederholung des immer Gleichen gefangen sind. Dennoch vollzieht sich in diesen immer neuen Runden doch ein Weiterkommen. Wie in einer Art Spiralbewegung, in der die Linie immer wieder an den gleichen Punkt zurückkehrt, geht es nach vorne. Ganz gleich wie oft die Bewegung vollzogen wird, irgendwann kommt der Punkt an dem uns der Absprung gelingt und wir zu einer neuen Form finden.

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  24. Hallo,
    ich bin 27 und arbeite seit einem halben Jahr mit dem inneren Kind. Angefangen mit Panikattacken auf der Arbeit. Auch ich musste viel Schmerz einstecken. Aber ich merke Veränderung. Sehr positive Veränderung. Es gibt Phasen in denen ich einfach Wunschlos glücklich bin und mich als Einheit mit dem inneren Kind sehe. Natürlich dauert dieser Prozess noch länger evtl. ein Leben lang. Aber ich will Verantwortung übernehmen. Von außen scheint mein Leben oft perfekt. Alles was ich brauche besitze ich eigentlich. Jahre lang habe ich mich gefragt, warum ich nicht glücklich bin, was mir fehlt, warum ich nicht fühle und nicht in Verbidung mit mir bin. Jetzt weiß ich es und arbeite täglich daran.

    Vielen Lieben Dank für den Text. :-)
    Dran bleiben, es lohnt sich!

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  25. Ich kann nur danke sagen.
    Seit vielen Jahren suche ich nach Hilfe bei inneren Vollblockaden, die immer wieder auftauchen. Dass mein inneres Kind die Erwachsene sabotiert, weiß ich. Ich weiß ohnehin durch lange Forschung zu meinen Problemen sehr viel, aber ich weiß das alles leider nur im Kopf, selten nur in meiner Seele. Handeln, dann, wenn ich es muss, brauche und will, kann ich trotzdem oft genug nicht. Energie weg, Kraft weg, Selbstbestimmung weg.
    Ich habe die Erfahrung gemacht, dass manche Worte sitzen, manche einfach reingehen und mich zum Handeln bringen. Dann, wenn sie das Problem treffen, wenn sie wahr sind, wenn ich verstanden werde. Ich sage nicht, dass ich im Lauf der Jahre nicht stückweise weitergekommen wäre. Und diese Worte hier in diesem Artikel, vor allem ab dem Abshnitt, in dem es um "erwachsen" und "entwachsen" geht, sind ganz besonders effektiv und in der Tiefe richtig.
    Viele Spezialisten habe ich befragt, viel Geld habe ich bei vielen Menschen gelassen - verstehen konnten bislang die wenigsten mein Problem. Viele Sätze, die man immer wieder gern sagt, weil es bequem ist (aber auch ziemlich dumm), habe ich gehört. Einer davon, nahezu der schlimmste, der zu diesem Unsinn gehört, ist: "Sie können nicht? Haha, sie wollen nicht!"
    Billig diese Sätze, teuer der Preis.
    Daser Artikel mit seiner Klugheit und vor allem Verständnis und Widmung hilft mir, das glaube ich. Und probiere es gleich heute aus. Mit Freude.
    Und bin wirklich sehr, sehr dankbar!!
    Irene

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  26. Liebe Irene,
    das freut mich sehr.
    Danke!

    Herzlich,
    Angelika Wende

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  27. ich werde es einfach nicht schaffen
    ich versuche schon eine lösung dafür zu finden und alles normal wird ...aber es klappt nicht :(
    und die ärzte kann ich mittlerweile verstehen warum es so lange alles dauert und die einfach nix dazu rivhtig sagen sondern nur zuhören und schuld auf drogen alkohol geben

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  28. Hallo,
    durch Zufall über Google bin ich auf diese Seite gekommen. Ich finde es großartig, mit welcher Ausführlichkeit und Hingabe Angelika Wende u. a. eingehend auch mit dem Thema „Inneres Kind“ beschäftigt und mit ihren Erläuterungen sicherlich hilfreich ist für anderen Menschen, die von dieser Thematik sich betroffen fühlen.
    Fast könnte man vermuten, dass hier auch aus eigener Erfahrung berichtet wird. Vieles, was hier angeführt wurde, ist sehr verständlich und gut nachvollziehbar erörtert. Manches würde ich persönlich ein wenig anders sehen oder auch nur ergänzen wollen. Aber dafür ist ein Blog wohl auch gedacht, dass Menschen sich hier austauschen können, selbstredend höflich und respektvoll.
    So steht im Text geschrieben: „Kinder, die wenig Liebe und Anerkennung erfahren haben, die seelisch oder körperlich missbraucht wurden, haben als Erwachsene ein geringes Selbstwertgefühl und sie spüren sich selbst nur begrenzt.“ Nun, ich meine: Oder aber kann sich auch in einem übersteigerten Selbstwertgefühl zeigen. Auch das ist möglich.
    „…wer sich nicht angenommen fühlt ist ein Heimatloser in sich selbst und heimatlos in der Welt.“
    Das klingt so negativ. Muss es das sein? Sich als Heimatloser und heimatlos in der Welt zu fühlen, kann durchaus auch als ein sehr positives und kraftvolles Gefühl sich anfühlen. Ganz einfach, indem dieses Gefühl der Heimatlosigkeit transformiert wurde, in ein Gefühl der universellen Zugehörigkeit sich mit allem und jedem verbunden zu fühlen. Damit werden die engen Grenzen von Heimatgefühl und Zugehörigkeit zu Nationalität, ethnische, religiöse Zugehörigkeit aufgelöst und anstatt des Gefühls von Heimatlosigkeit entsteht ein Gefühl von liebevoller Zugehörigkeit zu EINEM grossen Ganzen, in dem alles enthalten ist und enthalten sein darf.



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  29. Weiter steht geschrieben: „Aber ist emotionale Unabhängigkeit überhaupt möglich?“ Meiner Ansicht nach: Ja, das ist es. Es ist möglich, dann, wenn ein Mensch bei sich selbst angekommen ist.
    „Annehmen was ist, bedeutet: Verantwortung zu übernehmen für uns selbst und unser Schicksal.Jede Erfahrung, gerade die schmerzhaften lassen uns innerlich wachsen, sie lassen uns, wenn wir es zulassen, er - wachsen. Sie lassen uns reifer, empathischer und verständnisvoller werden - für die eigenen Mängel; Nöte und Sehnsüchte und die anderer.“
    Richtig. Und ich würde es gerne noch ergänzen wollen durch: Verantwortlich und in liebevollem Verständnis für die eigenen Unzulänglichkeiten und Mängel, wie auch verständnisvoll und in gewisser Weise auch liebevoller Nachsicht auch für die Mängel und Unzulänglichkeiten anderer. Denn niemand ist vollkommen und damit fehlerfrei! Daher gehört zum inneren Kind finden auch das Verzeihen-Können dazu.
    Schmerzvolle, negative Erfahrungen lassen sich auch in positive Erfahrungen verwandeln, in der Art, dass man negative Erfahrungen sich genauer ansieht und dann für sich entscheidet: das, was mir hier gezeigt wurde, das, was ich hier erfahren musste, ist etwas, wie es genau nicht sein sollte (!) und ich nehme es mir zum Vorbild, wie es nicht sein sollte und mache es anders.
    Die innere Wahrheit des Erwachsenen, wenn das innere Kind angenommen wird, ist: Ich bin für mich selbst voll verantwortlich! Für mein persönliches Wohlergehen, mein Wohlbefinden, meine persönliche Zufriedenheit, für mein Leben.
    "Ich habe den Willen, den Mut, die Kraft und die Macht es zu versuchen und danach zu handeln. Ich lasse zu und nehme an, was an Gefühlen in mir ist, die guten und die unguten, denn ich weiß um meine Schatten und ich weiß alle Teile in mir sind mein Ganzes.“
    Nun, meiner Ansicht nach, das innere Kind eigenverantwortlich und liebevoll anzunehmen, bedeutet vor allem auch zu lernen sich selbst zu schützen vor verletzendem Verhalten anderer; was bedeutet zu lernen Grenzen zu setzen, diese klar aufzuzeigen, im Sinne von: Bis hier hin und keinen Schritt weiter! und dabei verinnerlicht zu haben, ein Recht zu haben, persönliche Grenzen aufzeigen!

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  30. Menschen, die ihr inneres Kind erlöst haben, erkennt man auch daran, dass sie vom Wohlwollen und der Zuneigung anderer nicht (mehr) abhängig sind.
    Menschen, die sich ihrem inneren Kind in Liebe zugewendet und es „erlöst“ haben von schmerzvollen Erfahrungen in der Vergangenheit, haben sich selbst befreit, was man auch daran erkennt, dass sie gut für sich selbst sorgen können, ohne jegliche Anspruchshaltung an andere. Die ganz im Sinne dessen leben: Ich brauche dich, weil ich dich liebe. Und NICHT: ich liebe dich, weil ich dich brauche!
    Menschen, die ihr inneres Kind eigenverantwortlich und in Liebe angenommen haben, erkennt man auch daran, dass sie gelernt haben anderen, die ihnen Leid zugefügt haben, vergeben zu können.
    Denn so lange ein Mensch nicht gelernt hat anderen zu vergeben, erlittenes Unrecht zu verzeihen, so lange wird ein Mensch innerlich nicht wirklich frei und befreit somit sein inneres Kind auch nur halbherzig.
    Um innerlich frei zu werden, ist es notwendig mit der Vergangenheit abzuschließen, zu erkennen, dass das, was war, nicht mehr geändert und nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Das ist mit Sicherheit ein schmerzlicher Prozess, aber es ist wichtig da hindurch zu gehen, will ein Mensch sich nicht stetig wieder und wieder in einem emotionalen Teufelskreis drehen und dabei letztlich immer wieder und wieder an den Selben schmerzlichen Erinnerungen ankommen.
    Was vorbei ist, ist nicht mehr zu ändern. Wichtig ist, sich zu fragen: Wie will ich leben? In Zufriedenheit, emotionaler Unverletzbarkeit, Dankbarkeit und liebevollen Wohlwollen? Oder sich weiter hilflos fühlen, ewige alte Wunden aufreißen, in Selbstmitleid ertrinken, sich selbst zum Opfer machen?
    Sicher: Schmerz ist unvermeidlich, aber Leiden ist freiwillig. Wenn wir anderen jedoch die Schuld geben, dann geben wir ihnen Macht über uns und unser Leben, und entmachten uns selbst und machen uns so selbst zum Opfer.
    Wieso muss jemand deprimiert und verzweifelt sein, wenn ein anderer ihm übel mitgespielt hat? Wieso muss der Tag total vermießt sein, nur weil jemand zu uns eine dumme Bemerkung gemacht hat? Wieso sollte jemand sich dafür entscheiden, sein ganzes Leben unter der Erziehung seiner Eltern zu leiden?
    Das MUSS niemand! Ein Mensch muss nur leiden, wenn er anderen Menschen und dem Schicksal Macht über sich gibt, indem er sich in eine Opferrolle begibt. Ich weiß, das klingt hart und wenig mitfühlend, aber es ist die Realität.
    Nur derjenige fügt sich selbst sehr viel Leid zu, indem er sich selbst als "armes" Opfer sieht, sich anderen ausgeliefert fühlt, und glaubt, keine Wahl zu haben über sein Leben und seine Gefühle selbst zu bestimmen.
    Ein unbeschwertes und leichtes Leben macht nicht glücklich. Viel wichtiger ist es zu lernen mit unerfreulichen Ereignissen und Problemen umgehen zu können.
    Wenn Menschen Unerfreuliches erleben, dann entscheidet ihre Einstellung dazu, ob und wie stark sie leiden. Unglücklich und deprimiert ist derjenige, der sich als Opfer der Umstände oder des Schicksals ansieht und glaubt, seine schlechten Karten seien für sein Unglück verantwortlich.
    Zufrieden ist derjenige, der glaubt, sein Schicksal selbst in die Hand nehmen zu können, verinnerlicht hat, dass "Schicksal machbar ist" und trotz widriger Umstände seines Glückes Schmied zu sein.
    Glücklich und zufrieden sein heißt nicht, keine unerfreulichen und schmerzvollen Erfahrungen zu machen! Sich trotz widriger Umstände gut zu fühlen, heißt vielmehr, überzeugt zu sein, über den Willen und die Kraft zu verfügen, das ändern und beeinflussen zu können, was einem widerfährt, zu erkennen, was einem gut tut und was nicht, sein Leben in die eigenen Hände zu nehmen, das Beste aus dem zu machen, was einem widerfährt. Als Kind kann das niemand, aber als Erwachsener! Und niemand kann einem anderen schlechte Gefühle machen, wenn der andere das für sich nicht zuläßt.

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  31. Meiner Ansicht nach ist es wirklich wichtig all das zu erkennen und zu verinnerlichen, wenn jemand raus will aus einem schmerzvollen emotionalen Teufelskreis, wenn jemand sich befreien will. Mit Sicherheit ist das nicht einfach. Aber es ist machbar. Und das sollte Hoffnung machen, auch, dass andere es geschafft haben und jemand sich daran orientieren kann, hoffnungsvoll und zuversichtlich, wenn es andere geschafft haben, es auch selbst schaffen zu können. Und überhaupt: Dass das Leben leicht ist, wurde niemanden an der Wiege versprochen. Aber wir haben einen grossartigen, wunderbaren Schatz geschenkt bekommen, nämlich unser Leben! Was einzigartig ist und es unsere Aufgabe und Verpflichtung ist, diesen Schatz bestmöglichst zu behüten, auch aus der Dankbarkeit heraus am Leben zu sein.
    Wichtig zu verinnerlichen, dass Leben immer nur im Hier und Jetzt stattfindet und ein jeder letztlich für sich selbst entscheidet, wie er mit den tagtäglichen Erfahrungen – den angenehmen wie den weniger angenehmen, umgehen möchte und zu erkennen, dass in beidem, dem angenehmen, schönen wie dem weniger angenehmen, wie auch heftigen Erfahrungen, immer wunderbare Chance liegen, uns weiterzuentwickeln und es dabei immer auf jeden selbst ankommt, was er aus den persönlichen Erfahrungen seines Lebens macht...
    Im Text steht geschrieben: „Das bedeutet nicht, dass sie andere nicht mehr brauchen, aber sie sind fähig sich das, was sie brauchen selbst zu geben.“
    Nun, ich meine auch, es bedeutet vor allem, dass Menschen sich aus emotionaler Abhängigkeit befreit haben.
    „Nicht geliebt oder abgelehnt zu werden…“
    Nun, das ist nicht schlimm! Dabei sollte man sich darüber klar werden, dass abgesehen von Schutzbefohlenen, wie es Kinder sind, ein erwachsener Mensch keinen Anspruch darauf hat, dass andere ihn lieben müssen, lieben sollen. Dafür ist in erster Linie ein jeder selbst zuständig.
    Sich in gesunder Selbstliebe zu begegnen, sich wertzuschätzen, die eigene Würde zu achten und dafür Sorge zu tragen, dass es einem selbst an Leib und Seele gut geht: Niemand anderes ist dafür zuständig!
    Und zudem: niemand ist auf der Welt, um so zu sein, wie andere ihn gern haben wollen!

    Liebe Angelika Wende,
    das erste Mal, dass ich in einen Blog geschrieben habe. Ihnen ein herzliches Dankeschön für all die Hingabe, Ihre Erfahrung und Liebe, mit der Sie sich ausführlich diesem und anderen zutiefst bewegenden menschlichen Themen widmen und dies alles mit anderen teilen.

    Herzlich,
    Anna

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  32. Danke für Ihre Worte, liebe Anna.

    Namasté
    Angelika

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