Sonntag, 4. August 2024

Es war einmal

 

                                                                Foto: A.Wende


Du kannst die Vergangenheit nicht ändern.
Du kannst den Blick auf die Vergangenheit ändern, damit ändert sich ihre Wirkung auf das Jetzt.
 
Was war, war, was geschehen ist, ist geschehen. Manches war gut, manches ungut und manches wünscht man sich, wäre besser nie geschehen, aber es ist geschehen und wir können nichts mehr daran ändern. Dennoch, wir sind auch unsere Vergangenheit und sie hat uns zu dem Menschen gemacht, der wir heute sind. Sie hat uns auf vielerlei Weise geprägt – unser Denken, unser Fühlen, unser Verhalten und unser Handeln.
Vieles vom Alten nehmen wir auf unserer Reise durch das Leben mit. All unsere Erfahrungen sind gespeichert, bewusst oder unbewusst. An die bewussten kommen wir ran, an die unbewussten nicht so leicht. Die bewussten Erfahrungen können wir anschauen, neu betrachten, durcharbeiten und anders bewerten, wir können ihnen einen Sinn verleihen, sie betrauern oder bedauern und dann irgendwann, wenn es gut läuft, emotional damit abschließen, damit sie uns nicht im Jetzt behindern. An die unbewussten kommen wir nicht so einfach ran, manches bleibt im Keller der Psyche verborgen und führt ein Eigenleben. Es braucht viel Arbeit an uns selbst um die Dinge bewusst zu machen und manchmal gelingt es dennoch nicht.
Es ist okay, nicht alles kann gelingen.
 
Wenn wir aber allzu sehr in der Vergangenheit leben, verpassen wir das Erleben im Jetzt. Unsere Gegenwart ist zumindest mit den belastenden oder traumatischen Erfahrungen eingefärbt und wir handeln aus alten Mustern und inneren Überzeugungen heraus. Damit verpassen wir vieles was uns glücklicher machen könnte und machen vieles kaputt, was gut sein könnte oder wir sehen das Gute erst gar nicht.
 
Es macht Sinn sich mit der eigenen Geschichte auseinanderzusetzen um uns selbst besser zu verstehen, uns tiefer zu verstehen. Und dazu ist die Vergangenheit der Schlüssel. Wenn wir wissen wie unsere Überzeugungen und Muster, Verhaltensweisen, Gedanken und Gefühle entstanden sind, ändert sich unser Blick auf uns selbst und damit ändert sich die Wirkung der Vergangenheit auf das Jetzt. Wir begreifen, warum wir so oder so gehandelt haben, damals mit dem Wissen und der Erfahrung, die wir zu diesem Zeitpunkt hatten. Wir verzeihen uns Fehler, die zu Unheilsamen geführt haben, wir sehen und erkennen an, was wir gelernt und begriffen haben. Dieses Erkennen hilft uns, es in der Gegenwart anders zu machen. 
 
Nicht alles was uns an Unheilsamen widerfahren ist, ist zu verstehen und nicht alles ist zu verzeihen. Manches ist nicht zu verstehen und manches ist nicht zu verzeihen. Nicht alle Schmerzen sind heilbar. Manches wiegt so schwer, dass es uns ein Leben lang begleiten wird, auch das ist möglich und das gilt es zu integrieren, auch wenn es schmerzt. Tun wir das nicht leiden wir.
Es geht darum hinzuschauen und uns selbst Verständnis, Liebe und Mitgefühl zu schenken. Es geht um die Aussöhnung mit der eigenen Vergangenheit und um die Versöhnung mit uns selbst.
Es geht um das Verstehen eigenen Denkens, Fühlens und Verhaltens aus dem heutigen Abstand heraus, mit dem heutigen Wissen und der gewonnenen Reife. Das ändert zwar nicht die Vergangenheit, aber es kann unsere Haltung zu ihr wandeln.
 
Uns selbst aus unserer Geschichte heraus als der Mensch, der wir geworden sind, zu begreifen bedeutet auch: Wir entzerren das verzerrte Bild, das wir von uns selbst haben, wir korrigieren die Haltung, die wir uns selbst gegenüber haben, wir nehmen uns selbst in Besitz, unabhängig von anderen oder was andere über uns denken - wir werden selbstabhängig. Wir befreien uns von Selbstanklagen, Schuld, Scham und Selbstvorwürfen. Wir wählen Selbstermächtigung. Damit ergreifen wir bewusst unsere Verantwortung für die Gestaltung eines besseren Jetzt, mit dem Wissen, das wir jetzt haben, dank dessen, was einmal war. 
 
 
 
Angelika Wende
 
 

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