Sonntag, 20. Januar 2013

Das Schöne





es ist immer wieder ein kleines wunder, ein weißes wunderbares, wenn sich schnee über das land legt. wenn alles sauber und rein aussieht, wenn alles laute gedämpft klingt und der himmel still und leise eisige flocken ausschüttet.

ich liebe schnee. schon als kind liebte ich ihn. ich streckte die hände aus und versuchte eine der millionen kleinen flocken einzufangen. ich streckte die zunge heraus, um sie in meinem mund aufzufangen und noch im selben moment spürte ich sie schmelzen. sie ließen sich nicht halten und ich, staunend wie unfassbar etwas sein kann, wiederholte meine versuche bis ich es schließlich müde wurde und mit den anderen kindern in die schneeballschlacht zog.

als kind nahm ich das weiße wunder in mich hinein, ohne den gedanken, der sich mir heute aufdrängt - den gedanken an das schöne und seine vergänglichkeit.

ich liebe das schöne und ich fürchte die vergänglichkeit, seit ich des denkens fähig bin. die erfahrung der vergänglichkeit durchzieht unser aller leben. was uns heute begegnet, was uns an schönem geschenkt wird, ist morgen nur noch erinnerung. das schöne lässt sich schauen, spüren, mit all unseren sinnen erfahren, genießen - halten lässt es sich nicht.

"denn das schöne ist nichts als des schrecklichen anfang, den wir noch gerade ertragen", schreibt rainer maria rilke, der sich zeit seines lebens mit dem faszinosum des schönen und des vergänglichen befasste. für rilke sind wir die kreatur, die immer abschied nimmt. abschied- unvermeidlich, unausweichbar, ein gehen, das bereits im kommen angelegt ist. das macht traurig, das macht das schöne schrecklich. es verleiht ihm den schrecken des fortgangs. das verflüchtigen eines seienden, das doch bleiben soll und doch immer zum gewesenen wird.

das schöne zerrinnt, es zerfällt, es schmilzt dahin wie die schneeflocken damals in meinem kindermund. wie oft habe ich versucht den schönen moment zu halten, ihn festzuhalten und immer erfolglos. schrecklich die erfahrung einer rückhaltlosen vergänglichkeit. schrecklich das abschiednehmen.  "partir c´est toujours un peu mourir", wie die franzosen sagen. schrecklich dieses kleine bisschen sterben, das wir mit jedem abschied üben, das uns die endlichkeit aller schönheit des lebens gewahr werden lässt. millionen kleine tode, eine vorbereitung auf den endgültigen abschied. das ist das schreckliche im vergehen des schönen - die endgültigkeit um die wir wissen, die endgültigkeit aller dinge und die endlichkeit unseres lebens. und doch halten wir sie aus, diese erfahrung, denn da ist etwas, was dem schrecklichen seinen schrecken nimmt -  es ist die erinnerung, die wir halten können und es sind die gedanken an das schöne und es ist die dankbarkeit, die in diesen gedanken mitschwingt und die liebe zum wunder leben.

"wahrscheinlich ist schönheit nichts anderes als geliebtwordensein. denn etwas lieben und es verschönen ist ein und dasselbe. und seine liebe zu verbreiten und andere ihre schönheit finden zu machen ist auch ein und dasselbe", schreibt musil im "mann ohne eigenschaften".

wie schön und wie wahr. 


2 Kommentare:

  1. Meike_gestern ausstellung20. Januar 2013 um 12:34

    Ich liebe auch den schnee!!! es ist etwas wunderschönes und man versucht dies nie zu vergessen, wie die schneeflocken leise zum Boden schweben, um dort liegen zu bleiben oder zu verschwinden.... es macht spaß sie anzuschauen, bringt ruhe und besinnlichkeit in einem, so wie der regen einen traurig und nachdenklich macht.

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  2. liebe meike, gestern ausstellung :-)

    schön, dich hier zu finden.

    danke für deine schönen worte!
    angelika

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