Donnerstag, 21. Januar 2021

Aus der Praxis – Wiedergutmachung

 

                                                     Malerei: A. Wende

 

Meine Klientin wurde von ihrem Ehemann betrogen. Der Betrug ist zwei Jahre her, aber sie leidet noch immer darunter. Nach mehreren untauglichen Versuchen die Beziehung wieder zu kitten, haben sich beide dafür entschieden sie zu beenden. „Ich war nicht mehr fähig ihm zu vertrauen“, sagt sie, der Betrug war ein Bruch, der mich in meiner ganzen Person erschüttert hat. 

Warum das so ist, kann sie nicht genau sagen. Dennoch, die beiden können nicht voneinander lassen. Trotz der Trennung fühlen sie sich zueinander hingezogen. Sie haben weiter telefonischen Kontakt. Immer wieder geht es in ihren Gesprächen um den Betrug, für den er sich immer wieder entschuldigt und den er bereut. Aber es hilft meine Klientin nicht. Sie versteht nicht, dass sie sich so in ihrem Mann getäuscht hat und sich derart hat täuschen lassen. Als sich sie frage, was sie sich denn von ihm wünscht sagt sie: "Ich will, dass er es wieder gut macht."

Meine Klientin hat einen Wiedergutmachungswunsch. 

Nun hat er aber seinen Fehler immer wieder zugegeben und es tut ihm auch leid, aber gut wird es nicht. Egal wie oft er sagt, dass es ihm leid tut. Ihr reicht das nicht um ihr Herz wieder zu öffnen.

Wie es scheint, kann keine für beide keine friedliche Auflösung gefunden werden. Wie auch etwas gut machen was geschehen ist und nicht mehr rückgängig zu machen ist? Wie die Vergangenheit auslöschen? Das ist unmöglich. Aber dieses Unmögliche wünscht sich diese Frau von Ihrem Exmann. Und er kann es ihr nicht geben. Eine traurige Geschichte, denn dass da noch Liebe zwischen den beiden ist, spüre ich. 

 

Ich frage mich: Was bedeutet das eigentlich Wiedergutmachung?

Wiedergutmachung besteht nicht darin, unsere Sicht der Dinge darzulegen oder zu erklären. Wiedergutmachung besteht darin, Unrecht das man einem anderen angetan hat, zuzugeben, sich dafür zu entschuldigen und, wenn irgend möglich, dieses wieder gut zu machen.

Im 12 Schritte Programm der Anonymen Alkoholiker heißt es im 9. Schritt: „Wir machten bei diesen Menschen alles wieder gut – wo immer es möglich war –, es sei denn, wir hätten dadurch sie oder andere verletzt. Wer diesen Schritt macht, ist überhaupt erst bereit, um Vergebung zu bitten.

Um um Vergebung zu bitten braucht es Einsicht, Mitgefühl, Sensibilität, Besonnenheit, Bereitschaft, Mut und ein Gefühl für den richtigen Zeitpunkt um diesen Schritt zu tun. Aber vor allem braucht es Demut und Aufrichtigkeit. Nur so kann es gelingen eine zerbrochene Beziehung wieder zu kitten, vorausgesetzt der andere ist dazu bereit.

Warum ist der richtige Zeitpunkt so wichtig?

Es ist äußerst wichtig, dass wir in unserem Bemühen um Wiedergutmachung nicht unbesonnen, sondern sehr bewusst und klar handeln. Es muss klar sein, was wir anbieten und wir müssen es auch halten können was wir anbieten, das heißt – nicht nur in Worten, sondern in Taten. Es nützt nichts zu sagen: Es tut mir leid, ich werde es nie mehr tun. Man darf es auch nie mehr tun. Und das sollte sich der, der sich um Wiedergutmachung bemüht genau überlegen – ob er sein Versprechen ernst nimmt und sich, sich selbst und dem anderen gegenüber, dazu verpflichtet es zu halten.

Von großer Bedeutung sind auch folgende Überlegungen:

Ist das überhaupt wieder gut zu machen?

Wie und wodurch könnte es wieder gut gemacht werden?

Was kann ich aktiv tun um es wieder gut zu machen?

Und: Was braucht der andere von mir, damit es bei ihm wieder gut wird?

Das können wir ihn fragen.

Was wünscht du dir von mir?

Was kann dir helfen, dass es wieder gut ist und du wieder gut mit mir?

Wenn der andere jedoch nicht bereit ist überhaupt über die Angelegenheit zu sprechen haben wir das zu respektieren,  gibt er uns die Gelegenheit, uns zu entschuldigen, sollten wir uns kurz fassen und über die konkrete Situation reden, indem wir den Kern des getanen Unrechts erfassen, und uns nicht in Einzelheiten verlieren.

Im Falle meiner Klientin ist der Betrug nicht der Kern der Kränkung. Er ist der Auslöser, der ihren Kern verletzt hat. Da ist zum einen die Tatsache, dass sie diesen Betrug ihrem Mann nicht zugetraut hätte, weil sie ihm vertraut hat. Es geht also um ihr Vertrauen, dass er missbraucht hat.  Das kann sie ihm nicht verzeihen, sagt sie, weil sie ihm diesen Vertrauensvorschuss gegeben hat in der Annahme, dass er damit vertrauensvoll umgeht und dass er ihr Vertrauen wertschätzt.

Das Nichtwertschätzen zum anderen ist der eigentliche Kern, das was der Mann bisher nicht mehr gut machen konnte. Er hat ihr das Gefühl genommen wertvoll für ihn zu sein, so wertvoll, dass er sie nicht verletzen will und es auch nicht tut. Er hat sie verletzt und er hat ihr dieses Gefühl von Wertschätzung nicht wiedergegeben, weil er keine Handlungen in diese Richtung vorgenommen hat. Sein bloßes: „Es tut mir leid“ ist eine Entschuldigung, aber keine lebendige, gelebte, spürbare Wertschätzung. Aber genau diese gefühlte Wertschätzung von seiner Seite ist es, die meine Klientin braucht um wieder gut zu sein.

Der Mann allerdings rechtfertig sich nur. Er findet Gründe wieso und warum und was  seine Frau dazu beigetragen hat, dass er sie betrogen hat. Er entschuldigt sich zwar, aber all das ist nicht heilsam für das zutiefst verletzte Eigenwertgefühl seiner Frau. Es macht es nicht wieder fühlbar für sie. Sie nimmt ihm nicht ab, dass er es wieder gut machen will.

Wenn wir etwas wieder gut machen wollen müssen wir unseren Willen zur Aussöhnung zeigen und niemals den Wunsch nach Rechtfertigung. Wir müssen alles uns Mögliche tun um diese Aussöhnung auch zu leben.  

Damit haben wir alles getan, was in unserer Macht steht, um eine Beziehungen wieder in Ordnung zu bringen und uns mit dem anderen auszusöhnen. Wir sind auf ihn zu- und eingegangen, wir haben seine Verletzung verstanden, sie nachvollziehen und nachfühlen können und wir haben alles getan, damit es ihm wieder gut gehen kann. Wenn das gelingt, verspüren beide eine neue Art von Frieden.

 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen