Am Anfang hatte ich oft
„Ich liebe dich“, gesagt, immer wieder hatte ich es gesagt, jeden Tag hatte ich
es zu ihr gesagt, ein paar Mal. Ich wurde nicht müde, es zu sagen. Dann, eines
Tages, ich weiß noch, wir gingen am Rhein spazieren, in Gummistiefeln am Uferstreifen
entlang, es regnete, aber Anna hatte unbedingt Enten füttern gehen wollen, wir
standen nebeneinander im matschigen Lehm, zupften kleine Stücke aus den
Brötchen vom Vortag, blödelten herum und spornten uns gegenseitig an wer
mundgerechtere für die Entenschnäbel werfen konnte, sagte Anna plötzlich: Es
ermüdet mich, dein ewiges „Ich liebe dich“. Ich war wie vor den Kopf
geschlagen. Mir fehlten die Worte. Ich blickte auf das trübe, grünliche Wasser.
Ich wusste, dass ich es oft sagte und ich fragte mich, ob ich es so oft sagte,
um Anna meiner Liebe zu versichern oder mich selbst der meinen. Sie fasste mich
am Arm. Es war ein Griff, dem ich mich nicht entziehen konnte, er hatte etwas
Feindliches. „Sprachwort Liebe“, fuhr sie mich an, und dass sie es schon zu oft
gehört hatte, von anderen, die da gewesen waren und gegangen und dass Liebe
kein Sprachwort sei, sondern ein ohne Worte auskommendes still Gefühltes, im
besten Falle ein Tunwort.
Sie war wütend. "Paul, du weißt es, ich misstraue dem Wort
Liebe. Am Ende folgt immer das Wort Kummer. Er hat mich zurückgelassen, immer
wieder, lieblos. Liebe ist eine Utopie, die zwei Menschen teilen um dem
Wirklichkeitsraum zu entkommen, in einen besseren Raum. Das gelingt niemals und
wenn, dann allenfalls eine Weile. Sie muss scheitern die Utopie von Liebe, wie
jede Utopie scheitert, sie scheitert an der Wirklichkeit, zu der sie
dann wird." Ich versuchte mich zu rechtfertigen, versuchte ihr klar zu machen,
dass es aus mir heraus müsse, das Wort, weil es wahr sei, dass ich sie liebe
und dass ich nicht wie die anderen sei und schon gar nicht die Absicht hätte
ihr Kummer zu bereiten. Anna holte tief Luft, sah mich an und sagte: "Ich bitte
dich, sag es einfach nicht mehr, Paul. Das Wort Liebe, so inflationär wie du es
benutzt, verliert an Bedeutung". Ich sagte es nicht mehr und ich ging seit
diesem Tag auch nicht mehr mit Anna Enten füttern. Aber nach einer Weile des
Durchhaltens, was mir schwer fiel, so schwer wie das unausgesprochene Wort, das
auf meiner Zunge lag während der ganzen Zeit des Durchhaltens, sagte ich es
wieder. Anna meinte, ich sollte mir endlich etwas suchen, was mich von Innen
hält und zwar keinen Menschen und schon gar nicht sie. Etwas hat uns eingeholt, ja, es war wohl die Wirklichkeit.
Heute weiß ich, Anna hatte Recht.
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