da sind zwei in mir, mindestens zwei. schon als kind gab es da die andere in mir, namenlos aber spürbar, wenn ich mich wieder mal in die letzte ecke der wohnung verkrochen hatte, weil es um mich herum laut war und angsteinflößend. es war zuviel für mich, dieses ewige streiten der eltern, die keine rücksicht nahmen auf meine kinderohren. da nützte es auch nichts, sie mir zuzuhalten, es brüllte und schrie und donnerte eine lange ewigkeit und am ende knallte die haustür. mit dem knallen verstummte das brüllen des vaters und das weinen der mutter setzte ein.
meine ohren waren trotz des lauten nicht taub geworden und meine seele schon gar nicht. die weinte mit der mutter aus der ecke heraus und ich wünschte mir, die mutter würde sich um mein weinen kümmern und nicht um das ihre und zu mir kommen und mich halten und trösten und sagen: alles wird wieder gut, ich bin da und passe auf dich auf.
aber so war es nicht. die mutter weinte und klagte und stand am fenster und hatte angst, dass der vater nicht mehr wieder kommt und sie allein lässt mit ihren kindern, einsam und brotlos, weil sie doch keine arbeit hatte. irgendwann kam sie zu mir in die ecke und wie sie da vor mir stand in ihrem weinenden elend, erhob sich wie von ganz alleine, die andere in mir und nahm die mutter in den arm um sie zu trösten. ich wusste genau, dass es ihr nicht gelingen würde, denn der einzige trost für die mutter war die rückkehr des vaters, aber die ließ meist lange auf sich warten.
es war eine lange zeit in der die andere in mir ihre ganze kraft aufwenden musste um die mutter zu bewahren, vorm kippen in die dunkle nacht ihrer angst, die sie begleitete seit sie ein kind war und mit der großmutter unter dem bombenhagel des krieges in den luftschutzkeller hatte flüchten müssen, nacht für nacht. der bombenhagel des donnernden vaters war da eigentlich nichts dagegen, die mutter war das drohend laute ja gewohnt. aber die angst, die das drohend laute ihr als kind gemacht hatte, hatte nur ein anderes gesicht bekommen, das schrie und tobte und sie dann allein ließ. so allein wie damals im luftschutzkeller, muss sich das angefühlt haben für die mutter, aber das wusste ich damals noch nicht und was man nicht weiß, kann man nicht verstehen und was man nicht versteht, macht angst.
da saßen wir also, eng umklammert, die mutter und ich und hatten beide angst, aber die andere in mir tat alles um sie nicht zu zeigen, sie musste stark sein, für die mutter und für mich.
irgendwie hat das bis heute nicht aufgehört, dieses stark sein müssen für andere. die andere in mir ist das so gewöhnt seit kindesbeinen und was uns seit kindesbeinen begleitet, verschindet nicht mehr, auch wenn das leben längst anders geworden ist und wir erwachsen.
auch wenn sich das leben verändert, das alte ich, das in schweren zeiten für uns da war und uns half zu überleben, kämpft um seine existenz. es kennt unsere geschichte, es hat sie in jeder zelle, in jedem neuron verinnerlicht und es reagiert, wenn seine knöpfe gedrückt werden. das weiß ich, aber die andere in mir weiß das nicht. auch wenn ich sie immer wieder zu überzeugen versuche und ihr sage: du musst nicht immer für andere stark sein, du musst nicht immer für andere alles geben, damit sie sich besser fühlen - das alte ich, die andere in mir, glaubt mir das nicht. sie macht sich an die arbeit, sobald es arbeit gibt, die für andere zu tun ist, und ich muss ganz schön kämpfen um die arbeit die für mich zu tun ist zu tun, und das macht mir doppelt arbeit. ich muss mich durchsetzen, für mich selbst und das gegen eine verdammt harte gegnerin, die bis heute meistens immer noch als siegerin dieses inneren kampfes hervorgeht.
und wenn es dann mal wieder so weit ist, dass ich von diesem anstrengenden kampf völlig erschöpft bin und keinen panzer mehr habe, den ich in den krieg schicken könnte, dann zückt mein körper die letzte waffe und wird krank und ich ergebe mich. dann kann die andere mich mal, dann ist endlich ruhe und ich bekomme die auszeit für mich, die schon lange überfällig war. ich nehme sie mir dann auch, weil ich viel zu schwach bin um weiter gegen die andere zu kämpfen. wo kein kämpfer, da kein kampf. so einfach ist das.
auf dauer ist das natürlich keine befriedigende option immer im kollisionskurs gegen das alte zweitich durchs leben zu gehen. auf dauer muss ich mir eine wirklich gute strategie zulegen, die die andere in mir davon überzeugt, dass sie mir nicht mehr ins leben pfuschen darf. ich muss sie davon überzeugen, dass sie ruhig etwas neues ausprobieren darf und ihr auch noch die angst vor dem neuen nehmen. ich denke, ich könnte ihr mit viel mitgefühl kar machen, dass sie sich nicht mehr um alles und jeden, der sie um hilfe bittet, kümmern muss, sondern, dass sie sich, mit mir gemeinsam um uns kümmert.
wie mir das gelingt, weiß ich noch nicht so genau. aber ich weiß, verjagen kann ich die andere niemals, sie bleibt, solange ich lebe, also sollte ich sie ab jetzt noch besser beobachten und sie genau in dem moment dabei ertappen, wenn sie mir wieder den kampf ansagt und mich genau darauf nicht mehr einlassen. ich werde es üben. mal sehen wie sie reagiert ...
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