es kommt der tag, da müssen wir liebgewonnene gewohnheiten, dinge oder orte hinter uns lassen, die uns lange zeit das gefühl von sicherheit gaben. das bedeutet, dass wir uns verabschieden müssen. abschied nehmen von dem, was unser bisheriges leben ausmachte, ist schwer. sich von vertrautem trennen müssen ist für viele menschen, mich eingeschlossen, ein gefühl als müsse man sich von seinem bisherigen selbst verabschieden, es fühlt sich an als zerreiße man innerlich, als breche etwas von uns ab, was uns stabilität und halt gab. ein teil des ganzen geht verloren.
aber verlieren wir, wenn wir etwas verlieren, wirklich ein stück unserer selbst oder verlieren wir nur eine vorstellung, die wir von uns selbst und unserem leben hatten und mit der wir uns über eine lange zeit eingerichtet haben?
der verstand sagt: ganz gleich, was du verlierst oder hinter dir lassen musst, solange es dinge sind, kann dich das nicht zerbrechen, denn dinge sind ein rein äußererlicher besitz, dinge haben keinen einfluss auf dein sein. das, was du nicht verlieren kannst ist allein das, was dich von innen hält, das, was dich als mensch ausmacht. dazu gehören deine träume ebenso wie dein glaube an die eigene wahrheit, deine tiefsten überzeugungen und dazu gehört was du liebst.
aber ist es wirklich so einfach wie der verstand meint? nein, so einfach ist es nicht, weil dinge und orte den kontext ausmachen in dem unser gewohntes leben stattfand, weil sie ausdruck des eigenen inneren sind, ausdruck dessen, was uns ausmacht. sie sind etwas, was wir nach unseren vorstellungen und bedürfnissen im außen gestaltet haben um es zu bewohnen - körperlich, geistig und seelisch. sie geben uns geborgenheit.
keiner von uns ist frei von äußeren gerüsten. wir sind nicht frei von den räumen, die wir in unserem leben eingerichtet und bewohnt haben, sie sind unsere umgebung, das womit wir uns umgeben, weil wir es uns so einmal so ausgesucht und nach unserem denken und fühlen gestaltet haben.
wenn wir verlieren was unser gerüst war kann das gefühl zu fallen uns vollkommen überwältigen. wir fallen aus unserem vertrauten rahmen. uns wird etwas genommen und wir wissen genau, wir müssen es loslassen, weil wir absolut keine andere wahl haben. zum beispiel wenn wir den job verlieren oder wenn wir die wohnung, in der wir jahre unseres lebens unser heim hatten, aufgeben müssen, weil wir die miete nicht mehr zahlen können oder weil sie uns gekündigt wird. das sind materielle verluste und trotzdem verlieren wir mehr als nur ein ding, wir verlieren einen wesentlichen teil unseres lebenskonzeptes, einen raum, in dem unser selbst sich entfaltet hat und sich geborgen fühlte. das ist mehr als ein bruch, das fühlt sich an wie ein knacks, das ist für manchen sogar sogar ein kleiner persönlicher weltuntergang.
was dann?
was fordert das leben von uns, wenn uns solche verluste widerfahren?
es fordert uns auf hineinzuspüren warum wir das, was wir gerade verlieren, loslassen müssen.
ich glaube, wir verlieren nichts zufällig. hinter jedem verlust steht eine entwicklung, die lange zeit vor dem tatsächlichen verlust ihren anfang hatte und ihren lauf nahm.
alles was wir an selbstkonzepten und deren äußerer gestaltung verlieren, weißt darauf hin, das da etwas nicht mehr stimmig war, dass da etwas mitschwang, was schon lange zu uns sagte - du musst etwas verändern, bevor es eng wird. aber wider besseren wissens haben wir nichts verändert, wir haben unsere innere stimme und all die bedenken und mahnungen ignoriert, in der hoffnung - es wird schon gut gehen. und dann geht es nicht mehr gut. es wird von außen, vom schicksal oder durch den einfluss anderer verändert. damit ändert es sich für uns und uns bleibt nichts anderes übrig als uns dem zu ergeben. das ist ein gefühl der ohnmacht. wir sind nicht mehr die, die handlungsunfähig sind, andere handeln für uns oder das schicksal schlägt zu und wir fühlen uns wie der spielball äußerer kräfte.
wenn wir es nicht ändern, ändert es sich für uns und zwar damit wir aufwachen und in bewegung kommen, genau das, was wir schon viel früher hätten tun sollen und nicht getan haben.
hätte ich nur, denken wir dann. aber wir haben nicht, weil wir nicht konnten, denn sonst hätten wir. und dann müssen wir können. wir müssen sehen, wie wir die herausforderung vor die uns die veränderung stellt, bewältigen. nach dem schock, nach dem schmerz des verlustes im besten falle. aber manchmal lässt uns das leben nicht einmal diese schonzeit, manchmal müssen wir von einem tag auf den anderen etwas hergeben woran unser herz hängt. wir glauben vielleicht, das schaffen wir nie, wir haben keine kraft um sie der ohmacht, die der verlust mit sich bringt, entgegen zu setzen. ich kenne dieses gefühl gut, weil ich es oft erlebt habe und weil ich es gerade wieder erlebe.
aber wie schaffen wir loszulassen?
wir schaffen es, wenn wir nicht in der ohnmacht verharren, wenn wir uns fragen: was will das leben jetzt von mir? wozu ist das gut, was da gerade geschieht, was daran ist sinnvoll und richtig für mein weiteres leben? was ist das geschenk, das in dieser situation verborgen liegt, die möglichkeit, die der verlust mit sich bringt?
das leben straft uns nicht ab, weil wir etwas versäumt haben, es nimmt uns nichts, was wir uns nicht schon längst selbst genommen haben. jedem abschied, der uns wie von außen auferzwungen scheint ist längst ein innerer abschied vorausgegangen, wenn auch unbewusst.
auch wenn es sich anders anfühlt - das leben will, dass wir das alte überholte verlassen um der mensch zu werden, der über das alte hinaus in uns angelegt ist und sich weiter entfalten will. und das tut weh. die franzosen haben wunderbare worte dafür:
partir c ´est toujours un peu mourir.
jeder abschied ist ein kleiner tod im leben, aber er ist zugleich eine neugeburt, solange wir leben.
Als ich das vor einem Monat wieder einmal sehr heftig erlebt hatte, half mir eine Übung, durch die mich meine Therapeutin immer wieder führt, wenn es heftig wird: Hinsetzen, mich sicher fühlen im Kontakt mit Boden und Sitzunterlage, atmen und dann einfach fühlen, den Schmerz fühlen, die Angst, die Enge oder was auch immer sich in meinem Körper manifestiert. Nur das. Der ganze argimentative Gedankenaktionismus, welcher sein Gerüst aufbaut, um alles erträglicher zu machen, muss oder besser darf aussenvor bleiben. Dem Momant gehört nur das, was spürbar und real hier ist: Mein Körper als mein Haus, in welchem das momentane Geschehen wirkt. Wenn es dann gelingt, Blockaden, Hitze, gestaute Empfindungen, Abgetrenntsein.... zu verteilen, in den ganzen Körper fliessen zu lassen, wenn es gelingt, dabei immer wieder dorthin zurück zu kehren, wo ich Sicherheit und Kontakt spüre, dann geschehen eigentlich immer Wunder. Es beginnt zu fliessen und ich spüre die Verbindung zu meiner tiefsten Wahrheit, welche weiss und erkennt. Alles Liebe, FrauWind
AntwortenLöschenSchön, dass das für Sie hilfreich ist.
AntwortenLöschenLiebe Grüße,
Angelika Wende