Donnerstag, 4. November 2010

Warum nicht ...



Sicher, ich könnte es machen wie viele es machen. Mich gemütlich einrichten in meinem Leben. Schließlich - ich habe ja nur eins. Ich könnte doch mal postitiv denken, meinen die wenigen Freunde, die es noch mit mir aushalten und ich mit ihnen. Positiv denken? Würde ich es nicht tun, hätte ich mich schon erschossen, wie der alte Hemmingway als er die Schnauze endgültig voll hatte, oder die letzte Depression einfach nicht mehr aushalten wollte. Erschießen ist dann auch das Mittel der Wahl, wenn ich mich doch noch zum Freitod entscheiden werde - ich liebe den großen Auftritt zu Lebzeiten, das gilt also auch für den Abgang.

Vorerst lebe ich und, hey - ich denke positiv. Was ist eigentlich positiv denken?
Lalilu, nur der Mann im Mond schaut zu und oh, wie schön, der erste Krokus reckt seine kleine Blüte schon bald wieder hoffnungsvoll hinauf zum blauen Frühlingshimmel. Leute, der kann nicht anders, die Hoffnung ist unsere Interpretation. Den Winter müssen wir schließlich hinter uns bringen, irgendwie. Mit Kerzenschein, Tee oder Rotwein, Weihnachtsvorfreude und warmer Kuscheldecke am Abend, wenn denn kein warmer Körper da ist. Warm wirds auch wieder. Alles eine Frage der Zeit. Ach wie schön, dann können wir wieder im Cafe sitzen und in der Mittagspause eine Latte trinken, einen kalorienarmen Salat essen und Leute gucken, damit wir nur ja nicht bei uns selbst gucken müssen, oder den angucken mit dem wir da sitzen, im Zweifel schon Jahre, und nicht mehr wissen, was wir von ihm wollen, oder er von uns.

Wir können über den nächsten Urlaub reden, Sommer wirds dann ja auch bald, und darüber, was wir sonst noch so alles machen und vorhaben. Die neuen Vorhänge, ach spannend, und ein neues Sofa wär auch mal nett. Haben uns satt gesehen, längst, an dem was ist, was Neues muss her - vielleicht ein neuer Lover, das wär doch wenigstens was Lebendiges - oder?

Schön! Hoffnung im Herzen und sonstwo, bevor die Gefühle endgültig einfrieren.
Ne, nich so ganz mein Ding! Nicht, dass ich die Krokusse im Frühjahr nicht sehe und das Versprechen der Knospen an den winterdürren Ästen nicht liebe. Den Vorweihnachtskaufrauschrummel mag ich allerdings nicht. Ich sehe das alles. Ich nehme es wahr - das Schöne. Schließlich male ich Bilder und ohne ein gewisses Maß an Wahrnehmungsfähigkeit geht das nicht. 

Aber, ist das alles wirklich so schön? Oder ist es so schön, weil so viel anderes unschön ist? Da muss ich nicht mal die katholischen Doppelmoralisten in den Nachrichten angucken um zu sehen wie unschön so Manches ist. Ich brauche nur mit offenen Augen die Strasse entlang zu gehen, an den "mit allem was man nicht braucht" ausgestatteten Schaufenstern vorbei, um die nächste Ecke. Da sitzt dann einer auf dem Straßenplaster. Das wird kalt, am Hintern zuerst und dann Innen, überall im Körper, in der Seele sowieso. Er hält die Hände auf, weil er nichts zu essen hat und auch kein Sofa , weder alt noch neu. 

"Alles faule Schweine", meint da ein Graumelierter im dunkelblauen Managerdress und "die sollen was arbeiten", bevor er selbstgefällig weitertrabt in sein Büro, wo er höchstwahrscheinlich bis zum Ende seines arbeitsreichen Lebens dem idiotischen Glauben huldigt, was Sinnvolles zu tun oder dass er gebraucht wird, weil er unersetzbar ist. Alles ist ersetzbar, ob Sofa oder Manager, der Halbzeitwert ist ein einschätzbarer.

Wenn ich so etwas mitkriege könnte ich ausrasten oder zum Schläger werden, pardon - zur Schlägerin, und so einem sein selbstzufriedenes Antlitz ... Kann es sein, dass ich Aggressionen in mir trage oder über eine geringe Impulskontrolle verfüge? Es ist möglich, wie alles möglich ist und alles da ist. Ich habe die Wahl hinzugucken oder wegzuschauen. Dann könnten meine Freunde endlich sagen: „Jetzt hat sie es kapiert: wenn man nix ändern kann, ändert sichs auch nicht wenn man sich aufregt.“

Man kann was ändern! Nicht das große Ganze, aber was kleines, jeden Tag kann man das. Ich gehe also zu Mac Donalds und kaufe dem, der die Hand aufhält, einen Kaffee und ein Croissant und geb ihm zwei Euro und mir ist es egal, ob er sie versäuft. Die meisten meiner Freunde saufen auch. Aber das ist dann was anderes. Wirklich? Also wenn ich pessimistisch bin, dann sind die, die das nicht sind, ein Haufen Idioten.

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