Sonntag, 7. November 2010

Aus aktuellem Anlass: Bushido und der Gangsta Rap

Wir hetzen Kinder schon in der Schule in Konkurrenz und Konsumwahn, statt Solidarität und Mitmenschlichkeit zu vermittlen. Damit machen wir die, die dem durch Werbung propagierten Standard nicht folgen können, zu Versagern. Sie wehren sich durch „abweichendes" Verhalten. Gewalt, Rassismus, Extremismus, Drogen, Kriminalität. Unterstützt und glorifiziert wird dieses destruktive Lebensgefühl von Figuren wie Bushido. Bushido ist einer jener Egomanen, die sich selbst stilisieren und inszenieren. Er macht sich zum Helden, dessen Heldentum darin besteht, Parolen der Gewalt, Aggression und Menschenverachtung in Beats zu packen, der vom Knast singt, den er ein einziges Mal für zwei Wochen U-Haft von Innen gefühlt hat, der sich in eine Welt des Ghettos hineindichtet, die er vom Designersofa aus beguckt wie einen Fantasyfilm und dann vermeldet, wenn die eigenen ungeborenen Kinder diese Texte mal hören würden, ein Problem zu kriegen, so zu lesen in Bushidos Biografie. Höchst authentisch, oder doch nicht?

Bushido ist ein Gaukler, einer der unzähligen Hofnarren einer zweifelhaften Reizkultur, die überreizt, ausreizt was geht, um des Geldes Willen, das in die eigene Tasche wandert und sonst nirgendwohin. Nicht zu vergessen die eigene Anerkennung. Dieses Bedürfnis ist hoch, geleitet vom intrinsischen Motiv der inneren Zerissenheit und Verletzheit eines vom Vater früh verlassenen Jungen mit Migrantionshintergrund. Bushido ist ein Spieler, der vielleicht nicht einmal weiß, mit wem er da eigentlich sein Spiel spielt. Mag sein, dass er der Gesellschaft den Spiegel vorhält - aber, wäre das in der Tat so - hätte diese Gesellschaft den ihr vorgehaltenen Spiegel längst zerschlagen. Nichts hassen wir mehr als jene, die uns das Böse, das Verdrängte, die eigene Schlechtigkeit,die eigene Fehlbarkeit, das eigene Versagen, die eigene Schwäche spiegeln.

Bushido erhält Akzeptanz auf dem Plüschsesselthron eines Johannes B. Kerner, wo der böse Junge auf einmal „guter Junge“ ist, der das, was er singt, ja eigentlich gar nicht so meint. Was jetzt? Was meint der denn jetzt, meint er es so, hat er überhaupt eine Meinung, oder eben keine und was meint er dann wirklich?

Bushido ist ein Phänomen, dem sich sogar reflektierte Menschen nicht zu entziehen vermögen. Er ist eine Kultfigur der Subkultur und wird als solche in die Musikgeschichte eingehen. Schön für Bushido. Gönnen wir es ihm, gönnen wir seinem Narzissmus das Erleben der Grandiosität - ist er allein, versinkt er in tiefe Depression, so zu lesen in seinem biografischen Werk.

Was aber ist mit denen, die er anspricht, denen er „aus der verwundeten, ohnmächtigen Seele“ spricht, deren Fürsprecher und Führer er sein will, und dann ja doch wieder nicht, weil er das ja gar nicht so meint, was er da veröffentlicht. Die, die er besingt, leben im Ghetto, sie leben am Rande der Konsumgesellschaft, sie stehlen, dealen, prügeln, verkaufen ihre jungen Körper für Drogen, haben ein Messer in der Tasche, weil es hart ist im Ghetto, und sie haben nicht das Geld sich Bushidos CDs leisten zu können. Aber sie wollen sie hören und ziehen sich die Songs aus dem Internet. Bushido hat mittlerweile eine ganze Armada von Anwälten angeheuert, die hohe Geldstrafen fordern, von denen, die sich den verbalen Frust illegal aus dem Internet herunterladen, um ihren Helden hören zu können. Nein, natürlich hat Bushido nie behauptet ein Robin Hood zu sein - er ist doch „böser Junge“. Das rapt er doch, oder ist er doch „guter Junge“? Wer eigentlich ist dieser Bushido nun wirklich? Außer jemand, der durch das Leid anderer kräftig absahnt?

Bushido ist eine Kultfigur. Seine Musik, ist sie Kultur ? Ja, dennoch. Egal wie man ihn empfindet, Bushido gibt denen eine Stimme, die am Rande der Gesellschaft leben. Er drückt sie aus - die Wut, derer, die Ohnmacht erleben, weil sie keine Chance haben. Er gibt ihnen eine Stimme. Und manche seiner Texte treffen das, was sich dort abspielt, wo der "normale" Bürger nicht hinschaut. Somit sind sie wahr.

Sicher, da stellen sich Gefühle von höchster Ambivalenz ein, denn Kultur hat auch mit Solidarität und Mitmenschlichkeit zu tun. Sie hat aber auch, und das ist Zeitgeist, mit der möglichst geschickten Vermarktung des Ego zu tun. Dies beherrscht er. Sie hat auch mit einem Lebensgefühl zu tun, abseits bürgerlicher Hochkultur. Das macht er spürbar.

Dass Kultur auch Respekt verlangt, gerade da, wo der/die andere „schwächer“ ist, das ist Bushido vielleicht während einer depressiven Episode kurzzeitig in den Sinn gekommen. Schließlich ist er doch „guter Junge“.


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