Montag, 29. November 2010

Vom Jagen und Sammeln in der Moderne

Er ist so alt wie die Menschheit, der Jagd- und Sammeltrieb. In Zeiten des Cyperspace erlebt er eine grandiose Wiedergeburt. Plattformen des Social Networking bereiten ihm den Boden. Ein Faszinosum, das uns zeigt: der Mensch ist ein Wesen, das trotz jahrtausendelanger Evolution, in seiner Grundstruktur gleich geblieben ist.

Der Jäger und Sammler der Moderne unterscheidet sich vom Urmenschen in der Form, dass er beim Ausleben seines Jagd- und Sammeltriebes nicht mehr den Gefahren der Naturgewalten ausgesetzt ist. Im warmen Zimmer frönt er seiner im kollektiven Unterbewussten verankerten Bestimmung. Komfortabel und in anheimelnder Nähe zum PC, übrigens der beste Freund des modernen Menschen und zudem ein vergleichsweise harmloser Ersatz für die Jagdutensilien der Steinzeit, geht er dieser nach.

Online, gemütlich mit Latte Macciato, Espresso, Zigarette oder sonstigen Suchtmitteln ausgerüstet, frönt er, zwischen dem, was zu tun ist, nebenbei seiner Leidenschaft des Sammelns und Jagens. Das Objekt der Begierde: Der Mensch.

Ein Schelm, der Böses denkt, ob jener, die in Facebook beispielsweise, an die zweitausend Freunde haben, die sind eben besonders jagd-und sammelfreudig. Sie nehmen, was sie "schießen" können im world wide web, ob sie nun Liza aus San Fransico oder Sven aus Schweden kennen oder nicht. Die Masse machts, mutet es an, allein das ists, was zählt. Das schmeichelt nach befriedigtem Jagderfolg dem Ego, weil es anscheinend sonst nichts gibt, das diesen Job macht, vermute ich mal.

Zeig mir wie viele Freunde du hast und ich weiß, dass du ein erfolgreicher Mensch/Jäger bist und überaus beliebt bei der "Beute"! Ich behaupte mal, manche von uns wollen gesammelt werden, denn das erhöht die eigene Scala an Beliebtheit, ohne selbst dem doch etwas zeitintensiven Trieb folgen zu müssen, denn Zeit ist ja auch Geld. Alles gut! Oder nicht?

Ob gut oder schlecht, ich hüte mich vor Bewertungen, denn ich gehöre selbst dieser Community an und verscheissen will ich es mir nicht bei meinen einhundertneunzig Freunden und denen, die vielleicht noch dazukommen - ich gestehe, ich bin eine leidenschaftlicher Networkerin.

Ich bin in der Tat sehr froh, dass ich sie habe, meine Freunde. Wer sonst würde mit mir die einsamen Abende teilen, an denen ich keine Verabredung habe, nicht Theater spiele, nicht der Ablenkung dumpfer Fernsehberieselung anheim falle, nicht schreiben, lesen oder sonst etwas Kreatives machen will, sondern einfach Ansprache suche. Die finde ich da und ich bin dankbar dafür, mein Alleinsein nicht mehr zu spüren, weil es manchmal eben nicht angenehm ist, auch wenn ich es durchaus schätze, aber nur manchmal eben. Ausserdem und das liebe ich geradezu, sind unter meinen Freunden wunderbare, kluge und empathische Menschen, die mir Tag für Tag wertvolle und bereichernde Gedanken schenken und mich davor bewahren, mich mit dem Gedanken anzufreunden mich von der schnöden Welt zu verabschieden.

Das Schöne am Social Networking ist auch, dass man sich so manchem Fremden, vorausgesetzt man nimmt sich die Zeit und die Muße ihn auf schriftlichem Wege näher kennen zu lernen, vertraut macht. Es gibt da sogar Menschen, die ich in "echt" kennen lernen durfte und das ist dann eine besondere Bereicherung für das Leben draussen, denn das gibt es ja auch noch.

Dennoch, es gibt unter den modernen Jägern und Sammlern eine Spezies, die mir suspekt ist. Es ist diejenige, die ausschließlich jagt und sammelt und zwar nur um des Jagens und Sammelns willen. Es sind die mit den über tausend "Shareholdern". Und manchmal will mich so einer verlinken, in Facebook, bei Xing oder sonstwo.

Ich habe sogar kürzlich erlebt, dass ein Freund, den ich über das Netz kennen gelernt habe und im richtigen Leben erleben durfte, was mir sehr gefallen hat, dass dieser, nach unserem Auseinandergehen, in Facebook kein Wort mehr mit mir geschrieben hat und mich später, ich fasse es nicht, über Xing eingeladen hat, mich mit ihm zu vernetzen.

Hallo? In welcher Welt leben wir denn, wo ich einen Menschen mit dem ich im richtigen Leben kein Wort mehr teile, quasi post mortum, als Freund im Netz verlinke?

Das tut weh, und wie das weh tut. So etwas wie Fremdschämen stellt sich da bei mir ein und das ist ein schmerzhaftes Gefühl, denn es zeigt mir, wie wenig manche Menschen andere Menschen als Mensch achten und keine Hemmungen haben sie zu funktionalisieren aus reinem Selbstzweck.

Ehrlich, da mache ich nicht mit. Ich bin für vieles offen, besonders für schräge Typen und subversive Persönlichkeiten, denn die sind meistens die spannendsten, aber Menschen, die Menschen nicht achten, nein von denen lasse ich mich weder jagen, noch sammeln. Basta!

Andererseits, ich versuche ja immer die Motive meiner Mitmenschen zu verstehen, auch wenn ich polarisiere und das gern und oft - vielleicht weiß der gar nicht, was er tut, vielleicht ist der emotional schon so abgestumpft vom wahllosen Jagen und Sammeln, (übrigens, was sammelt man eigentlich? - Fotos - das sind doch keine richtigen Menschen, sondern nur Abbilder, oder?), dass er gar nicht merkt, was er da tut. Na dann merkt er es spätestens jetzt, wenn er diesen Blog liest. Ja, ich bin manchmal ein Biest und ich stehe dazu.

Jedenfalls, aufgefallen ist mir, dass gerade die, die über tausend Freunde haben, jene sind, die mit diesen Freunden keinerlei Kommunikation pflegen die über einen minimalen Kommentar hinausgeht. Auf Nachrichten antworten die nach dem ersten Kontakt auch nicht mehr.

Warum machen die das dann? Ich meine der Steinzeitmensch hat sich nach dem Jagen und Sammeln doch auch mit seiner Beute, auf welche Weise auch immer, beschäftigt ... Hm, hat sich der Mensch in seiner Grundstruktur vielleicht doch verändert? Und wenn, auf welche Weise?

Nein, darüber denke ich jetzt nicht nach, sonst falle ich doch noch vom Glauben an das Gute im Menschen ab und werde ein Misanthrop. Misanthropen sind verbitterte Menschen mit herunterhängenden Mundwinkeln - nein, versprochen, so eine werde ich nicht, dafür bin ich einfach zu eitel.







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