„Alte Frauen“, heißt das kürzlich erschienene Buch von Verena Lueken. Ich gehe in die Buchhandlung und frage danach. Eine
alte Frau will ein Buch über alte Frauen kaufen. Passt, denke ich. Als
mir der junge Verkäufer das Buch aus dem Regal holt, spüre ich so ein
klitzekleines Fünckchen Schamgefühl aufblitzen. Interessant, denke ich,
warum, was geht da in mir vor?
Ist es, weil ich mich
oute, als eine von Ihnen, weil ich alt bin, weil Frauen, je älter sie
werden, in dieser Gesellschaft keinen gutes Standing haben, weil sie
unsichtbar werden, weil alte Frauen niemand interessieren, weil alte
Frauen, wie ein befreundeter Fotograf einmal zu mir sagte, nicht nur die
Attraktivität sondern die Fuckability verlieren und für die Natur
unbrauchbar geworden sind, weil alte Frauen nichts zu sagen haben, weil
sie nur noch als Pflegerin des alten Gatten oder als Oma ein Lebensrecht
haben, weil alte Frauen niemand gerne anschauen will?
Oder
wie Verena Leuken schreibt: „Bei Männern nivelliert die Veränderung der
äußeren Erscheinung über die Zeit der öffentlichen Wahrnehmung nicht
die Persönlichkeit, den Intellekt, die ihnen entgegengebrachten Gefühle
oder ein Begehren. Ihre Meinung ist nicht weniger gefragt, wenn die
Haare ausgehen und der Bauch schwillt, im Gegenteil. Bei Frauen wohl.
Als verlören sie mit ihrer glatten Haut alles, was sie sind, und dabei
bleibt es, auch wenn sie es korrigieren lassen. Sie können auf diesem
Feld bisher nur verlieren.
… Rette sich, wer kann."
Wie die Rettung aussehen kann lese ich in Luekens Buch.
Die
Autorin hat, wie der Titel vermuten lässt, kein Buch über das weibliche
Altern geschrieben, sie hat ein Buch über Frauen geschrieben, die alt
sind aber „vor allem etwas anderes“. Die Frauen über die sie schreibt
sind Schriftstellerin, Malerin, Filmemacherin, Textilkünstlerin,
Tänzerin und Choreografin. Mit diesen Frauen hat sie gesprochen, nicht
über das Alter, sondern über das, was sie mit Leidenschaft tun. Zitat:
„Der Bezugspunkt ihres Lebens und ihres Denkens ist nicht das Alter“.
Dies
ist also kein Buch übers Altern. Oder über „das Alter“. Es ist eine
Sammlung von Erzählungen und Berichten aus einer besonderen Perspektive
auf das Leben zu einer bestimmten Zeit.“
„Alte
Frauen“ ist ein wichtiges Buch, das sich zu lesen lohnt, auch wenn der
Titel meiner Meinung nach irreführend ist, es ist ein Buch, das
gesellschaftliche Klischees hinterfragt, es ist ein Buch über das vitale
Leben und die Kraft der Kreativität, über Möglichkeiten, Sinngestaltung
und beindruckende Lebensentwürfe, fernab des Alters und trotz des
Alters. Ein wirklich gelungenes, inspirierendes Buch über die Freiheit
im Alter und den Mut sie sich zu nehmen und sie zu leben. Viva la Vida!
Sonntag, 7. September 2025
Alte Frauen
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