Donnerstag, 25. September 2025

Ohnmacht


 
Ich kenne es gut, das Gefühl der Ohnmacht. Ich weiß wie schwer es ist dieses Gefühl auszuhalten, geschweige denn es anzunehmen. Meist kommt dann Wut, weil die Wut mir dann das Gefühl gibt irgendwie noch selbstmächtig zu sein. Wut ist eine Form der Abwehr, weil die Ohnmacht so schwer auszuhalten ist. Das Gefühl der Ohnmacht ist ein tiefgreifendes, überwältigendes Erleben, ein Zustand, in dem wir uns absolut hilflos fühlen. Wir haben keine Handlungsoptionen. Ohnmacht begegnet uns in der Trauer über den Verlust eines geliebten Menschen, in der Verzweiflung über Schicksalsschläge, angesichts unüberwindbare Hindernisse oder in der Frustration über soziale Ungerechtigkeiten und all den Grausamkeiten, die Menschen Menschen antun.
Ohnmächtig fühlen wir uns, wenn unsere Bemühungen vergeblich sind, wenn jede Anstrengung, die wir unternehmen, nichts bewirkt. Der absolute Kontrollverlust. Die Dinge sind wie sie sind und wir können nichts dagegen ausrichten. In solchen Situationen ist es verdammt schwer den Glauben an uns selbst nicht zu verlieren. Wir wollen etwas verändern, wir wollen helfen, aber wir wissen genau - der Kampf ist sinnlos. 
 
Das Gefühl der Ohnmacht ist Teil der menschlichen Erfahrung. 
Gefangen in der Ohnmacht fühlen wir uns nicht nur hilflos, sondern auch klein und verletzlich, aber gerade diese Momente können uns dazu auffordern in uns selbst hinein zu blicken und unsere tiefsten Ressourcen zu entdecken. Wir begreifen, dass wir nicht immer die Kontrolle über die äußeren Umstände haben, wir können nur noch entscheiden, wie wir auf sie reagieren. Die Auseinandersetzung mit der eigenen Ohnmacht kann dazu führen, mehr Mitgefühl für uns selbst und für andere zu entwickeln. Wir erkennen, dass wir nicht allein sind mit unseren inneren und äußeren Kämpfen, wir erkennen, dass jeder Mensch, ob groß oder klein, seinen ureigenen Kampf führt. Für mich ist es diese verbindende Menschlichkeit, die mir die Kraft gibt, immer weiterzumachen, trotz und gerade wegen der Ohnmacht. 
 
Ohnmacht ist nicht gleichbedeutend mit Versagen. 
Sie ist ein existenzielles Gefühl, das uns lehrt, Geduld und Mitgefühl mit uns selbst zu haben, demütig zu sein und das Geringe zu schätzen, was wir noch tun können, für uns selbst und für andere, und wenn es nur ein Mut machendes Wort ist, ein Gedanke der Hoffnung, eine Geste der Güte, die wir dem anderen schenken und die ihm zeigt - er ist liebenswert, wertvoll und wichtig. 
 
Ohnmacht kann zu einem Katalysator für Veränderung werden. 
Wir haben die Fähigkeit die Dunkelheit zu durchdringen, wir haben die Wahl, wie wir auf Herausforderungen reagieren. Ohnmacht ist nicht Schwäche, sondern auch eine Quelle der Stärke, der Stärke das Unaushaltbare, das Unfassbare, das Unsagbare, das Unveränderbare auszuhalten. In der Akzeptanz unserer Ohnmacht, die uns unsere Verletzlichkeit zeigt, liegt die Kraft weiterzumachen, trotzdem. 
 
 
 
„Die letzte der menschlichen Freiheiten besteht in der Wahl der Einstellung zu den Dingen.“ 
Viktor Frankl

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