Montag, 29. Oktober 2018

Jeder Verrat kann uns verwandeln


 
Malerei: A. Wende

Es gibt kein Allheilmittel für den Umgang mit dem Schmerz, der durch Verrat und Betrug entsteht. Aber eine beobachtende Haltung einzunehmen kann uns helfen die Dinge anders zu betrachten, auch wenn damit der Schmerz nicht weganalysiert werden kann. Doch es besteht ein Unterschied zwischen blindem Schmerz und Schmerz, der mit Erkennen, Akzeptanz, Erforschen und Einsicht einhergeht. Letzterer hat eine verwandelnde Wirkung.

Ohne uns bewusst zu machen, warum wir betrogen wurden, tendiert das Betrogen Werden dazu sich zu wiederholen. Mit anderen Akteuren und gleichem Drehbuch.
Wenn wir betrogen wurden müssen wir erkennen, wir sind immer noch wir selbst, egal wie sehr wir versuchen, unser Leben neu zu ordnen. Und das gilt es zu akzeptieren. Ebenso wie es gilt zu akzeptieren, dass wir verraten wurden. Das hört sich einfach an, ist es aber nicht. 
Akzeptanz geschieht nicht einfach so, sie zeigt als erstes den inneren Widerstand auf: Das will ich so nicht erleben! Das ist menschlich. Aber wenn wir begreifen, dass Akzeptanz nicht bedeutet, dass wir nichts tun sollen um unsere Lage zu verbessern, können wir vielleicht ein wenig entspannen und sagen: Jetzt ist es so und nicht anders. Und: nichts beliebt wie es ist.

Dann beginnen wir zu Erforschen indem wir uns mit dem inneren Thema, nämlich der Frage, was der Betrug mit uns selbst zu tun hat, befassen. Tun wir das nicht, werden wir die gleichen inneren Überzeugungen über uns selbst behalten und die gleichen Muster in der nächsten Beziehung wieder durchspielen.Vielleicht passt ein anderer Mensch besser zu uns, doch letztlich müssen wir zuerst mit den Schatten unserer eigenen Psyche klar kommen und Unerledigtes erkennen und bearbeiten, damit wir nicht wieder ähnliche Erfahrungen anziehen.

Jeder Verrat kann uns, sind wir dazu bereit, verwandeln.
Aber zunächst: Was ist Verrat?
Verrat ist das Mittel, durch das unser Fantasiebild und unsere Illusionen, die wir uns bezüglich eines anderen gemacht haben, entlarvt werden, damit wir die Selbsttäuschung erkennen und damit wir erkennen, wer der andere auch ist, fernab unserer inneren Bilder, Übertragungen und Projektionen.
Wer ist dieser Mensch, der uns verraten hat? Ist das der Mensch, der unser Vertrauen verdient hat und verdient er es weiter? Ist er überhaupt vertrauenswürdig und vertraut er sich selbst? Und was bedeutet es für uns das zu erkennen? Was bedeutet das für unsere Beziehung zu uns selbst und jene zu diesem und anderen Menschen? Wo vertrauen wir uns selbst nicht? Und wo sind wir selbst nicht vertrauenswürdig? Das verhilft uns zu tiefer Einsicht darüber wo wir in unserer Entwicklung diesem Moment der Zeit stehen. 

Verrat rüttelt massiv an unserer Angst verlassen zu werden. 
Je größer diese Angst ist, desto intensiver sind die Verlassenheitsgefühle, die wir als Kind erlebt haben. Das Kind in uns hat diese Angst bis in unser Jetzt gespeichert. Der Verrat reißt also nicht nur eine neue Wunde, er reißt eine alte Wunde auf. Und damit zeigt er uns, dass wir den Umgang mit dem Verlassenwerden noch zu bearbeiten haben. Tatsache ist: Verlasssen werden und Verluste gehören zum Leben. Können wir das heute aushalten, oder sind da noch immer die Hillflosigkeit, die Angst und die Verzweiflung des inneren Kindes, das davon überzeugt ist, es geht unter wenn ein vertrauter Mensch es betrügt, hintergeht und damit vielleicht auch aus seinem Leben geht? 
  
Verrat bricht alte Muster, Überzeugungen und Verhaltensweisen auf. 
Jeder Betrug, den wir erleben, zeigt uns auf welche Weise wir uns selbst betrügen und wo wir uns selbst verraten.
Er zeigt uns durch die Zurückweisung, das Hintergehen und die Demütigung des Veräters, wo wir lernen müssen uns abzugrenzen und wo wir selbst  uns demütigen, hintergehen und zurückweisen. Was ist Zurückweisung anderes als dass jemand eine Grenze zieht, die wir als unerträglich und schmerzhaft emfinden, weil wir notwendige Grenzen um unsere Integrität zu schützen, selbst nicht zu ziehen vermögen?

Die schwierige und schmerzhafte Lehre dieser Erfahrung zeigt uns also, was in uns selbst auf einer bestimmten Ebene noch nicht entwickelt ist. Haben wir die Lektionen begriffen, dann ist es egal, ob wir die alte Beziehung wieder aufnehmen oder sie verlassen. Etwas in uns hat sich verändert.
Um die Bezieheung trotz des Verrats wieder aufzunehmen braucht es außer dem echten Bedauern des Verräters das Verzeihen des Verratenen. Er muss vergeben können. Aber vergeben ist eine schwere Aufgabe, wenn das Herz verwundet ist und das Ego mehr als angekratzt. Überall lesen und hören wir: Vergebung ist immer eine Erlösung und zwar zuallererst für uns selbst. Vergebung heißt: inneren Frieden fnden. Ein großmütiger Mensch vergibt. 

Aber, müssen wir um ein guter Mensch zu sein vergeben?
Vergebung, kommt sie nicht aus dem Herzen heilt den Schmerz der Wunde nicht.
Wir können Vergebung nicht künstlich erzeugen, wenn wir verraten und verletzt worden sind. Wir können nur daran arbeiten, das zu erkennen und zu integrieren, was zu unserer eigenen Psyche gehört. Vergebung ist eine Gnade, die nicht durch den Akt des Wollens herbeigeführt werden kann. Ist es nicht bitter, sich selbst sagen zu hören, "Ich vergebe Dir", nicht weil es aus tiefstem Herzen kommt, sondern weil wir versuchen, auf diese Weise den Menschen, der uns verletzt hat, wieder zurückzubekommen oder weil wir unbewusst versuchen uns selbst zu beweisen, dass wir es wert sind noch immer von ihm geliebt zu werden, obwohl unsere Liebe zu ihm durch den Verrat vielleicht sogar verloren ist., oder weil wir Angst haben allein und verlassen zurückzubleiben? Vergeben aus diesen Motiven heraus bedeutet: Wir identifizieren uns weiter mit dem, was wir hatte und sehen nicht, was wirklich ist. Und damit fügen wir uns neuen Schmerz zu.

Mit jeder Identifikation wollen wir etwas festhalten was einmal gut war und es nicht mehr ist, in der Hoffnung, dass es wieder gut wird. Wir haften an an etwas, weil wir Angst haben loszulassen. Das ist verständlich, aber nicht gesund, denn damit betrügen wir uns wieder selbst und wir betrügen damit den anderen. Vergeben funktioniert nur dann, wenn wir aus tiefstem Herzen vergeben können. Wenn wir das nicht können, bleibt der Schmerz bestehen und die „Bestrafung“ des Verräters wird immer weiter gehen. Die Beziehung wird zum Schlachtfeld, in dem es keinen Gewinner, sondern lediglich zwei Verlierer gibt - es findet kein Wachstum statt. 

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