Zeichnung: Angelika Wende |
Es tut weh, es
tut sogar verdammt weh. Es ist ein Gefühl, als würde einem der Boden unter den
Füßen weggezogen. Es ist eine seelische Erschütterung, die uns von einem Moment
auf den anderen in eine dunkle, fremde Welt stößt, in der wir uns aufzulösen
scheinen und alles, was wir für vertraut und sicher gehalten haben, zu einer
fragwürdigen Größe wird. Wir verlieren den Halt, die Seele schreit vor Schmerz
und findet keinen Trost - der geliebte Mensch, den man so gut zu kennen
glaubte, dem man nichts Schlechtes zugetraut hat, hat uns betrogen. Ein Mal,
mehrmals, über Wochen oder über eine lange Zeit hinweg. Wir haben nichts davon
gewusst. Vielleicht haben wir es gespürt, aber unserem Gefühl nicht vertrauen
wollen, vielleicht haben wir dem Partner aber auch gesagt, dass sich da etwas
seltsam anfühlt und sind beruhigt worden und haben uns beruhigen lassen, weil
wir das so gerne wollten – beruhigt sein und sicher und im Vertrauen uns wiegen
dürfen. Aber es war eine Lüge, man hat uns Sand in die Augen gestreut und wir
haben dem Sand mehr Glauben geschenkt als uns selbst und unserer Intuition und
ihn uns aus den Augen gerieben, weil uns Vertrauen so gut gefällt. Kein Mensch
will betrogen werden. Und dennoch geschieht es, der Betrug gehört zum Verhalten
des Menschen wie das Lügen. Mittlerweile gibt es sogar Seitensprungagenturen in
dem der, der den Partner betrügen will, ohne großen Aufwand findet, was er
sucht.
Der Mensch ist
unberechenbar und kennen werden wir den anderen nie. Er bleibt ein Fremder, den
wir uns vertraut gemacht haben. Der Glaube, den anderen zu kennen, ist eine
Illusion. Das Reich der inneren Schatten ist so groß und so dunkel, dass sich
sogar der erfahrendste Analytiker bisweilen wundert, was es da so alles an
Ungutem zu finden gibt.
Wenn es etwas
gibt, das kein tief fühlender Mensch erleben möchte, dann sind es Betrug und
Lüge von dem Menschen, den er von Herzen liebt. Eine solche Erfahrung kann die
die innere und die äußere Welt zerstören. Sie zerstört unser Selbstbild, sie
zerstört das Bild, das wir vom anderen haben und sie zerstört die Geborgenheit
der Welt, die wir mit ihm teilen. Sie zerstört den gesunden Boden auf dem
gelebt und geliebt wurde und hinterlässt verbrannte Erde. Wie soll da noch
einmal etwas wachsen und wohin und wenn wieder etwas wächst – ist es dann nicht
eine Pflanze, die ein zersetzendes nachaltig wirkendes Gift in sich trägt?
Wie er einen
Betrug empfindet und damit umgeht kann jeder nur für sich selbst entscheiden.
Aber ein Betrug, ganz gleich, ob er verziehen wird, weil man einen Menschen,
den man liebt nicht aufgeben will, wirkt nach. Vor allem beim Betrogenen. Er
fühlt sich als Opfer, beschämt und ohnmächtig der Tat und den Folgen der Tat
ausgeliefert.
Eine solche
Erfahrung macht etwas mit der Psyche. Sie erschüttert das Gefühl für die eigene
Identität. Selbstzweifel, Wertlosigkeitsgefühle, Wut, Hass, Rachegefühle,
Schmerz, Trauer und Verzweiflung fragmentieren sogar die stärkste Seele.
Vertrautes wird fremd – der Partner, die gemeinsamen Erinnerungen, das Jetzt,
der Blick auf eine gemeinsame Zukunft wird relativiert und Misstrauen nimmt den
Platz ein, wo zuvor Vertrauen und Glaube an den anderen und an die Beziehung
herrschten.
Nicht selten
kommt vom Betrüger der Satz: „Es war doch nur Sex. Der Sex hatte nichts mit
meinen Gefühlen zu dir zu tun.“
Sexualität ist
eine Sprache der Liebe.
Sie geht tief
hinein in die menschliche Existenz. Sex ist mehr als eine Begegnung und ein
Abagieren zweier Körper. Bei Tieren ist das so, ein reines Ausagieren der
Triebe. Das Tier ist unfrei. Es muss seinem Instinkt folgen. Der Mensch aber
hat nicht nur ein Herz und einen Bauch, er hat auch eine Vernunft: Er ist frei
seinen Trieben zu folgen oder nicht. Er kann entscheiden. Es geht
beim Sex um die Begegnung zweier Menschen, insofern ist ein banaler Satz wie „Sex
ist nur Sex", unsäglich, weil Sexualität immer den ganzen Menschen umfasst.
Zwei Menschen
haben sich versprochen treu zu sein, einander zu achten, wertzuschätzen udn sich nicht zu verletzen.
Einen solchen Satz akzeptieren? Nein, das
ist kein Ausdruck von Liebe, es
ist Ausdruck der Verachtung von Liebe.
Wie soll man
das verzeihen?
Und wenn, mit
dem Verzeihen, falls es gelingt, geschieht nicht zugleich das Vergessen. So
etwas vergisst man nicht.
Da sind die
Bilder im Kopf vom Partner und dem mit dem er uns betrogen hat, Bilder, die
Abneigung hervorrufen können und Abscheu vorm anderen. Da wird das Anfassen des
vertrauten Körpers seiner vertrauten Selbstverständlichkeit enthoben, das
kommen Gedanken auf wie: War der oder die Andere schöner, zärtlicher,
leidenschaftlicher, besser als ich? Da kommen Selbstzweifel und Schuldgefühle
auf. War ich vielleicht der Grund, habe ich nicht genug gegeben oder zu viel?
Was an mir ist falsch? Was habe ich getan, damit man mir das antut? Da ist die
Scham beschämt und beschmutzt worden zu sein. Und da bleibt die große Frage:
Warum hast du das getan? Da ist so viel Enttäuschung, so viel
Fassungslosigkeit, so viel Wut, so viel Trauer und Schmerz.
Wie tief und
wie nachhaltig der seelische Schmerz ist, wenn der Partner einen Betrug begeht,
zeigt eine Studie der Universität Göttingen.
3334 betrogene
Männer und Frauen beantworteten einen umfangreichen Fragenkatalog des
Psychologen Ragnar Beer. Das Ergebnis: Menschen, die von ihrem Partner betrogen
wurden, leiden unter ähnlichen Symptomen wie bei einer Posttraumatischen
Belastungsstörung. So haben, laut der Studie, vier von fünf befragten Frauen
noch nach sechs Monaten so genannte intrusive Gedanken: Wieder und immer wieder
sehen sie die quälenden Einzelheiten vor ihrem inneren Auge - wie ihr Mann eine
andere küsst, sie berührt, verführt. Bei Männern sehen die Zahlen ähnlich
aus. „Ein Betrug ist ein Trauma, ähnlich wie Vergewaltigungsopfer oder
Unfallzeugen durchleben die Betrogenen die Situation immer wieder, so der
Psychologe Ragnar Beer.
Eine
posttraumatische Belastungsstörung entsteht als eine verzögerte Reaktion auf
ein belastendes Ereignis.
Typische
Merkmale sind das wiederholte Erleben des Traumas in sich aufdrängenden
Erinnerungen in Träumen oder Albträumen, Teilnahmslosigkeit der Umgebung
gegenüber, Freudlosigkeit und das Vermeidung von Aktivitäten und Situationen,
die Erinnerungen an das Trauma wachrufen könnten. Vegetative Übererregtheit,
Schlafstörungen und Ängste, bis hin zu Panikattacken, sind keine Seltenheit.
Aber auch alte Ängste und alte Verletzungen können durch den Betrug wieder hoch
kommen. Das erschwert die Verarbeitung dessen, was im Jetzt ist. Es kommt zu
einer Retraumatisierung, der betroffene Mensch ist out of order.
Betrogen
werden ist also nichts, was sich mit einem: „Es tut mir leid“ schnell wieder
gut machen lässt. Ein Betrug ist eine folgenschwere emotionale Verletzung und
eine schwer zu bewältigende Aufgabe für die Seele des Betrogenen, und er ist eine
Herausforderung für die Beziehung, will man sie überhaupt weiter führen.
Ich frage mich,
was wenn der, der betrügt all das vorher wüsste, würde er dann anders handeln?
Die Erfahrung meines Lebens und meine Erfahrung mit Menschen sagt: Leider nein.
Was
du als Betrogener tun kannst:
Dein
seelisches Wohlergehen hängt nicht davon ab, ob oder wie bald du dem anderen
verzeihst. Er hat dich verletzt, er hat nicht an dich gedacht und daran was er
dir zufügt. Es geht jetzt nicht darum dem anderen zu verzeihen, sondern jetzt
geht es allein darum, wie liebevoll und fürsorglich du mit dir selbst umgehst.
Wir
können Vergebung nicht erzwingen, wir müssen uns zuerst unseren eigenen
Gefühlen zuwenden.
Und das bedeutet: Diese Gefühle zu durchleben und sie
auszuhalten. Das Letzte was du brauchen kannst, ist, dass du wieder in die
Verdrängung oder in die Abwehr gehst. Tust du das, sagst du NEIN zu dir selbst.
Du behandelst dich genauso lieblos wie der andere dich behandelt hat. Fakt ist:
Er war nicht loyal. Fakt ist: Er hat in Kauf genommen, dich zu verletzen. Wenn
du verletzt worden bist, dann sei solange wütend, traurig, verzweifelt,
depressiv wie du es fühlst. Weine, sei wütend, schrei und hab dabei Mitgefühl
mit dir selbst. Behandle dich selbst so mitfühlend und liebevoll wie du ein
Kind behandeln würdest, das diese Gefühle hat.
Sag
dem Kind nicht: Jetzt ist aber genug!, oder: Du musst dich jetzt endlich mal
beruhigen.
Sag
ihm auch nicht, dass es verzeihen muss, damit es ein guter Mensch ist.
Dein
Schmerz kann sich nur auflösen, wenn du dir erlaubst absolut ehrlich zu dir
selbst zu sein und das bedeutet, dass du aufhörst etwas von dir zu verlangen,
was du gerade nicht kannst.
Es
geht vorbei. Alles geht vorüber.
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