heute morgen beim aufwachen
kommen sie wieder, die gedanken, kaum dass ich die augen
öffne. die gedanken, die mir erklären wollen, warum ich da bin wo ich jetzt
bin. an diesem punkt meines lebens, wo ich auf die diagnose warte, die mir der
arzt letzte woche schon vor dem test, gegeben hat: "das kann schon krebs
sein. noch dazu wo sie raucherin sind. ich will ihnen da nichts vormachen". er will mir nichts vormachen,
lachte ich ihn in der ersten wut klein, diesen satz, der so kalt und unverschämt
empathielos über den fetten schreibtisch des fetten doktors zu mir
herüberkroch, den satz, der aus seinem verkniffenen mund mein krebsurteil vertönte,
ohne den tatsächlichen beweis dafür zu haben, nur hinweise, die auf die möglichkeit
hinweisen. ich lachte auf dem heimweg immer noch: natürlich macht der dir
was vor – er spricht dich schon mal krebskrank, na wenn das nicht was vormachen
ist. das lachen blieb mir allerdings schon nach einigen metern im hals stecken
und verwandelte sich in einen dicken angstkloß und der sitzt da in meinem hals,
seit tagen und lässt sich nicht runterschlucken.
krebs. was wenn? was wenn du
den hast? das haben viele menschen, in deinem alter ist das nicht selten und
das heißt ja nicht gleich, dass du daran sterben musst, aber ein spaziergang
wird das nicht, denkt die angst mich und es fühlt sich scheisse an. sie malt mir aus, was die dann alles
mit meinem körper anstellen werden um den krebs da wieder rauszuholen, den
irgendwas in mich hineingefressen hat und die angst sagt: dieses irgendetwas
bist du, das ist dir doch klar, das weißt du doch, du hast nämlich nicht gut
für dich gesorgt und damit meine ich nicht nur die zigaretten, die du in all
den jahren geraucht hast, ich meine allgemein hast du nicht gut für dich
gesorgt und ich denke, sie hat recht die angst, und vielleicht hast du deshalb diesen
antrieb anderen genau das beizubringen – gut für sich zu sorgen.
anstatt gut für mich zu
sorgen habe mir immer viel sorgen gemacht. sorgen um meine hypochondrische mutter,
die sich jeden tag selbst bemitleidet hat, sorgen um meinen cholerischen vater, der vor wut über sein verpfuschtes
leben seine kinder schlecht behandelt hat, sorgen um meinen bruder, der sich
vor angst eine ganze kindheit lang an meinen rockzipfel geklammert hat, sorgen
um meinen sohn, der von anfang an ein kleines
sorgenkind war und dem meine sorge bis heute gilt, weil er ein träumer ist und
es immer noch nicht wirklich gelernt hat für sich selbst zu sorgen und mir das
loslassen schwer macht, obwohl ich weiß, dass ich genau das lernen muss, damit er lernt gut für sich selbst zu sorgen.
seit ich denken kann habe ich
mich um andere gesorgt, sie versorgt und mich gekümmert, auch um männer, die es
irgendwie nicht auf die reihe gekriegt haben, das mit dem leben. ich habe sie mir ausgesucht mit blinder treffsicherheit und ihnen dabei geholfen und für sie gesorgt, einmal bis ich pleite war, ein
anderes mal bis ich von einem mann mit dem auto an die wand gefahren wurde und
ein weiteres mal bis mich einer so schamlos und oft betrogen hat, dass ich die
welt nicht mehr verstand. den hat dann der schlag getroffen, und ich habe dann solange für ihn gesorgt bis er wieder einigermaßen hergestellt war und
selbst für sich sorgen konnte. ich habe mein bestes gegeben
um für andere zu sorgen und ich habe dabei mein bestes vergessen, mich selbst
nämlich. mir war das immer klar, warum ich das mache und ich habe trotzdem weitergemacht,
weil dieser eine mächtige teil in mir so überzeugend sagte: du bist es nicht
wert für dich selbst gut zu sorgen. meine verantwortung also.
tja und jetzt? jetzt brauche
ich doch hoffentlich nicht einen krebs um das endlich zu lernen, denn wenn ich
den habe, dann muss ich gut für mich sorgen und ich muss zulassen, dass andere
das für mich tun, nämlich irgendwelche ärzte und schwestern, die genau das
machen, was ich immer mache – für andere sorgen. das sind keine guten
morgengedanken, denke ich und die angst sagt: du weißt , dass du eine lektion
brauchst, denn sonst ändert sich gar nichts! und der mut sagt: ok, dann ist das
so, dann schaffe ich das, ich werde sie lernen die lektion, die ich mir
selbst eingebrockt habe. ich werde sie lernen oder dabei drauf gehen und
letzteres entscheide nicht ich, das entscheidet dann das, was größer ist als
ich. dann muss ich eben gehen und dann müssen die, für die ich immer meine
sorgen zu müssen, es alleine schaffen oder eben nicht. dass sie es nicht
schaffen, ist meine größte sorge. ja, ich lerne es wohl niemals ...
Wow, das klingt hart. Warum lassen die Dich so lange im ungewissen?
AntwortenLöschenIch sorge auch fuer (viele) andere - aber man darf sich trotzdem nicht vergessen. Ich druecke Dir die Daumen, dass es Dir "nur" eine Lektion war und Du nochmal glimpflich davonkommst...
sie haben das zu untersuchende mal einfach vergessen. also 2. runde. das ist hart, aber eine richtig gute lektion im erkennen wer wirklich deine hand hält, wenns hart kommt.
AntwortenLöschendanke für dein mitgefühl und deinen guten wunsch.
Ich weiss nicht, was ich sagen soll. Der Kloss im Hals.... Aber einfach gehen und schweigen ist doof. Verneige mich vor deinem Mut, dich der Angst zu stellen.
AntwortenLöschenAlles Gute für dich...
Gabriela
danke, gabriela!
Löschendas hat mich sehr berührt und mich an mich erinnert... ich wünsche ganz viel Kraft
AntwortenLöschenund wenn eine Hand da ist ist's schon gut
Alles Gute
liebe brigitte,
AntwortenLöschenich danke dir!