Samstag, 23. März 2013

Baumsterben




jeden morgen wenn ich aus dem fenster sehe liegen sie da, zwei leichen, direkt unter meinem fenster. man hat sie umgebracht obwohl sie mitten im leben standen, fest verwurzelt in der erde, mit kräftigen stämmen und ästen. bald hätten sie wie jedes jahr wieder zu blühen begonnen. ich hätte ihnen dabei zugesehen, wie ich es jedes jahr tue und mich über ihre frische grüne kraft gefreut.

sie haben mir schatten gespendet im sommer und trost in manchen nächten, wenn ich schlaflos vor dem fenster saß. sie gaben mir zuversicht, weil sie immer wieder aufs neue nach dem frost des winters lebendig wurden. sie haben mir beigebracht, dass man immer wieder von neuem anfangen kann, egal wie ungut das alte war.

man hat sie abgesägt, in stücke gehackt, liegen lassen. seit wochen liegen sie da in ihrer ganzen trostlosigkeit wie eine anklage gegen menschliche ignoranz und willkür.

sie hinterlassen eine große lücke zwischen den anderen bäumen, die da noch stehen. mein zimmer ist heller als es mit ihnen war. grell fällt das licht auf die weißen wände.

warum man sie umgebracht hat, wollte ich wissen und habe die nachbarn gefragt. die nachbarn wissen es auch nicht. einer von ihnen hat einen brief an die grünen geschrieben um den mord anzuzeigen, ein anderer hat sich an die stadt gewendet um zu erfahren warum.

es gab keine reaktion und keine auskunft zu diesem sinnlosen gewaltakt.

sie waren gesund, groß und stark und jetzt sind sie tot. einfach so, weil irgendeiner entschieden hat, dass sie hier keinen platz mehr haben. wir alle fühlen uns ohnmächtig.

zwei gesunde bäume mussten fallen. das warum wird totgeschwiegen.
wir sind mundtot in unserer trauer.

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