Montag, 11. Juli 2011

perfekt

vielleicht, sagte er, erwartest du einfach zu viel. von dir selbst, den anderen, vom leben, von dem, was du tust. du neigst zum perfektionismus. aber wer immer alles perfekt machen will nimmt sich unendlich viel an möglichkeiten. perfektionismus ist oft nichts weiter als angst.

angst? sie sah ihn an, unverständnis im gesicht. ja, angst, sagte er, wenn du perfekt sein willst machst du alles so lang, arbeitest du an allem so lange, bis es in deinen augen richtig ist. aber nichts ist richtig genug, schön genug, komplett genug, fertig genug, gut genug, nichts ist perfekt, denn alles kann immer noch besser sein. es könnte besser sein, so denkt ein perfektionist.
und, sagte sie, das stimmt ja auch.

aber ja, sicher stimmt das, sagte er, aber dann wirst du das, was du tust oder schaffst immer festhalten, weil es dir als nicht perfekt erscheint. du wirst es bei dir lassen, egal ob es eine idee ist, ein bild, ein roman, ein musikstück. was in deinen augen nicht perfekt ist, hat keine chance von anderen gesehen zu werden.

aber was hat das mit angst zu tun, fragte sie wieder.
es ist, antwortete er, die angst loszulassen. es ist die angst sich einer kritik zu stellen, letzlich ist es die angst zu versagen und im grunde ist es die angst abgelehnt zu werden.


sie dachte eine weile nach, dachte an all die dinge, die sie angesammelt hatte, die geschichten und die romane die in schubladen lagen, die bilder, die an den wänden standen, die notizen über das was sie tun wollte, die in den beschriebenen seiten ihrer tagebücher waren. und dann fiel ihr ihr vater ein, für den nichts gut genug gewesen war, der an allem und jedem etwas auszusetzen gehabt hatte und wie verbittert er gewesen war am ende seines lebens.

und plötzlich hatte sie angst genauso zu werden wie er und so hatte sie nie werden wollen und ihr war klar, dass sie wählen konnte, zwischen der einen und der anderen angst. sie wusste, welche einfacher zu überwinden war.

(c) angelikawende

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