Donnerstag, 7. Juli 2011

Gespräch über Gott und die Welt


sie sah mich an, mit einem ausdruck zwischen wut und frust: wenn es mir gut geht ist das gottes verdienst, geht es mir schlecht ist es teufels werk. 

woher willst du das wissen?, fragte ich sie. 

steht in der bibel, sagte sie, nahm ihr glas und trank es in einem zug aus.

an welcher stelle steht das, fragte ich sie.

keine ahnung, meine mutter hat mir das so gesagt, antwortete sie.

wenn wir davon ausgehen, dass der mensch alle göttlichen und teuflischen anteile in sich trägt, dann ist er allein verantwortlich für sein handeln, dann entscheidet er, ob er gut oder schlecht sein will und handelt danach, das bedeutet, wir selbst übernehmen die verantwortung für unser leben. dann gibt es keine entschuldigungsgründe mehr und keinen gott und keinen teufel, dem wir die verantwortung zuschieben können.

du hast schon immer alles angezweifelt, schnautzte sie mich an, auch gott zweifelst du an. 

nein, das tue ich nicht, antwortete ich. wenn ich von eigenverantwortung spreche, bedeutet das nicht, dass ich gott anzweifle, im gegenteil, ich nehme ihn sehr ernst. 

er hat uns erschaffen, alles was wir sind, sind wir durch ihn und er bestimmt unser schicksal, sagte sie. 

wir sind nicht gut oder böse, weil gott es so will. gott will gar nichts von uns, er schenkt uns das leben.

und was ist mit all dem bösen, das wir erleben, all die wunden, die man uns zufügt? das will gott bestimmt nicht. das ist teufelswerk, fuhr sie mich an.

sie kam mir mit ihren vierzig jahren vor wie ein kind, dem man ein spielzeug wegnehmen wollte.

vielleicht machst du es dir zu einfach, sagte ich. wenn gott uns immer nur gutes schenken wollte, hätte er uns im paradies gelassen und da säßen wir und würden uns zu tode langweilen und wie äpfel schmecken wüssten wir bis heute nicht. ich musste grinsen. ich glaube nicht an ein paradies, nicht an einen himmel und genauso wenig an eine hölle. ich glaube nicht an ein ferngesteuertes leben. ferngesteuert von einem gott, der ab und zu schwächelt oder nicht hinschaut, wenn sich zu viel elend raum schafft, der straft oder belohnt. das ist für mich eine illusion.

ich habe lange nachgedacht, was gott für mich ist. für mich ist er schöpfer, er ist wie ein vater. ein vater, der seine kinder aus dem nest entlässt, um sie fliegen zu lassen, der ihnen alles mitgibt, was sie brauchen, um in der welt zu bestehen,  um sie dann in ihre eigene verantwortung zu entlassen. kann es nicht sein, das wir uns unsere eigene hölle schaffen, wenn der himmel uns nicht einlässt? wenn das göttliche in uns ist, nicht im vater im himmel da oben, sondern in uns, dann tragen wir die verantwortung dafür hier unten. in diesem bewusstsein entsteht eine energie, eine gute energie, denn wenn wir uns bewusst sind, dass das gute in uns selbst ist, dann werden wir es tun. das ist schöpfertum. 
stell dir vor, es ist nicht gott, der dafür sorgt, das dir weh getan wird. du selbst bist es der dir weh tut. es ist allein die energie von menschen im zusammenspiel miteinander, die gutes und böses schafft. was wir glauben und aussenden und wonach wir handeln hat auswirkungen, in jede richtung, im guten wie im bösen. wie fühlt sich das an?

beschissen fühlt sich das an, sagte sie weinerlich. 

ja, es verlangt aber nach einem anderen bewusstsein dem eigenen denken und handeln gegenüber. es verlangt güte, menschlichkeit und liebe von keinem anderen als von uns selbst, für uns selbst und andere. wenn wir die verantwortung für unser leben übernehmen, achten wir auf unsere handlungen, wir achten auf das, was wir für uns tun, was wir für andere tun, was wir an uns, an anderen tun. denkst du nicht, ein guter vater würde sich das für uns wünschen?

ich habe diese macht nicht, sagte sie, dazu bin ich viel zu klein. 

wenn du dich selbst klein machst, machst du gott auch klein. du missachtest die schöpfung, deren teil du bist. würde gott das für dich wollen? 

hm, keine ahnung, was gott will, sagte sie, sichtlich eingeschnappt.

wenn wir uns selbst achten und lieben, egal was uns widerfährt, dann begreifen wir unser leben als ein geschenk, ein wunder, eine reise voller lektionen, die wir lernen, wir begreifen es als ein abenteuer. wenn wir wissen, gott straft nicht und der teufel versucht nicht, erkennen wir, dass wir das alles machen, wir selbst und dass nur wir selbst es verändern können. wie fühlt sich das an?

beschissen, antwortete sie wieder.

ja, beschissen ist das, wenn man sich nicht mehr rausreden kann.

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