Sonntag, 13. März 2022

Aus der Praxis - Kreative Hoffnungslosigkeit und wie sie uns weiter hilft



 

Viele von uns befinden sich seit langem in einer Art Kampfmodus.
Die Zeitenwende strengt an, vor allem psychisch. Aber wir müssen irgendwie weiter machen, unseren Alltag bewältigen, tun, was zu tun ist. Die Herausforderungen sind da und wir nehmen sie an. Aufgeben ist keine Option!, sagen wir uns und wir kämpfen uns zähneknirschend durch. Das geht schon lange so und ja, es wird nicht einfacher.
Wir kämpfen uns durch.
In diesem Kampfmodus tun wir alles Mögliche, um uns besser zu fühlen. Wir suchen nach Lösungen, wir haben Strategien, wir haben Kompensations- und Ablenkungsmechanismen, die uns helfen sollen, die Situtation besser zu verkraften und die schwierige Zeit irgendwie durchzustehen. Wir Menschen haben einen starken Drang, uns körperlich und psychisch wohlzufühlen.
Wenn aber Krisen und Tiefpunkte andauern, und kein Ende abzusehen ist, kommt irgendwann der Punkt wo wir uns fragen: Wird das nie besser? Oder: Wird es vielleicht noch schlimmer?
Wenn wir so denken und fühlen kann sich Hoffnungslosigkeit breit machen. Sie macht sich meistens dann breit, wenn wir erkennen: Ich habe alles versucht und nichts hilft. Diese Erkenntnis ist schwer zu akzeptieren.

Was machen wir damit?
Wir können resignieren und die Hoffnung fallen lassen.
Drüberleben, statt leben. Uns hängen lassen und aufgeben. Nichts mehr tun. In der Lähmung erstarren und in eine Depression gleiten oder am Leben und an uns selbst verzweifeln.
Manche von uns sind nah dran an diesem Punkt, wo nichts mehr geht. Ich verstehe das gut. Auch ich habe Momente in denen ich mich frage: Wofür? Warum? Macht alles noch einen Sinn und: Was ist jetzt mein Sinn?
Immer wieder finde ich ihn dann doch. In der Liebe zu meinem Sohn, der Zuneigung zu meinen Gefährten, in der Herausforderung meiner Arbeit Menschen zu helfen, in meiner Liebe zum Leben selbst und in der Liebe zu meinem Leben.

„Wer ein Warum zu leben hat, erträgt fast jedes Wie“, schrieb Viktor Frankl.
Ein „Warum“ kann auch sein, dass wir die Hoffnung nicht aufgeben, dass wir an ihr festhalten, weil sie ein Wert für uns ist. Wir geben die Hoffnung nicht auf, auch wenn es schwer ist, sie am Leben zu halten. Wir haben die Bereitschaft an der Hoffnung festzuhalten und wir treffen diese Entscheidung ganz bewusst. Und immer wenn wir spüren, dass sie uns wieder entgleitet, dann erinnern wir uns an unsere Entscheidung.
Mir hilft das. Die Bereitschaft an der Hoffnung festzuhalten ist mein Nordstern, dem ich folge.

Aber was, wenn auch das nicht gelingt?
Es gibt noch einen anderen Weg aus der Hoffnungslosigkeit: Die Kreative Hoffnungslosigkeit.

Dieser Begriff stammt aus der Akzeptanz- und Commitmenttherapie.
Fast jeder von uns hat die Kreative Hoffnungslosigkeit schon erlebt. Kreative Hoffnungslosigkeit ist der Zustand, indem wir tief drinnen begreifen, dass unser Kampfmodus uns nichts mehr nützt oder in dem wir erkennen, dass er unsere Lage nur noch schlimmer macht und wir es sein lassen zu kämpfen.
Wir lassen los, wir sagen uns innerlich: Okay, dann eben nicht! Dann ist das jetzt so!
Der Kampfmodus ist beendet.
Wir haben die Situation akzeptiert, die wir nicht kontrollieren und nicht ändern können. Damit ist aber nicht gemeint, dass wir uns selbst endgültig gehen lassen, uns in unser Schicksal fügen und nichts mehr tun. Es ist vielmehr so, dass wir jetzt ausatmen, dass wir „sein“ lassen, was nicht wirkt und unsere Energie dafür einsetzen, was sich noch tun lässt.

Wir machen einen Strategiewechsel vom Kampf gegen das Problem zum Leben mit dem Problem.
Wir stellen uns der Situation und den Umständen.
So kommen wir erst mal zur Ruhe.
Dieser Zustand schafft eine neue Ausgangslage. In der Ruhe, die einkehrt, sind wir fähig neue Optionen zu sehen und uns Möglichkeiten zu öffnen, die wir im Kampfmodus nicht sehen konnten. Wir durchbrechen den Kreislauf des Kämpfens und akzeptieren, dass dieser Weg uns nirgendwo hinführt.
Dann erst können wir wieder kreativ werden und weitergehen. 



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