Samstag, 26. März 2022

Aus der Praxis - Ein liebevolles Leben

 

                                                     Malerei: Angelika Wende
 
Wenn etwas schief läuft, sind manche von uns die ersten, die bereit sind auf sich einzuprügeln, sich zu verurteilen, zu kritisieren, sich in Zweifel zu ziehen, wütend auf sich selbst zu sein und sich regelrecht fertig zu machen bis sie nur noch ein Häufchen Elend sind. Sie haben vielleicht viel darüber gelesen, was es heißt sich selbst zu lieben, wie man lernt sich selbst zu lieben, aber in diesen Momenten ist alles wie weggeblasen. Von Eigenliebe keine Spur, dafür Eigenverurteilung, und die Bereitschaft sich als Versager zu fühlen, alles wieder da. Ganz groß. So groß, dass das Fitzelchen Eigenliebe, das bisher erreicht wurde, auch noch verschwindet.
Man könnte sich wundern, wie es so etwas geben kann, aber so verwunderlich ist das gar nicht. Da ist diese Stimme in uns, die mächtiger ist als unser Verstand und die sitzt im Bauch, von Kindesbeinen an. Und diese Stimme macht uns klar: Dieses miese Gefühl uns selbst gegenüber ist nicht das Gefühl, was sich unser Kopf wünscht. Das miese Gefühl sitzt nämlich schon seit ewigen Zeiten im Bauch und will da partout nicht raus. Egal wie sehr der Kopf das auch will – es weicht nicht.
Warum?
 
Eigenliebe lässt sich nicht anlesen, sie lässt sich nicht herbeidenken, sie lässt sich auch nicht einüben – ganz einfach, weil Liebe, egal, ob uns selbst oder anderen gegenüber, ein Gefühl ist. Menschen, die sich selbst nicht lieben können, haben eins nicht erfahren: Bedingungslose Liebe. Wie soll man etwas fühlen, was man nie erfahren hat? Wie soll man etwas lernen, was man nie erfahren hat? Schwer, sehr schwer, aber nicht unmöglich.
 
Was man nicht erfahren hat, kann man erschaffen.
Auf meinem Weg zur Eigenliebe habe ich eins gelernt: Ich lernte, dass sie wesentlich damit zu tun hat, die Wahrheit zu sagen. Dazu muss man sich selbst respektieren und vertrauen. Erst wenn das gelingt, gelingt es auch ehrlich zu sich selbst zu sein.
Die Wahrheit macht frei. Frei von allen Selbstlügen, frei von allen Rollen, die man meint spielen zu müssen, frei von dem Bild, das man von sich selbst erschaffen hat, das oft nur reine Makulatur ist, um sich selbst nicht sehen zu müssen, wie man im Tiefsten ist.
Der Weg zur eigenen Wahrheit ist eine Herausforderung. Ich weiß das. Da kann ziemlich viel zerbröseln von dem, woran man sich ein Leben lang festgehalten hat und am Ende steht man nackt da. Nackt und verletzt. Das zieht erst einmal ganz schön nach Unten: Das bin ich? Ja, das bist du!
Du bist das, dieses Kind, das sich nach nichts mehr sehnt als danach geliebt zu werden. So wie es ist, so klein, so bedürftig so traurig, so ängstlich, so fragil, wie es ist. Es will endlich auf den Arm genommen und auf den Schoß gesetzt werden und dann soll ihm einer sagen: Ich hab dich lieb, weil du du bist.
Das ist aber nicht passiert, als das Kind klein war und es wird nicht mehr passieren. Als Große können wir dieses Kind niemanden mehr auf den Schoß setzen. Das geht nicht. Und das wissen wir, auch wenn wir es immer wieder versuchen. Am Ende scheitern diese Versuche und der Kummer wird größer als er schon ist. Wir fühlen uns wieder bestätigt, im Gefühl: Ich bin nicht liebenswert. Und das mit der Eigenliebe wird noch schwieriger. Ja, manche von uns verlieren sogar die Hoffnung, da jemals hinzukommen. 
 
Nein, so wir kommen wir auch nicht da hin. Wir kommen aber auf einem anderen Weg da hin. Wir lassen dieses Kind in uns Gestalt annehmen. Wir sehen es vor uns. Ganz klar und deutlich, so wie es da sitzt, in seinem Kummer.
Was dann passiert, wenn wir uns diesem Kind endlich zuwenden, und zwar nicht mit dem Verstand, sondern mit dem Gefühl, ist: Wir fühlen es. Dann fühlen wir eine tiefe Trauer, dass es so ein verletztes kleines Kerlchen in uns gibt mit einer so großen Sehnsucht nach bedingungsloser Liebe. Und wenn wir es wahrhaftig berührt haben, werden wir weinen. All der Kummer, all die Traurigkeit, all der Schmerz werden fließen. Und mit jeder Träne dürfen diese Gefühle unseren angespannten Körper verlassen.
Das ist Wahrheit, die wir dann fühlen – unsere Wahrheit und sie lautet: „Ja, ich will geliebt werden, ich brauche Liebe, Unterstützung, Halt. Und es soll einer für mich tun, weil man es nicht für mich getan hat.“
Dieser Wunsch ist absolut okay. Dafür brauchen wir uns nicht zu schämen. Niemals.
 
Wir brauchen nicht weiter so zu tun, als bräuchten wir all das nicht und stark tun und souverän, wenn wir es in Wahrheit gar nicht sind. Was für eine Anstrengung. Lassen wir sie sein. Sie macht uns nur verspannter und härter gegen uns selbst.
In dem Moment, wo wir den Wunsch nach Liebe zulassen, fühlen unsere Wahrheit. In uns selbst. Für uns selbst. Und für dieses Kind in uns. Dann sind wir wahrhaftig gefühlt bei ihm, mit all unserer Liebe für dieses kleine Kerlchen. Jetzt spüren wir Eigenliebe. Wir haben unseren wundesten Kern berührt, und wir werden uns selbst nicht weiter so behandeln wie man dieses Kind behandelt hat.
Wir gestalten ihm ein liebevolles Leben. 
 
 
 
Wenn Du ein liebevolles Leben gestalten willst, unterstütze ich Dich gerne. 
 

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