"Diese
Depression, ich hasse sie, sie hat doch keinen Sinn", sagte eine Klientin
zu mir. Aber ja, sie hat
einen Sinn antwortete ich. Die Depression fordert sie auf, sich mit sich selbst
auseinanderzusetzen. Sie möchte, dass sie sich mit ihrem Unbewussten beschäftigen
um herauszufinden, was in ihrem Leben auch gelebt werden will. Sie verweist auf
ihre inneren Konflikte, die sie nicht lösen können und auf das, was sie nicht
mehr ertragen, auf das, was sie nach unten drückt und lähmt. Sie ist dazu da
herauszufinden was sie in ihrem Leben wirklich wollen und was sie nicht mehr
wollen.
C. G. Jung schrieb
einmal: "Die Depression ist gleich einer Dame in schwarz. Tritt sie auf,
so weise sie nicht weg, sondern bitte sie als Gast zu Tisch und höre, was sie
zu sagen hat.“
Die Depression ist nicht
unser Feind. Sie ist diese Dame, von der Jung schreibt. Sie besucht uns, wenn
wir es so wie es ist nicht mehr aushalten und sie zwingt uns dazu innzuhalten,
weil nichts mehr geht.
Viele von uns leben
eine Identität, die ihnen nicht entspricht. Sie passen sich an ein Leben an, in
das sie hineingeraten sind oder für das sie sich irgendwann entschieden haben.
Aber irgendwann kann es sein, dass dieses Leben nicht mehr passt. Es fühlt sich
nicht gut an, es fühlt sich an als sei es längst überholt. Der Selbstentwurf,
der daraus entstanden ist fühlt sich unecht an. Es fühlt sich als befinde man
sich im falschen Leben. Die meisten Menschen machen trotzdem weiter. Sie hören
und fühlen die Alarmsignale der Seele und des Körpers, der dann die Somatik
übernimmt, wenn die Seele keinen Ausweg mehr findet, nicht. Sie werden krank
und machen immer noch weiter, solange Tabletten helfen. Aber irgendwann hilft
nichts mehr und die Depression sitzt am Tisch. Wer sich zu sehr an das anpasst,
was die Welt von ihm will ist gefährdet. Sich zu sehr und zu lange in die
Erwartungen der äußeren Welt anpassen macht krank. Es geht auf Kosten der
Persönlichkeit, wenn wir immer nur tun, was „man“ tut oder was „man“ von uns erwartet.
Und plötzlich wird emotional eine große Leere erlebt und der Sinn des eigenen
Lebens wird zur unlösbaren Frage.
Wenn der Mensch den
Sinn verliert stumpft er ab, oder er verliert sich in Alkohol und Drogen um den
Schmerz darüber zu betäuben oder er wird krank und depressiv. Wenn Menschen zu
lange mögliche Selbstentwürfe aussparen geschieht all das. Wenn Menschen sich
an einer Identität festhalten, die ihnen nicht, oder nicht mehr entspricht, geschieht
das. Wenn Menschen nicht
wissen was sie vom Leben und von sich selbst wollen, geschieht das. Dann sind
sie wie ein Boot auf einem dunklen Meer – sie lassen sich treiben bis sie
untergehen.
Ich kenne Menschen,
die Tag für Tag nur drüber leben. Über ihre Bedürfnisse, über ihre Träume, über
ihre Gaben und Potentiale über ihre Fähigkeiten. Sie lassen all das links
liegen und beklagen sich, dass sich nichts ändert. Weil sie längst den Glauben
an sich selbst verloren haben. Es ist erschreckend zu sehen was das mit ihnen
macht. Sie werden zu einem Schatten ihrer selbst. Sie leben in einer inneren
und äußeren Isolation. Innen fühlen sie genauso wenig wie im Außen. Nichts
berührt sie mehr. Sie haben den Bezug zu sich und der Welt verloren. Sie warten
nur noch. Auf was? Fragt man sie wissen sie es nicht. Sie haben sich aufgegeben.
Sie leben in einer lavierten Depression, die nur noch das Nötigste zulässt um
nicht zu Grunde zu gehen. Sie spüren zwar, dass es so wie es ist nicht mehr
geht, aber sie können längst nicht mehr handeln. Sie erkennen den Sinn ihres
Zustandes nicht.
Ja, die Depression
hat einen Sinn: Sie hat den Sinn, uns den Sinn unseres Lebens neu suchen zu
lassen.
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