Samstag, 6. Juni 2015

Willst du gut sein oder ganz?




Es ist unvorstellbar wie wir unbewusst einen großen Teil unserer Aufmerksamkeit und damit unserer Energie verbrauchen, um unsere ungewollten inneren Anteile vor uns selbst und anderen Menschen zu verbergen. Dabei vergessen wir: Die Energie folgt immer der Aufmerksamkeit. Wenn wir also viel Energie aufwenden um bestimmte Anteile unser Persönlichkeit zu leugnen und zu unterdrücken, kommt es unweigerlich dazu, dass wir im Außen Situationen, Erlebnisse oder Menschen anziehen, die uns exakt diese unterdrückten oder verleugneten Eigenschaften wie in einem Spiegel vorführen. Der Partner, unsere Kinder, Freunde, Kollegen, Nachbarn oder die böse Welt da draußen, führen uns vor, was wir nicht sehen wollen – und zwar in uns. Es ärgert uns wenn der Andere faul, unordentlich, gierig, neidisch ist, aggressiv, dumm, unbelehrbar ist usw. Es regt uns auf und wir verurteilen den Anderen dafür. Wir glauben, so sind wir nicht, wir glauben es besser zu wissen, zu können, zu leben. Und eine ganze Weile fühlt sich das auch ganz gut an. Aber irgendwann kommt bei jedem Menschen, der sich wahrhaftig und ernsthaft auf den Weg zu sich selbst macht, der alles entscheidende Punkt wo er begreift: Wahr ist – ich verurteile mich selbst. 

Wir verurteilen am Anderen, was wir an uns selbst nicht sehen wollen, was wir nicht sein wollen, was wir nicht fühlen wollen, was wir glauben nicht sein und nicht haben zu dürfen.

Erst wenn wir uns dessen gewahr werden und uns all das Ungeliebte in uns selbst bewusst machen, es dann liebevoll anerkennen, als ein unabdingbar zu uns Gehörendes, auch wenn es uns ganz und gar nicht gefällt, sind wir im Frieden. Dann werden wir aufhören andere zu bewerten und zu verurteilen.Wir beginnen unsere Schatten zu integrieren.Tun wir das nicht bleiben unsere verdrängten Eigenschaften im Schatten unserer Selbst. Sie sind dort unten aktiv und agieren automatisch und von uns unbemerkt. 

Nehmen wir die Wut als Beispiel. Bekenne ich mich nicht zu meiner Wut, wird sie sich immer wieder in kleinen Ausbrüchen entladen, meist dort wo sie nicht hingehört oder sie entlädt sich in sogar einem großen Knall, der zerstörerisch wirken kann, oder sie begegnet mir immer wieder im Außen, indem ich es mit aggressiven Menschen zu tun bekomme. 

In dem wir akzeptieren und bejahen was wir auch sind, sind wir unseren Schattenanteilen nicht mehr hilflos ausgeliefert, wir können den vollen Ausdrucks unseres gesamten Seins sehen, erfahren und leben. Das bedeutet, im Falle der Wut nicht, sie an anderen auszulassen, es bedeutet einen adäquaten Kanal zu finden um sie auszudrücken, ohne uns selbst und anderen zu schaden.


Wir können unsere ungeliebten Anteile annehmen und integrieren, indem wir das Geschenk darin finden, denn jede "ungute" Eigenschaft hat auch einen positiven Aspekt, eine Qualität, die uns hilfreich und nützlich sein kann. Nehmen wir wieder das Beispiel mit der Wut: Ihre hilfreiche Qualität ist, dass sie ein Motor für mehr Durchsetzungsvermögen und die gesunde Aggression sein kann, die es braucht um unsere Bedürfnisse anzumelden, sie ernst zu nehmen und sie uns zu erfüllen, sie kann hilfreich sein um uns die Kraft zu geben längst überfällige Veränderungen durchzuführen und sie kann uns helfen, uns nicht mehr alles gefallen zu lassen und uns besser abzugrenzen demgegenüber was uns vereinnahmen will.

C.G. Jung sagte einmal: Das Gold liegt im Schatten eines jeden Menschen. 
Und er fragte: Willst du gut sein oder ganz?  







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