Sonntag, 30. März 2014

AUS DER PRAXIS - Vom Verabschieden alter Gefühle





Unverarbeitete Gefühle wie Trauer, Wut, Schuldgefühle und Hass tragen zur Unversöhnlichkeit mit der Vergangenheit bei. Wir halten fest was war, wir lassen es in uns weiterleben und verdammen die Zeit, die die Wunden nicht heilen kann. Die Zeit heilt auch keine Wunden, das ist unsere Aufgabe. Es liegt an uns, das Pflaster behutsam auf die Wunde zu legen und sie zu versorgen, solange bis da nur noch eine gut verheilte Narbe ist.

Narben bleiben ein Leben lang, wer etwas anderes glaubt, hat das Leben nicht verstanden. Wir alle tragen Narben. Diese Narben können hin und wieder weh tun, aber das Weh wird kleiner, wenn es uns gelingt, die alten Gefühle nicht ständig heraufzubeschwören. Indem wir sie immer wieder heraufbeschwören geschieht es nämlich, dass wir immer wieder ähnliche Situationen in unser Leben einladen, obwohl diese Gefühle in der Vergangenheit liegen. Durch unsere unverarbeiteten Gefühle wiederholen wir unbewusst frühere Szenarien, die dann in neuer Gestalt und in ähnlicher Qualität in unser Leben treten.

Unsere Gefühle bestimmen unser In-der-Welt-Sein weitaus mehr als unsere Gedanken.

Wenn ich beispielsweise mit Wutgefühlen in der Welt bin werde ich mich wütend verhalten und damit erhalte ich einen Zustand aufrecht, der mir schadet und ich ziehe ähnliche Energien an. Das entspricht dem Prinzip von Aktion und Reaktion. Wenn wir uns darüber bewusst werden, dass unsere Wut ein altes Gefühl ist, eine alte Wut, dann können wir uns dafür entscheiden, sie gehen zu lassen. Nun geht das aber nicht einfach so. Alte Gefühle sind hartnäckig und lassen sich mit einem: Geh jetzt endlich!, nicht verjagen. Was wir aber tun können ist – sie in ein helleres Licht zu tauchen.

Es ist möglich und zwar indem wir anerkennen, dass selbst Erfahrungen und Geschehnisse, die uns verletzt haben und schmerzhaft waren, uns geholfen haben etwas Wertvolles über uns selbst zu lernen. Jede Erfahrung ist eine Lektion, jede Verletzung lehrt uns, dass wir das, was uns verletzt hat, nicht mehr in unser Leben lassen dürfen, seien es Menschen, die uns gedemütigt, benutzt, belogen und betrogen haben oder Situationen, in denen wir gegen uns selbst gehandelt haben.

Wir werden nicht geprüft, wir werden unterrichtet und unser Lehrer ist das Leben selbst.

Selbst wenn wir als Kind Schlimmes erlebt haben, wir sind noch da, wir haben es überlebt und zwar weil wir stark genug waren es zu überleben, weil wir stärker waren als das, was uns brechen wollte. Wenn wir nun aber weiter auf das Schlimme schauen und den alten Gefühlen immer wieder nachspüren, werden wir uns heute genauso fühlen wie damals als Kind. Wir fühlen die alte Angst, den alten Schmerz, die alte Enttäuschung. Wir schüren sie, indem wir die kratzen die Wunde immer wieder aufkratzen und dann fühlen sie im Jetzt genauso wie damals, in der gleichen Intensität, obwohl wir heute erwachsen sind und wissen - das wird uns keiner mehr antun, denn heute können wir uns schützen und uns wehren.

Wenn wir die Wiederholung früherer Szenarien vermeiden wollen können wir diese Wunde in ein helles Licht tauchen.

Es ist möglich und zwar indem wir uns klar machen, wie stark wir damals waren, wie viel Mut, Willen und Kraft wir aufwenden konnten um zu überleben. Dann finden wir ein neues Gefühl im Schmerz: Das Gefühl von Selbstwirksamkeit. Wenn wir uns auf dieses Gefühl einlassen, empfinden wir Liebe und Wertschätzung für dieses verletzte Kind in uns, dass, so klein und ohnmächtig es war, Mittel gefunden hat um zu überleben. Damit lassen wir ihn gehen, den negativen Aspekt unserer Geschichte. Wir erkennen uns selbst an und vielleicht empfinden wir sogar Liebe für dieses kleine starke Kerlchen in uns selbst, das all dieses Verletzungen so gut ertragen und gemeistert hat, wie es das eben damals eben konnte. Das geht auch mit den Verletzungen in unserem Erwachsenenleben.

Wir haben die Macht abzuschließen, wir besitzen die Fähigkeit zu erkennen – die Lektion von damals ist gelernt. Wir haben durch genau diese Lektion erfahren wie wie wertvoll, wie groß, wie liebevoll oder was auch immer wir sind. Wir können das Alte abschließen, wir haben das Potential, wir müssen es nur benutzen.

Um ein friedvolleres Leben im Jetzt zu führen ist es wichtig jedes schmerzhafte alte Gefühl anzuschauen. Nur indem wir unsere Gefühle anschauen kommen sie in Bewegung und können sich damit verändern und wenn sie das tun können wir anders fühlen und damit die Dinge anders sehen.  Und dann legen wir das Alte behuntsam an den Platz an den es gehört und dort lassen wir es ruhen, in uns selbst, als Teil des Menschen der wir sind - in Dankbarkeit und mit Achtung diesem Gefühl und dieser Erfahrung gegenüber. Wenn uns das gelingt, haben wir es integriert. Integration ist der heilsamste Weg um nicht mehr abzuspalten. Solange wir abspalten und unsere Biografie in gute und schlechte Erfahrungen einteilen, sind wir nicht einverstanden mit all unseren Anteilen und all unseren Erfahrungen, wir sind nicht einverstanden mit dem, was unser Leben ist, wir jammern und klagen und fühlen uns ungerecht behandelt und tragen dem Leben oder anderen Menschen etwas nach. Wir werden verbittert und unversöhnlich mit uns selbst und unserer Geschichte.

Wie fühlt es sich an, sich zersplittert und gespalten, unversöhnlich und verbittert zu fühlen? Es fühlt sich nicht gut an.

Der große Rahmen, der tiefere Grund warum uns Dinge widerfahren ist viel größer als wir es uns vorstellen können. Es gibt Dinge, die wir nie verstehen werden. Aber müssen wir alles verstehen? Wer sagt das? Unser Kopf sagt das, unsere Seele weiß, das wir es nicht müssen. Unsere Seele wartet nicht auf Wiedergutmachung von Außen, sie hat das Potential die Dinge sein zu lassen wie sie sind und sie kann verzeihen, denn sie ist Liebe und Liebe verzeiht.

Wenn wir uns mit dem was uns verletzt hat versöhnen und das heißt nicht es gut zu heißen, verzeihen wir im Bewusstsein, dass alles Vergangene einen Sinn hat, auch wenn wir nicht fähig sin ihn zu erfassen, dann werden wir frei von altem Gefühlsballast, wie leben ohne lebensbehinderne Resentiments und ohne den alten Groll im Jetzt und sind dankbar zu sein.

Dankbarkeit ist der Schlüssel. Dankbarkeit für unser Leben in seiner ganzen Fülle, im Guten wie im Unguten.




2 Kommentare:

  1. Wie schön du das erklärt hast ich könnte es die ganze zeit lesen um es zu verinnerlichen und umzusetzen Danke.lg galina

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