Montag, 24. Oktober 2011

der irrglaube von den spiegelungen

es gibt einen weit verbreiteten glauben, der besonders von den esoterikern und den spirituell erleuchteten unserer spezies gern verbreitet wird - der glaube, dass jeder mensch und besonders der jeweilige partner, nur der eigene spiegel sei, frei nach dem motto: "was ich in dir sehe, das bin auch ich!" und das soll ich dann gefälligst auch bitteschön liebend anehmen, denn das bin ja ich. und wenn ich es nicht annehme, liebe ich mich selbst nicht und den anderen auch nicht.

das würde, nähmen wir das als wahr, bedeuteten, dass wie immer gleiches anziehen und immer nur den oder das im anderen gespiegelt sehen, was oder wer wir selbst sind mit allen schatten inklusive. kann ich mir irgendwie nicht vorstellen, denn jeder mensch ist anders und jeder ist einzigartig, auch wenn wir uns in unserer struktur ähneln, besonders was unsere grundbedürfnisse angeht. und ausserdem - immer in den spiegel gucken und nur wieder mich selbst sehen - wie langweilig ist das denn?

glaube ich also nicht, das mit dem spiegel des gegenübers, das mir nur mich selbst zeigt mitsamt allem, was ich an gutem und weniger gutem so in mir herumtrage.

ich glaube, dass besonders in engen beziehungen das spiegelthema ein anderes ist. ein weniger einfacheres. by the way - das einfache ist zwar immer das einfachste aber nicht immer das richtige und bestimmt nicht immer das wahre.

ich glaube nicht, dass das gegenüber dassselbe in sich trägt. ich glaube, dass das geheimnis der spiegelungen sich anders offenbart, nämlich so: der andere zeigt uns etwas was wir nicht leben, etwas, was wir nicht ins eigene leben investieren, was wir verdrängen, weil wir es uns nicht zu leben trauen oder uns nicht zutrauen zu sein.

so ist das mit dem spiegeln. und daher kommt es auch, dass wir genau die eigenschaften am anderen, die uns ärgern oder die wir insgeheim beneiden, oder sogar verachten oder, wenns ganz schlimm kommt, hassen, genau die sind, die wir bei uns selbst vernachlässigen.


manche suchen sich sogar unbewusst partner, die das unausgelebte dann für sie leben. als ergänzung sozusagen. tja, dass da die persönliche entwicklung auf der strecke bleibt brauche ich jetzt nicht zu sagen.

wenn der andere an meiner statt etwas lebt, dann lebt er meinen mangel aus, also das, was ich mir wünsche und nicht leben oder sein kann, warum auch immer. schön und gut - geteiltes leid ist halbes leid - glaub ich eh nicht.

nein, wenn der andere etwas für mich auslebt oder erledigt, führt das ganz und gar nicht dazu, dass ich glücklicher bin oder mich ganz fühle - übrigens der irrglaube schlechthin - keiner macht uns ganz - sondern dazu, dass ich den mangel immer weiter verdränge und mir nicht das hole was mir mangelt, und zwar vom leben durch mich selbst, durch mein tun und handeln, sprich - durch mein eigenes schöpfertum.


oh ja, er hatte recht der alte platon, gott hab ihn selig, als er sagte, wir menschen sind halbierte, die nach ganzheit streben. aber haben wir ihn recht verstanden?

nun platon hat behauptet, dass wir - dereinst kugelmenschen - nach der spaltung durch zeus immer die zweite hälfte suchen. und wenn wir nicht gestorben sind, suchen wir die noch heute.

tun wie auch, wir noch lebenden. und wo suchen wir die andere hälfte, wir, die wir einst ein kugelmensch waren? man beachte EIN kugelmensch! wir suchen die da draussen, nämlich beim, im und durch den anderen. anstatt da wo sie ist, nämlich in dem EINEN und der eine sind wir selbst. da ist was ganz zu machen, damit die kugel wieder rund ist.


insofern zeigt uns der spiegel, sprich der andere, nicht wer wir sind, sondern wer wir sein können und wonach wir uns sehnen zu sein.

der spiegel fungiert eben nicht als reflektionsfläche für unser eigenes denken, fühlen und handlen, sondern er tut viel mehr - er zeigt uns genau das, was es bei uns und in uns zu entwickeln und zu verwirklichen gibt, damit wir in richtung ganzheit wandern.

übrigens, genau dafür bin ich allen spiegeln die mir im laufe meines lebens begegnet sind und noch begegnen werden, so lange ich sie brauche um in richtung ganzheit zu wandern, sehr dankbar. ansonsten schaue ich, je älter ich werde, lieber in mein spieglein an der eigenen wand, das ist zum einen sinnvoller und zum anderen weniger ablenkand und verwirrend als das ewige spiegelspielchen, das zu nichts anderem führt als von mir selbst weg.

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