Freitag, 11. Juni 2021

Aus der Praxis – Einsamkeit – das verlassene Innere Kind

 

                                                                     Foto: www


Keiner kann beurteilen, ob wir einsam sind, oder ob wir im Moment allein sind. Dass wir allein sind kommt immer mal wieder für kürzere oder lange Zeit vor. Alleinsein ist der Kontrast zum Kontakt mit anderen Menschen.
Einsamkeit aber ist etwas völlig anderes – sie ist ein zutiefst persönliches Gefühl. Ein Gefühl, wie gesagt – wir „fühlen“ uns einsam. Und das können wir sogar dann fühlen, wenn wir unter Menschen sind, manche von uns fühlen es sogar wenn sie in einer Beziehung sind.
Zur Zeit habe ich viele Klienten, die unter diesem Gefühl der Einsamkeit leiden. „Es fühlt sich an wie sterben, sagte neulich eine junge Frau zu mir. "Es ist, als ob ich mich auflöse. Das macht mir Angst.“
Ich habe viel über Einsamkeit geschrieben, in meinem Blog gibt es einige Artikel über dieses existentiell bedrohliche Gefühl. Ich war ein einsames Kind und dieses Kind lebt noch heute in mir. Die innere Einsamkeit und ich sind Vertraute. Ich kann das Gefühl meiner Klientin sehr gut mitfühlen.
 
Am besten lässt sich Einsamkeit in Bildern beschreiben. 
 
Einsamkeit ist wie ein Loch in der Mitte.
Groß und dunkel und leer.
In dieser Mitte suchst du instinktiv Halt.
Aber du findest dort nichts.
Dort ist nur das Loch.
Dort ist nur die Leere.
Dort ist nur die Dunkelheit.
Das lässt dich den Halt verlieren.
 Du fällst ins Bodenlose und wartest auf den Aufschlag ...
 
Gleichzeitig denken einsame Menschen sie sitzen in einem Käfig, aus dem es keinen Ausweg gibt. Zu dem Gefühl kommen Gedanken wie: Keiner liebt mich, keinem bin ich wichtig, niemand braucht mich, es ist egal, ob es mich gibt oder nicht, alle haben jemanden, nur ich nicht, ich bin nutzlos, bedeutungslos, ich habe es verdient, ich werde bestraft, alles ist sinnlos, ich werde immer einsam sein.
Diese unheilsamen Gedanken verstärken das Gefühl und je mehr wir diesen Gedanken glauben, desto schwärzer wird das Loch. 
 
Meist entsteht Einsamkeit wenn wir tatsächlich keinen Kontakt haben oder wenn wir Kontakte haben aber keinen Menschen, der uns emotional nahe steht und der uns versteht.  
Dann fühlen wir uns wie ein verlassenes Kind, mutterseelenallein auf der Welt. Um dieses Kind geht es oft, wenn Menschen Einsamkeit als bedrohlich und schmerzhaft empfinden. Wenn wir also beginnen uns mit unserer Einsamkeit auseinanderzusetzen führt der Weg zu unserem Inneren Kind, an ihm kommen wir nicht vorbei.
Ich weiß, dass die äußeren Umstände einen großen Teil dazu beitragen, dass wir uns einsam fühlen. Unsere Lebensumstände können ein auslösender Faktor sein, doch die wahre Ursache liegt in den meisten Fällen tiefer. Einsamkeit ist nämlich kein objektiver Tatbestand, denn nicht alle Menschen fühlen sie, sie ist ein höchst persönliches, rein subjektives Gefühl.
Wie wir darauf reagieren macht den Unterschied, unsere Reaktion auf das was wir erleben, entscheidet wie wir das Erlebte empfinden. Sie entscheidet, ob wir uns einsam fühlen oder nicht und sie entscheidet auch darüber ob wir die Einsamkeit durchbrechen können. 
 
Was ist mit dem Loch in der Mitte?
Es lässt sich nicht füllen.
Weil da von Kindheit an etwas fehlt.
Das Urvertrauen, das dir nicht geschenkt wurde.
 
Darum geht es, wenn wir unsere Einsamkeit überwinden wollen – um dieses fehlende Urvertrauen. 
Erlebnisse in der Kindheit können das Vertrauen in eine beschützende, liebevolle, haltgebende Welt zerstören. Sie führen dazu, dass wir uns einsam und verlassen fühlen.  
Diese Erfahrung gräbt sich ein und bestimmt unser in - der -Welt sein.
Wenn wir früh Verlassenheit erfahren, aus welchen Gründen auch immer, kann uns das ein Leben lang begleiten und sich als innere Einsamkeit zeigen. Wenn wir früh erfahren wie unsicher oder wie vergänglich Beziehungen sind, kann das dazu führen, dass wir enge Bindungen nicht vertrauensvoll eingehen können. Auch körperlicher und seelischer Missbrauch, Abwertung, Demütigung, Hänselei und Zurückweisung, alle Erlebnisse, die uns das Gefühl geben „schlecht“ oder „falsch“ zu sein, können dazu führen, dass wir uns allein und schutzlos in der Welt fühlen. Solche Erfahrungen können dazu führen, dass wir eine unbewusste Angst vor Menschen entwickeln. Die Welt ist dann ein unsicherer Ort. Wir schließen daraus, dass wir auf uns selbst angewiesen sind um zu überleben. Diese Erfahrung speichern wir ab, diese Erfahrung fühlen wir - diesen unsicheren Ort der Kindheit - und wir verlassen ihn innerlich nicht. Wir verkriechen uns in einen inneren Käfig, der uns schützen soll, und wir kommen da allein meist auch nicht so leicht raus.
 
Wenn wir also beschließen unserer Einsamkeit ein Ende zu setzen, ist es unabdingbar uns mit den tieferen Ursachen zu befassen. Wir müssen uns diesem verlassenen Kind stellen. Wir müssen uns unseren Ängsten stellen. Und ja, hier sage ich „müssen“, denn tun wir das nicht, werden wir weiter einsam sein.
Wenn wir unsere Einsamkeit ein für alle mal satt haben und entschieden sagen: Ja, ich bin bereit diesen Schritt zu machen, ich nehme die Herausforderung an, dann ist das der erste Schritt raus aus dem inneren Käfig.
Es gibt einen Weg da raus, es gibt immer einen Weg, auch wenn er beschwerlich ist und lange dauern mag. Und wenn alle Hindernisse überwunden sind, sind wir vielleicht immer noch eine Weile allein, aber wir fühlen uns nicht mehr einsam. Und vor allem wissen wir, wie wir liebevoll und fürsorglich mit diesem verlassenen Kind in uns umgehen. 
 
Auf diesem Weg begleite ich Dich gern.
 
 
 
 

2 Kommentare:

  1. Danke von ganzem Herzen, für all diese wunderbar geschriebenen Texte. Sind mir immer eine Stütze,die zumindest etwas Halt geben.

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  2. Danke für Ihre Wertschätzung.
    Ich freue mich Ihnen mit meinen Worten Halt geben zu können.

    Namasté

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