Foto: A. Wende |
Nicht selten kommen Klienten zu mir, die "geschickt" wurden. In diesem Fall sind es meist ihre Partner, die meinen, sie sollten doch mal ihre Kindheit verarbeiten oder ihnen sogar eine Diagnose verpassen. Es ist in Beziehungen nicht selten, dass Dysfunktionales unreflektiert an den Anderen weitergegeben wird. Steter Tropfen höhlt den Stein. Dann sitzt dieser Andere irgendwann vor mir und sucht verzweifelt nach belastenden Kindheitserlebnissen, kann sie aber nicht finden. Nach mehreren Sitzungen stellt sich heraus, dass der Konflikt in der Beziehung oder beim Partner liegt, der seine eigenen Traumata und innerseelischen Konflikte auf sein Gegenüber projiziert.
Viele Menschen verbringen Stunden in der Therapie auf der Suche nach traumatischen Erlebnissen in der Kindheit. Sie wollen Erinnerungen finden, die ihnen erklären sollen, wieso sie leiden.
Sie sind davon überzeugt auf diese Weise ihre Probleme im Jetzt zu lösen und ihrem Leben mehr Leichtigkeit und Sinn zu verleihen. Fragt man sie dann nach traumatischen Erlebnissen lassen sich keine finden, zumindest keine, die dem Bewusstsein zugänglich sind. Natürlich hat jeder von uns ungute Erinnerungen aus der Kindheit und fast jeder Mensch ist auf irgendeine Weise mehr oder minder traumatisiert. Wir alle sind emotional Überlebende. Der eine mehr, der andere weniger. Aber es kommt immer darauf an, wie sich das Trauma auf unser gegenwärtiges Leben auswirkt. Manches verdrängt unser Gehirn, es spaltet es ab und das hat einen Sinn. Es ist eine Schutzfunktion um die Seele zu davor bewahren, etwas zu fühlen, was sie nicht ertragen könnte. Dann sollten wir auch nicht dran herummanipulieren, weil dies erheblich mehr Schaden anrichten kann als es der seelischen Gesundheit nützt.
Traumatische Erinnerungen haben die Tendenz ins Jetzt einzudringen und nicht die Unmöglichkeit sie abzurufen.
Drängen sich Erinnerungen auf ist es selbstverständlich wichtig und hilfreich darüber zu sprechen um sie zu verarbeiten, weil sie unbewusst unsere Gefühlswelt, unser Verhalten und unser gesamtes in-der-Welt-sein beeinflussen. Für Menschen aber, die im Jetzt, nicht von schmerzhaften Erinnerungen gequält werden, kann es schädlich sein, wenn sie meinen, sie müssten in der Vergangenheit graben.
Niemals sollten wir uns drängen oder drängen lassen, ein Trauma zu bearbeiten, das keine Erinnerungen hat. Dies kann dazu führen, dass ein Mensch sich auf die Vergangenheit fixiert und dabei den Kontakt mit dem Hier und Jetzt verliert. Er gräbt in einer nicht abrufbaren Vergangenheit anstatt belastende Themen der gegenwärtigen Lebenssituation zu erkennen, sie anzugehen und zu lösen.
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