Michelangelos Fresko „Die Erschaffung Adams“ |
Es war der Philosoph Giovanni Pico
della Mirandola, der den Begriff Würde (lat. dignitas) begründete. Mirandola wurde 1463 in in
Norditalien geboren. Er starb im Alter von 31 Jahren.
Seine Rede über
die Würde des Menschen verfasste er mit vierundzwanzig Jahren.
Nach
Mirandola gründet die menschliche Würde darauf, dass die Natur des Menschen
darin liegt, dass er eben keine festgelegte Natur hat, sondern die Freiheit
besitzt, sein Wesen selbst zu erschaffen.
So lässt Mirandola Gott zu Adam sagen:
„Keinen bestimmten Platz habe ich dir zugewiesen, auch keine bestimmte äußere
Erscheinung und auch nicht irgendeine besondere Gabe habe ich dir verliehen,
Adam, damit du den Platz, das Aussehen und alle die Gaben, die du dir selber
wünschst, nach deinem eigenen Willen und Entschluss erhalten und besitzen
kannst. Du wirst von allen Einschränkungen frei nach deinem eigenen freien
Willen, dem ich dich überlassen habe, dir selbst deine Natur bestimmen.“
Pico war so radikal, dass er behauptete,
ein Mensch der seinen Trieben und Sinnen gedankenlos folgt, sei es nicht wert, menschlich genannt zu werden.
Der Philosoph war der festen
Überzeugung, dass die menschliche Würde in der Herausforderung besteht ein selbstbestimmtes Leben zu gestalten. Diese Fähigkeit
zur Selbstbestimmung des Menschen macht, nach Pico, seine Würde aus.
Immanuel Kant konnte gar nicht genug
über die Würde des Menschen schreiben.
Er begründete die Menschenwürde in mehreren
seiner Schriften zur praktischen Philosophie mit der Vernunft des Menschen, die
sich selbst ihr eigenes Gesetz für die Beurteilung des moralisch Guten gibt.
Die Würde als innerer Wert also, die auf der Fähigkeit vernünftiger Wesen
beruht, ihr Denken und Handeln autonom als moralisch gut oder moralisch
schlecht zu bewerten.
Folgen wir den Gedanken der beiden Philosophen, so fällt Würde
dem Menschen nicht aufgrund irgendwelcher zufälliger Eigenschaften zu, sie
ist vielmehr eine Frage der Bereitschaft sein Denken und Handeln nach moralischen
Prinzipien und Werten auszurichten.
Der Mensch, schreibt Kant, hat die
Pflicht, seine Würde, die „ihn vor allen anderen Geschöpfen auszeichnet, auch
in seiner eigenen Person niemals zu beleidigen.“
"Diese Pflicht gegen sich selbst
besteht darin, dass der Mensch die Würde der Menschheit in seiner Person
bewahre", so Kant weiter. Würde ist nach Auffassung beider Philosophen ein
innerer Wert. Geschützt von den Zumutungen und
Unwägbarkeiten des Lebens. Unveränderlich und weder
Zufälligkeiten ausgeliefert noch irgendeiner Gewalt.
Würde, Dignitas, ein schweres, ein
schönes Wort. Schwer im Sinne von
schwerwiegend, schön im Sinne von wertvoll.
Würdevoll zu leben beinhaltet viel mehr
als das Bewusstsein und die Fähigkeit uns selbst Gesetze zu geben, denen wir
uns verpflichten, die wir achten und leben und in unser Leben hineintragen zum
eigenen Wohl und zum Wohl anderer, sie ist eine lebenslange Verpflichtung uns
selbst gegenüber.
Aus neurobiologischer Sicht handelt es
sich bei der Würde um ein neuronales Verschaltungsmuster, das eng an die
Vorstellung unserer Identität gekoppelt ist.
Es geht dabei um ein inneres Bild,
das ein Mensch von sich hat, ein Bild davon was für ein Mensch er sein will.
Unsere Würdevorstellungen sind orientierungbietende Vorstellungen, die uns
dazu verhelfen eine stabile Identität zu formieren und damit autonomer Mensch zu sein, im Sinne von: Wir verpflichten uns dem,
was wir als würdevoll erachten und entscheiden uns es zu vertreten. Und damit vertreten und achten wir uns selbst als menschliches Wesen in unserem ganzen Sein, was beinhaltet: Selbstbewusstsein, Selbstverwirklichung, Sinn und Erfüllung.
„Wer sich zum Wurme macht, darf nicht darüber klagen, mit Füßen getreten zu werden“, so Kant weiter.
Unter seiner Würde
wird sich ein würdevoller Mensch weder gebärden, noch behandeln lassen. Würdevolle Menschen erleben sich aus sich selbst
heraus als wertvoll und bedeutsam. Sie brauchen keine Macht, keine Statussymbole und keine Claqueure, um sich selbst als wertvoll und bedeutend zu
erleben. Sie verraten ihre Werte nicht auf Kosten irgendeines Gewinns, sei er monetär
oder emotional. Sie sind sich ihrer selbst bewusst und sie sind authentisch,
was bedeutet: Denken, Fühlen und Handeln stimmen überein. Sie spielen anderen
nichts vor, sie sind nicht bedürftig aus einem unbewussten inneren Mangel heraus. Sie sind
sich ihrer selbst mitsamt ihrer Schatten bewusst und sorgen gut für sich selbst. Ein Mensch
der Würde besitzt ist durchdrungen vom tiefen Bedürfnis Verantwortung für sich
selbst und sein Handeln zu übernehmen. Er ist sich selbst und seinen Werten
gegenüber verpflichtet und richtet sein Leben danach aus. Auch wenn die äußeren Umstände widrig sind.
Ein
Mensch, der sich seiner Würde bewusst ist, wird auch andere nicht würdelos
behandeln.
Er wird sie nicht benutzen, sprich: sie zum Objekt seine eigenen
Absichten machen. Er wird sie nicht
belügen um eines Vorteils willen, er wird ihnen nichts vorgaukeln um etwas für
sich selbst zu erreichen. Wer die Wahrung
seiner eigenen Würde und der Würde anderer zur Grundlage seines Handelns macht
ist nicht verführbar und wird nicht zum Verführer.
Was aber wenn schon als Kind unsere
Würde mit Füßen getreten wurde? Was, wenn unser kleines Menschsein mit Ignoranz,
Verachtung oder gar Demütigung beantwortet wurde? Wie erlangen wir dann ein
Gefühl für unsere Würde? Geht das überhaupt im Nachhinein?
Ich kenne Menschen die als Kinder
schlechter als ein Hund behandelt wurden. Die einen sind
empathielose Soziopathen geworden, die anderen sind liebevolle und gerade Menschen geworden, Wer sich in die unzähligen Aspekte
des Menschseins vertieft, wird die Unterschiede, die Möglichkeiten, den großen
Reichtum und die große Herausforderung entdecken, die in jedem von uns liegen. Als
erwachsener psychisch einigermaßen gesunder Mensch können wir entscheiden, wer
wir sein wollen. Wir können uns für ein Leben in Würde oder für ein Dasein in
Würdelosigkeit entscheiden. Wir können unsere Identität gestalten, auch wenn
man sie einst zertrümmert hat, denn in jedem von uns ist dieser unzerstörbare
Kern, der auf die Frage: „Wer bin ich?“ eine Antwort hat, die von anderswo
herkommt als aus den schmerzlichen Kindertagen. Wir müssen nur wieder und wieder mit dieser Frage
tief in uns hineinfühlen und die Antwort wird kommen.
„Sie haben mich klein
gemacht als ich klein war. Je mehr ich beobachte wie klein ich mich mache,
desto klarer wird mir: Ich entscheide mich, mich nicht mehr zu behandeln wie
man mich als Kind behandelt hat.“
Das sagte neulich ein Mensch zu mir, dessen
Würde man von der Kindheit bis ins frühe Erwachsenenalter in den Boden gestampft
hat. Dieser Mensch hat sich für seine Würde entschieden. Er ist bereit aufzustehen und sich den Dämonen der Kindheit zu widersetzen. Dafür ist es nie
zu spät.
Das Bewusstsein für unsere
eigene Würde ist etwas, das unser Leben tiefgreifend verändert. Wir werden klarer,
selbstbewusster, achtsamer, mitfühlender, liebevoller, geduldiger. Wir ruhen mehr und mehr
in uns selbst und strahlen diese Ruhe auf andere ab. Wir lassen uns nicht manipulieren und wir beugen uns nicht Dingen, Menschen und Situationen, die wir
mit unseren Werten nicht vereinbaren können.Wir sind bereit die Konsequenzen für ein "Nein" zu tragen.
Würde gleicht einem inneren
Kompass, der uns durch die Höhen und Tiefen des Lebens führt, im
Gewahrsein unseres eigenen Wertes. Dem können wir uns anvertrauen und darauf können
wir vertrauen. Komme, was da wolle. Würde ist gelebte Menschlichkeit. Sie ist
ein Akt der Autonomie. Sie ist Freiheit im Denken, die einzige Freiheit, die
man uns nicht nehmen kann.
Namaste
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