Freitag, 28. Juli 2017

Aus der Praxis – Warum das Nein sagen so schwer ist und wie wir es lernen können ...

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Was wir entscheiden, nicht zu tun, ist mindestens ebenso wichtig, wie das, was wir entscheiden zu tun. Dazu gehört das Nein sagen.
Für viele Menschen ist es schwer NEIN zu sagen.
Ein klares Nein erfordert nicht nur Mut, sondern Selbstbewusstsein und Klarheit. Und Letzteres ist weitaus schwerer aufzubringen als Mut. Wenn wir uns unserer Selbst nicht bewusst sind, was bedeutet, wenn wir nicht wissen, was wir nicht mehr wollen und was wir wollen und was dazu auch noch gut für uns ist, sind wir nicht klar. Wir sind ambivalent und innerlich zerrissen. Je unklarer wir in uns selbst sind, desto stärker ist der Kampf, den Herz und Verstand führen. Dazu kommt fatalerweise bisweilen auch noch das Wunschdenken, das von unserer Sehnsucht gefüttert wird wie es doch sein könnte, obgleich wir sehen, dass es nicht so ist, nicht so war und daher auch nicht die geringste Chance besteht, dass es so sein könnte, wie wir es uns wünschen.
Nein sagen zu Etwas oder Jemanden ist also wirklich schwer.
Das lernt man nicht einfach so, auch wenn das so manche Ratgeber versprechen.

Nein sagen im richtigen Moment ist eine Herausforderung. Es bedeutet uns selbst ernst zu nehmen und im Zweifel andere zu enttäuschen um uns selbst treu zu sein.
Auch wenn viele von uns das wissen, nein sagen ist, wie alles was uns uns selbst näher bringt, ein Prozess, der mit klarem Bewusstsein zu tun hat. Und das zu erreichen ist eine lebenslange Entwicklung, die sehr viel mit Achtsamkeit zu tun hat.

Um etwas Klarheit in die Schwierigkeit des Neinsagens zu bringen: Das Nein sagen fällt so schwer, weil es immer mit Macht versus Beziehung zu tun hat.
Und dabei ist Macht hier bitte nicht negativ zu verstehen. Beim Neinsagen geht es immer um Eigenmächtigkeit versus Fremdbestimmung.
Aber was haben Macht, Beziehung und Nein sagen miteinander zu tun?
Wenn ich ja sage um der Beziehung willen, schwäche ich mich selbst, also meine Eigenmacht und handle fremdbestimmt, nämlich danach was für den Anderen gut ist oder was er von mir erwartet, bzw., was ich glaube, dass er von mir erwartet.
Das fühlt sich nicht gut an. Ich stehe nicht für mich ein, ich passe mich an um des lieben Friedens Willen und um einen Konflikt zu vermeiden, dem ich nicht standzuhalten glaube. Und damit entscheide ich mich gegen mich selbst und meine Bedürfnisse. Ich entscheide entgegen dem, was mir nicht gefällt oder sogar nicht gut tut, um den Anderen nicht zu enttäuschen oder ihn gar von mir weg zu treiben. Eine ziemlich ungesunde Anpassungsstrategie, die, praktizieren wir sie des Öfteren, zu einer Menge Frust, Ärger und seelischen Konflikten führt. Der Gedanke des Jasagens wider die eigene Überzeugung ist folgender: Mit einem NEIN riskiere ich im Zweifel  die Beziehung, zu wem auch immer. Und je wichtiger mir die Beziehung ist, desto mehr Angst macht dieses NEIN. Also sage ich halt Ja.

Machen wir das oft resignieren wir und werden zu angepassten Jasagern oder, die zweite Variante: Wir explodieren irgendwann und reagieren dann auf unangemessene Weise. So werden manche geduldigen Menschen von einem Moment auf den Anderen zum aggressiven Angreifer. Es knallt scheinbar aus heiterem Himmel und die Beziehung ist futsch oder zumindest ernsthaft bedroht.

Nun es gibt es noch die dritte Variante. Man sagt nicht ja, man sagt nicht nein, man weicht aus. Das löst zwar das Problem nicht, verschafft aber Zeit. Nur - danach steht man wieder vor dem selben Problem. Ein höchst unseliger Nebeneffekt dieses Ausweichens: Das Selbstwertgefühl bekommt einen Knacks, denn auch wenn wir es nicht wahr haben wollen: Vielleichtchen fühlen sich gar nicht gut an. Sie sind reine Entscheidungsschwäche und kosten immens viel Energie, die wir mit etwas oder Jemanden verbringen mit dem wir nicht sein wollen. All das sind Strategien, die keine Klarheit schaffen oder eben eine Klarheit, die einen von beiden in der Beziehung zum Verlierer macht.

Aber, wie sage ich nun Nein, wo ich es meine? Und zwar so, dass es weder meine Eigenmacht schwächt, noch die Beziehung ernsthaft gefährdet?
Indem ich mir klar darüber bin was ich will und was ich nicht will. Das ist der erste Schritt. Der zweite Schritt: Ich begründe mein Nein, fair und mit klaren, nachvollziehbaren Worten.

Übrigens: Wenn du dein Ja und dein Nein kennst, wenn du dein "ich will weg von und "ich will hin zu " kennst, bist du auf einem ziemlich guten Weg zu dir selbst und deinen Bedürfnissen. 

Aber wie gesagt, alles was uns weiter bringt und wachsen lässt ist ein Prozess und wenn wir den noch nicht geschafft haben, macht nichts ... das Leben ist ein einziges Lernen, vorrausgesetzt man will lernen.



Angelika Wende
www.wende-praxis.de

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