Sonntag, 19. März 2017
Erinnerung an Liebe
Diese schmerzhaften Erfahrungen mit der Liebe, die sich in unsere Erinnerung drängen, immer wieder, auch wenn wir doch dachten, das ist vorbei und vergessen. Sie erwischen uns, wenn wir einen Geruch wahrnehmen, ein Lied hören oder einen Ort der Vergangenheit betreten. Sie erwischen uns an einem stillen Sonntagmorgen, wenn wir allein am Frühstückstisch sitzen. Als ich heute Morgen mein Ei köpfe ist sie da, die Erinnerung an eine schmerzhafte Liebe. Und als das Ei so erbärmlich zerteilt vor mir auf dem Teller liegt, denke ich, manchmal fühle ich mich so wie sich dieses Ei fühlen müsste, wenn es denn fühlen könnte - zerteilt. Zerteilt zwischen der Sehnsucht wieder zu lieben und der Angst es wieder zu tun.
Traurig ist das. Aber so ist das mit den Verletzungen der Liebe zwischen Menschen, das Bittere wird zu einer unschönen Erinnerung. Das Alte ist nie weg, auch wenn es uns nicht jeden Tag im Gedächtnis ist, es ist immer da.
Eine Liebe, die uns tief verletzt hat, eine Lüge des Menschen, dem wir vertraut haben, ein Erkennen, dass wir uns vielleicht über Jahre haben täuschen lassen, all das liegt in der schwarzen Schachtel der Erinnerungen. Dort hineinzuschauen tut weh. Und dieses Weh weitet sich aus, es weitet sich über die schwarze Schachtel hinaus in die weiße Schachtel in der die Sehnsucht liegt. "Lass sie liegen!", flüstert es aus der schwarzen Schachtel heraus, "deine dumme Sehnsucht, die dir so viel Schmerz bereitet hat."
Schmerzhafte Erinnerungen können uns misstrauisch machen und weniger bereit zu vertrauen. Je mehr dieser schmerzlichen Liebeserinnerungen wir haben, desto misstrauischer werden wir. Viele von uns blicken, je älter sie werden, auf traurige Liebesgeschichten zurück. Das macht es schwer uns neu einzulassen. Ich spüre, dass ich mich schütze und meine Gefühle zu kontrollieren versuche. "Pass auf", sagt die Erinnerung, "tritt nicht wieder in die Falle, es wird schmerzen, es wird dir vielleicht am Anfang gut tun, aber du weißt doch wie Menschen sein können, sie tun dir weh und oft genau die, die dich ihrer großen ewigen Liebe versichern". Das sind die Schlimmsten, die, die mit großen Worten lieben und nicht mit dem Herzen und der Wahrhaftigkeit. Das sind Erinnerungen, die wie ein großer fetter Schwellenhüter zwischen mir und dem Vertrauen in die Liebe zwischen Mann und Frau stehen.
Ich will das so nicht hinnehmen. Würde ich das tun, dann hätte die Erinnerung mehr Macht über mich als ihr zusteht. Und wenn dann einer käme und mich an Liebe erinnert und wie sie auch sein kann, nämlich ehrlich, aufrichtig und schön, dann müsste ich mich abwenden von ihm, aus Angst vor der Erinnerung mit der dieser Mensch nicht das Geringste zu tun hat.
Ich lebe im Jetzt, auch wenn ich Erinnerung bin, lebe ich im Jetzt. Und dieses Jetzt ist nicht mein Gestern. Und was gestern war muss heute nicht so sein und morgen nicht so werden. Darum esse ich jetzt genüsslich mein Ei und erinnere mich an eine schöne Liebe, denn auch sie gab es und es wird sie wieder geben.
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Alles was du schreibst, ist wahr und sehr hilfreich für viele.
AntwortenLöschenZu einem Aspekt, der nicht wirklich Thema des Postings ist, möchte ich etwas sagen:
"Eine Liebe, die uns tief verletzt hat, eine Lüge des Menschen, dem wir vertraut haben, ein Erkennen, dass wir uns vielleicht über Jahre haben täuschen lassen, all das liegt in der schwarzen Schachtel der Erinnerungen."
Dieser Blick auf denjenigen, der da ent-täuscht hat, den möchte ich problematisieren: Fakt ist doch wohl, dass sich jemand als "richtig böse" (vulgo "ar..hloch") verhalten hat, denn frau bis dato geliebt, gewertschätzt, keiner bösen Handlung für fähig gehalten hat. Und jetzt meint sie, sich in ihm getäuscht zu haben...
Ich denke, das basiert auf einem falschen Menschenbild. Es gibt nicht "die Guten" und "die Bösen" - sondern wir alle tragen beide Möglichkeitsfelder in uns. Je stärker das Unglück, die Verzweiflung, das Leiden, der Stress, desto mehr neigen wir dazu, die "bösen" Varianten unseres Verhaltensrepertoires zu aktivieren. (Genau das sind vermutlich Fähigkeiten, die uns als Spezies so überlebensfähig und erfolgreich machten).
Oder anders gesagt: der Lack der Zivilisation ist SEHR dünn... warum sollte ausgerechnet in Liebesbeziehungen - im Reich des größten Frustpotenzials in unseren "wattierten" Gesellschaften - nur die helle Seite unseres Menschseins zu Tage treten?
Vielleicht hilft dieser Gedanke, es erträglicher zu machen?
vielleicht ist es so, vielleicht ist es nicht so.
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