Dienstag, 5. Mai 2015

Mancher braucht den Fall


Er hatte sich eingerichtet in seinem Leben. So eingerichtet, dass alles so lief, wie es gut war für ihn. Von außen betrachtet war es das. Innen sah es anders aus. Je älter er wurde, desto mehr schien ihm, als richte sich sein Blick gegen seinen Willen nach Innen, auch wenn er dafür sorgte, im Außen zu bleiben, so gut es eben noch ging. Es ging immer weniger gut und ihm ging es immer weniger gut. Es war als würde der Lack des Bildes, das er von sich selbst gemalt hatte und immer wieder neu übertünchte, langsam aber sicher abblättern. Da war zu viel Farbe, die Schichten, übereinandergelegt, zu dick, der Untergrund hielt nicht mehr, die Folge ein Abrutschen. Das beunruhigte ihn. Was er sah gefiel ihm immer weniger. Das Missfallen nicht gewohnt, lenkte er sich ab, blickte auf die um ihn herum, bei denen es nicht gut lief, suchte nach Fehlern für das Nicht-gut-laufen, deutete mit dem Finger darauf, urteilte und gab Ratschläge wie sie es besser machen konnten. Was ihm besonders auffiel waren Fehler, die er selbst hatte. An diesen hing er sich gern auf, bei den anderen, analysierte sie, war gut im analysieren, das tat ihm gut, beruhigte das Gewissen, half, nicht bei sich selbst zu analysieren. Es gelang ihm immer weniger. Was ihm ins Auge stach wie ein spitzes Messer schmerzte, schmerzte immer mehr. Der Schmerz fürchtend, begann er wieder zu trinken, auch ein Fehler, den er bei anderen immer bedeutete, mit dem Finger darauf deutend, ein Urteil fällend über die Schwäche. Seine Schwäche, durch den Alkohol ihn weiter schwächend, mehr und mehr geschwächt, versuchte er Veränderungen zum Besseren hin, nicht wissend, dass der Alkohol der größte Feind der Veränderung ist. Er wankte geschwächt. Als es immer schlechter lief, dachte er: Mancher braucht den Fall um Stehen zu lernen.

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