Malerei A.Wende |
Das Gefühl der Zurückweisung. Wir kennen es alle, aber nicht alle von uns haben damit ein Problem, ein ernsthaftes Problem, meine ich, ein Problem, das direkt aus dem Herzen nach oben steigt und von dort einen dicken Kloß in den Hals schiebt, der sich dann weiter nach oben bewegt und so lange auf die Kehle drückt, bis er zerfließt und zu Tränen wird. Wer unter Zurückweisung leidet hat es nicht leicht. Jeden einzelnen Tag besteht die Möglichkeit zurückgewiesen zu werden. In Form eines Angriffs, einer Beleidigung, eines Vorwurfs, einer Anklage, einer Missachtung oder mit Worten, die verletzen.
Menschen, die mit Zurückweisung nicht umgehen können sind dünnhäutig und angreifbar. Sie haben die Neigung alles Ungute, das von anderen kommt, auf sich zu beziehen. Jeder noch so kleine Vorwurf stößt sie in tiefe Schuldgefühle. Sie machen sich selbst für alles verantwortlich, was andere ihnen antragen oder was sie ihnen entziehen. Sie tun das, weil sie in der unbewussten inneren Überzeugung leben: Du bist der Grund für die schlechten Befindlichkeiten anderer, weil du schlecht bist.
Sie fühlen sich schlecht, ob des Schlechten, das man ihnen vorwirft, auch wenn sie tief drinnen wissen, dass das nicht der Realität und schon gar nicht der überprüfbaren Wahrheit entspricht. Sie nehmen jeden Korb an. Das ist kein schönes Gefühl. Es ist sogar ein sehr belastendes Gefühl. Aber was sie nicht wissen - das Gefühl ist alt, es ist so alt wie sie selbst. Würde ich ein Bild von diesem Gefühl malen, so könnte man darauf ein Kind sehen, das in sehr engen, sehr schwarzen und sehr schmutzigen Schuhen verlassen in einer dunklen Ecke steckt und weint. Die Schuhe hat man ihm angezogen, als es sich nicht wehren konnte, gegen die Vorwürfe, Beurteilungen und Vernichtungen seiner Erwachsenen, die dem Kind im Grunde alle nur eins sagten: Du bist schlecht!
Diese Schuhe der Schlechtigkeit trägt dieses Kind ein Leben lang, wenn es ihm nicht gelingt, sie irgendwann von den Füßen zu lösen und sie so weit wegzuwerfen, dass sie dort landen, wo sie hingehören, nämlich dorthin, wo die sind, die sie ihm angezogen und so fest zugeschnürt haben.
Viele dieser Kinder schaffen das nicht, denn es ist nicht leicht, den tief verwurzelten Glauben über die eigene Schlechtigkeit einfach abzuwerfen. Und so gehen sie ohne Erdung, ohne Vertrauen ins Leben und in andere Menschen, auf einem brüchigen Boden, immer darauf bedacht, dass er nicht unter ihnen einbricht, immer darauf bedacht, nicht zu stolpern, immer in der Angst der brüchige Boden könnte unter ihnen einbrechen und sie verschlingen. Sie haben Angst, Angst vor Menschen und Angst vor Nähe, denn das Zulassen von Nähe beinhaltet immer auch die Gefahr verletzt zu werden. Nun, das ist ja auch wahr, das wissen auch die, die kein Problem mit Zurückweisung haben: Nähe trägt immer beides in sich - ein Anziehen und ein Zurückstoßen, denn Nähe geht einher mit Distanz, sie schließt Distanz ein, weil das eine immer sein Gegenstück in sich trägt.
Menschen, die mit Zurückweisung nicht umgehen können, sind nicht in ihrer Mitte. Sie sind eigentlich immer auf jener Seite, wo sie sich schlecht fühlen und gut sein wollen, damit sie sich nicht mehr schlecht fühlen müssen, denn das rührt am alten Schmerz der Kinderseele. Wenn diese Menschen dann doch einmal Nähe zulassen sind sie sehr darauf bedacht dem Anderen alles Recht zu machen, ihm Gutes zu tun oder ihm hilfreich zur Seite zu stehen, wenn er nach ihnen ruft. Sie geben sich große Mühe den Anderen nicht zu enttäuschen, auch wenn sie spüren, dass der Andere vielleicht gar nicht sie meint, sondern nur das, was er von ihnen haben will. Sie geben dennoch, ohne auf sich selbst zu achten, sie geben um nicht als schlechter Mensch abgestempelt zu werden, denn wir alle glauben doch - nur schlechte Menschen geben nichts. Auch so eine ungesunde Überzeugung, die man uns beigebracht hat.
Menschen, die Zurückweisung als seelische Vernichtung empfinden sind emotional ausbeutbar. Sie wollen lieb sein, sie wollen gut sein, sie wollen, dass ihnen endlich einer sagt: Du bist nicht schlecht. Sie fordern von sich selbst, alles zu verstehen, auch wenn sie längst nicht mehr verstehen, im Grunde aber wollen nur eins - sie wollen geliebt werden und nicht zurückgewiesen werden wie damals, als sie dieses "schlechte" Kind waren.
Ich fühle mit diesen Kindern, ich kann sie gut fühlen, weil ich eins dieser Kinder bin. Ich möchte diesen Kindern gerne sagen: Ihr seid nicht schlecht, schlecht sind die, die euch schlecht geredet haben, die, die euch diese Schuhe angezogen haben. Und dann möchte ich dabei zusehen, wie alle diese Kinder diese elenden Schuhe aufschnüren und sie weit wegwerfen, mit einem lauten Schrei der Befreiung und einem, aus dem Herzen kommenden: Ich bin ok, ich bin so was von ok, auch wenn ich nicht mehr alles mit mir machen lasse! Ich bin gut zu mir selbst, wenn ich nicht mehr zulasse, dass man mich verletzt, ich höre auf Gutes zu tun, nur um mich als ein guter Mensch fühlen zu dürfen. Ich möchte hören, wie sie laut Nein sagen, wenn sie spüren, das ihnen etwas nicht gut tut und eine Grenze ziehen, dort, wo man ihre Grenzen verletzt und ich möchte sehen, wie sie gelassen lächeln, wenn man sie zurückweist und ich möchte sie sagen hören: Das ist dein Problem und nicht meins. Und ich möchte spüren, dass sie sich dabei nicht schlecht fühlen.
Wunderbar treffend (b-)geschrieben...
AntwortenLöschen:-)
AntwortenLöschen