Dienstag, 3. Juli 2012

Aus der Praxis - Schattenarbeit




Schatten, das ist dunkel. Das ist etwas, wovor wir uns im Zweifel fürchten, zumindest ist uns das Dunkel suspekt oder unangenehm. Irgendwie haben wir alle so unsere Probleme mit dem Dunkeln.

Weil es ein negativ besetztes Wort ist. Oder weil wir ungute Erfahrungen mit dem Dunkel gemacht haben. Als Kind im Keller zum Beispiel, oder Schlimmeres.

Dunkel ist aber nicht negativ. 
Es umfasst nur alles was außerhalb unseres bewussten Gewahrseins liegt.

Jeder Schatten braucht Licht, damit wir ihn überhaupt wahrnehmen können. 
Jedes Objekt und jedes Subjekt wirft einen Schatten, wenn wir es beleuchten.

Der Eigenschatten jeden Körpers ist der Schatten, den der Körper auf sich selbst, durch sich selbst verursacht. Der Eigenschatten jeden Körpers ist die nicht beleuchtete, also die der Lichtquelle abgewandte Seite. Ohne Licht gibt es keine Schatten und wo viele Schatten sind, ist automatisch viel Licht. Wir können das eine nur dadurch wahrnehmen und überhaupt nur voneinander unterscheiden, weil es das andere gibt.

Das eine ohne das andere gibt es nicht. 
Es gibt nur die Polarität – wir leben in einer polaren Welt.

In einer Welt der Gegensätze. Die einander bedingen. 
Niemand fühlt sich groß, wäre nicht ein anderer klein, reich ist ohne arm nicht denkbar, selbst gut nicht ohne böse. Die Polarität lässt uns alles als gegensätzlich erscheinen. Demnach gehören die Gegensätze unbedingt zusammen und sind erst zusammen ein Ganzes.

Versuchen wir mal gedanklich irgendetwas zu finden, zu dem es keinen Gegenpol gibt...
 
Nichts gefunden?

Da wir gerade die Vergeblichkeit dieser Erfahrung erlebt haben, wie wäre es, wenn wir für einen Moment akzeptieren, dass wir selbst eine dunkle Seite haben dürfen?

Ich, du er sie, es wir dürfen eine dunkle Seite haben, denn so sind wir ganz.
Alle Teile sind nötig um das Ganze zu bilden.
Stellt sich die Frage: Macht die Trennung der Teile in uns selbst dann überhaupt Sinn?
Wenn alles eins ist, gehört doch alles zu uns – oder?
Wie könnten wir gut sein, wenn wir nicht böse sein können?
Wie Mut haben, wenn es die Angst nicht gibt?
Wie Liebe empfinden, wenn wir nicht Gleichgültigkeit fühlen können?

Letztlich existiert in der Welt und in uns nur die Einheit.
Unbewusst und gefühlt, ist sie da -  in der Welt und in uns. Innen wie Außen.

Die Trennung die wir machen, macht uns das Leben schwer.
Die Trennung im Aussen und vor allem die in unseren Inneren.
Wir beurteilen und trennen.
Das ist das Dilemma der Wirklichkeit in der wir leben. 
Wir trennen und wir spalten das Getrennte von uns ab.
Wir machen das bewusst und zu neunzig Prozent unbewusst.

Weil wir Trenner und Abspalter sind  - trennen und spalten wir die Teile von uns ab, die wir nicht „beleuchtet“ sehen wollen.

Diese Teile sind dann die so genannten dunklen Seiten – unser  Ego, unsere Dämonen, der oder der andere in uns –  das  sind die Schatten.

Die Schatten sind alle Aspekte und Teile in uns, die wir nicht ganz in unser Bewusstsein integrieren. Für die wir keine Verantwortung übernehmen wollen, oder können und die wir gern auf andere projizieren.

Was nicht zu unserem entwickelten ICH Ideal, unserem idealisierten Selbstbild passt – das wird zum Schatten. Je nachdem wie wir erzogen und sozialisiert wurden, gibt es eine Menge davon in uns oder weniger. Aber wir haben sie alle.

Jetzt könnte einer sagen – na und, ist doch gut, wenn wir das Ungute schön abdeckeln.
Ist es nicht. Denn, es kostet eine Menge Energie, die wir darauf verwenden, das zu verbergen, was nicht sein darf – entweder in den Augen der anderen oder in unseren eigenen Augen. Es kostet so viel Energie, dass uns das Energie raubt die wir gut brauchen könnten, um ein erfüllteres und ausgeglicheneres Leben zu führen.
Es ist unfassbar wie viel Energie wir darauf verwenden, um eine bestimmte Person nicht zu sein.
Wir bleiben hinter unserer Maske, um uns sicher zu fühlen. Scheinsicherheit.

Ausgleich ist das Zauberwort. Und Unterdrückung ist kein Ausgleich, sondern ein Kraftakt, der alles andere als ausgeglichen macht – er zerreist uns auf Dauer.
Wir sind in der Tat unausgeglichen.
Warum machen wir das trotzdem, auch die von uns, die das alles wissen?
Weil all das Ungute in uns da drin unser Selbstbild ins Wanken bringen könnte, das wir uns, ein Leben lang, schön gemalt haben. Weil wir glauben, wir halten die Instabiltät nicht aus.

Dabei sind wir längst instabil und vor allem sind wir ständig damit beschäftigt unsere künstliche Stabilität aufrecht zu halten.

Das ist mühsam. Zur gleichen Zeit rumort es  da unten in der Tiefe unserer Schattenwelt immerzu gewaltig.
Botschaften von da unten klingen etwa so:
Ich bin nicht gut genug.
Ich bin nicht liebenswert.
Ich bin nicht ok.
Ich verdiene es nicht.
Mit mir stimmt was nicht.
Ich werde nie Erfolg haben.
Das kann ich sowieso nicht.
Ich finde nie den richtigen Partner.
Ich bin zu dick, zu dumm, zu hässlich und und und ..

Ungut, diese Stimmen aus dem Tiefgeschoß.

Sie melden sich meistens, wenn wir allein sind, oder wenn uns wieder einmal etwas misslungen ist, oder wenn wir wieder einmal verlassen wurden, oder verlassen haben, oder wenn wir uns etwas zum hundertsten Mal sehr gewünscht und wieder nicht bekommen haben.

Wir hören diese Botschaften und wir glauben sie sogar. Wir mögen sie aber nicht. 
Und weil wir sie nicht mögen und nicht hören wollen, verschließen wir unsere Ohren und lenken uns mit irgendetwas oder irgendwem ab.
Damit wieder Ruhe ist.
Es ist aber keine Ruhe. Es ist zwar still da unten, aber ruhig ist es nicht, das merken wir daran, dass unser Lebensgefühl sich nicht ruhig „anfühlt“.

Wir wäre es, wenn wir glauben - die Stimmen von da unten meinen es gut mit uns.
Aber wir misstrauen ihnen, weil wir denken - wie kann eine so negative Botschaft es gut mit mir meinen.

Sie kann. Sie meint es gut. 
Weil sie will, dass wir uns mit dieser Botschaft auseinandersetzen.
Die Stimme will, dass wir Sie uns anschauen, sie will, dass wir Licht in die dunkle Tiefe bringen.

Damit es da unten hell wird.
Ganz einfach oder?
Ja, wenn man sich das bewusst macht.

Dann beginnt die Schattenarbeit.
Und die erste Frage, um unseren Schatten auf die Schliche zu kommen, lautet: 
Was ziehe ich an wie ein Magnet?
Welche Menschen, welche Ereignisse? 

Ich habe es ausprobiert und übe täglich und ich komme aus dem Staunen nicht mehr 
raus ...

Was wir anziehen wie ein Magnet ist das, was uns auffordert, es endlich selbst auszuleben, damit wir nicht mehr von unseren Schatten gelebt werden und von den anderen, die sie uns so schön vorführen, damit wir nicht immer wieder in die gleiche Projektionsfalle tappen, nicht immer wieder die gleichen Partner anziehen, die nur unsere Neurose bedienen, damit wir unserer inneren Freiheit ein Stück näher kommen - und die beginnt da, wo wir uns ein bisschen mehr ganz fühlen.