Malerei: A.Wende
Die Gewalt ist ein Bereich undurchdringlicher Dunkelheit des Menschseins, den
wir niemals vollständig begreifen werden. Der Mensch ist zu allem fähig, zu Liebe
und Mitgefühl ebenso wie zur Grausamkeit und zur Zerstörung.
Wenn die Gewalt spricht, schweigt das Argument.
Menschen können zu gewalttätigen Monstern werden. Darin zeigt sich die dunkle
Seite ihres Menschseins. Gewalt ist eine für jeden von uns zugängliche Handlungsoption.
Wo Gewalt ausgeübt wird gibt es Täter und Opfer.
Gewalt, egal ob es emotionale, psychische oder körperliche Gewalt ist, wirkt auf den Körper, sie hinterlässt tiefe Spuren an Körper und Seele. Gewalt verletzt und verursacht Schmerzen ud Leid. Wenn uns Gewalt widerfährt ist nichts wie zuvor. Für den Täter ist es das Gefühl von Allmacht, das er empfindet, für das Opfer ist es das Gefühl absoluter Ohnmacht.
Gewalt in Beziehungen verändert die Bedingungen unter denen Menschen einander begegnen, denn nach der Gewalttat ist nichts mehr wie es zuvor war.
Dennoch bleiben viele Opfer von Gewalttätern in diesen Beziehungen.
Sie versuchen die Gewalt als Ausnahmehandlung des anderen zu rationalisieren, sie versuchen sie wegzuerklären um ihre Fassungslosigkeit zu domestizieren.
Sie versuchen den, der ihnen Gewalt angetan hat, zu verstehen.
Sie suchen nach Rechtfertigungen, nach Erklärungen, nach Entschuldigungen für den Täter.
Sie wenden sich dem Täter und seinen Absichten und Motiven zu und nicht den eigenen Gefühlen.
Die Intention des Täters verstehen zu wollen gehört immer zum Erleben des Opfers.
Das liegt daran, dass wir Menschen nicht nur auf Handlungen reagieren, sondern nach den dahinterliegenden Absichten fragen.
Wir fragen uns: Ist die Gewalt, die mir angetan wurde, absichtsvoll oder versehentlich geschehen, aus dem Affekt heraus oder mit Vorsatz?
Ist die Gewalt mit Erniedrigung und Demütigung verbunden?
Was habe ich getan, dass mir Gewalt widerfährt?
Womit habe ich den Täter vielleicht provoziert?
Was hat er für Probleme?
Welche Umstände haben es ihm ermöglicht, seine Hemmungen abzulegen?
Was wird durch die Gewalt mitgeteilt?
All das hat einen Einfluss darauf, wie eine Gewalttat bewältigt wird und wie Menschen auf sie antworteten.
In der Definition des Soziologen Heinrich Popitz ist Gewalt „eine Machtaktion, die zur absichtlichen Verletzung anderer führt, gleichgültig, ob sie ihren Sinn im Vollzug selbst hat, als bloße Aktionsmacht, oder, in Drohungen umgesetzt, zu einer dauerhaften Unterwerfung, als bindende Aktionsmacht führen soll“.
In dieser Definition liegt die Antwort: Bei jeder Art von Gewalt geht es um Machtausübung über andere. Darin liegt der Ursprung von Gewalt: "Ich erhebe mich mächtig über dich und versetze dich in Ohnmacht."
Wer ohnmächtig ist, ist hilflos, gelähmt, handlungsunfähig, erstarrt.
Er ist manipulierbar und kontrollierbar.
Er ist seiner Ich – Stärke und seinen Selbstwertes beraubt. Er ist in seiner Würde verletzt.
Er ist Opfer.
Ein Opfer, das begreifen muss, dass Gewalt aus einem Macht- und Kontrollbedürfnis resultiert.
Das wissen muss: Aggressoren nutzen Gewalt als Mittel, um Kontrolle über ihre Opfer auszuüben und ihre eigenen Unsicherheiten oder Probleme zu kompensieren.
Das wissen muss, dass es normal ist, sich nach einem gewalttätigen Vorfall verwirrt, ängstlich, beschämt oder machtlos zu fühlen.
Das wissen muss: Es gibt keine Rechtfertigung und keine Entschuldigung für Gewalt – sie ist ein NO GO in jeder Art von Beziehungen. Sie ist maximale Grenzüberschreitung.
Wenn wir Opfer von Gewalt wurden, egal ob es körperliche, emotionale, psychische oder sexuelle Gewalt war, ist es immens wichtig über unsere Gefühle zu sprechen, unsere Gefühle, Gedanken und Erfahrungen, als real anzuerkennen, ohne sie zu bewerten oder zu verurteilen. Es geht darum uns auf uns selbst zu konzentrieren und auf unsere innere Welt und nicht auf den Täter. Es geht darum, das Gefühl der Demütigung und der Scham, die viele Opfer von Gewalt empfinden, dahin zurückzugeben wo sie hingehören - zum Täter.
Es geht darum zu erkennen: Es war nicht mein Fehler und nicht meine Schuld.
Denn, egal was ich gesagt oder getan habe, Gewalt ist niemals eine gerechtfertigte Antwort.
Sie ist inakzeptabel und zerstörerisch.
Eine Gewalterfahrung zu verarbeiten kann dauern, denn Gewalt ist, weil sie verletzt und Schmerzen verursacht, eine fortwährende Irritation von Körper, Geist und Seele und eine Herausforderung für das Begreifen des Unfassbaren.
Und damit ist sie eine Traumatische Erfahrung, die bewältigt werden muss, um zu genesen.
Für Opfer von Gewalt ist es wichtig sich Hilfe zu suchen, um die Dynamik zu verstehen und sich nicht allein oder schuldig zu fühlen. Erst dann kann es m.E. Sinn machen das Verhalten des Aggressors zu kontextualisieren und zu validieren, um das Opfer emotional zu entlasten.
Wenn uns Gewalt widerfahren ist können wir es nicht ändern.
Wir müssen es verarbeiten, so gut wir können, aber wir können Vorkehrungen treffen, die künftig Menschen davon abhält, Gewalt gegen uns auszuüben.
Aus
Gründen der besseren Lesbarkeit habe ich auf die gleichzeitige Verwendung
der Sprachformen männlich, weiblich und divers verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.
Angelika Wende

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